Der Staatsanwalt von Pinerolo, Ciro Santoriello, hat bezüglich der Dopingrazzien bei österreichischen Athleten während der Olympischen Winterspiele in Turin nun mit bemerkenswerten Aussagen und schweren Verdächtigungen aufgewartet.
Obwohl das Untersuchungsergebnis noch nicht offiziell ist, hat Santoriello in einem Interview mit der französischen Sportzeitung "L'Equipe" berichtet, dass Blutbeutel bzw. Blutbehälter mit drei bis vier Liter Blut gefunden worden seien und der ehemalige ÖSV-Langlauftrainer Walter Mayer unmöglich der alleinige Drahtzieher der Affäre gewesen sein könne.
Verdächtige Gegenstände, negative Proben
Während der Spiele hatte es im Februar zwei Razzien in Quartieren österreichischer Langläufer und Biathleten gegeben, bei denen mehrere "verdächtige" Gegenstände sowie Medikamente beschlagnahmt worden waren.
Die Urintests der Sportler waren damals aber negativ gewesen.
Kritik an mangelnder Zusammenarbeit
Santoriello versichert in dem Exklusiv-Interview, dass die zuständigen Staatsanwaltschaften in Pinerolo und Turin mit Hochdruck an dem Fall arbeiten würden, die Zusammenarbeit mit der österreichischen Justiz aber nicht einfach sei.
Auch die Unterstützung des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) lasse zu wünschen übrig, sagt Santoriello. Es sei auch enttäuschend, dass auf Grund der Gesetzeslage Mayer in Österreich als absolut unschuldig gelte. Denn der Fund der Blutbeutel lasse einen eindeutigen Verdacht auf verbotene Bluttransfusion zu, so Santoriello.
Was steht in den Protokollen?
ÖSV-Generalsekretär Klaus Leistner reagierte auf diese Aussagen erstaunt. "In den uns zugänglichen Protokollen, die nach den Razzien angefertigt worden sind, stand nichts dieser Art. Ich habe keine Erklärung dafür", sagte Leistner.
Der Funktionär wundert sich auch, warum ein Staatsanwalt während eines laufenden Verfahrens derartige Aussagen tätige. "Unsere eigene Untersuchungskommission arbeitet gründlich, wird nichts überstürzen", betonte Leistner. Er bestätigte aber auch erneut, dass betroffene, aber aus dem Verband ausgetretene bzw. suspendierte Athleten nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden könnten. "Außer sie kommen freiwillig."
Negative Urinproben beweisen nichts
Santoriello ist hingegen weiters überzeugt, dass die - nach den damaligen Razzien genommenen - negativen Urinproben der österreichischen Athleten "nicht bedeuten, dass sie sauber sind. Es ist das Blut, das zählt." Er hoffe, dass die Blutanalysen bis Anfang Mai vorliegen würden.
Systematischer Medikamentenmissbrauch?
Man habe zwar keine verbotenen Medikamente, dafür aber andere und vor allem Spritzen in rauen Mengen gefunden, was für Santoriello wiederum den Schluss zulässt, dass es sich um systematischen Medikamentenmissbrauch handeln könnte.
Der unter dem Namen "Doktor Bauch" (Hans Vierthaler, Anm.) bekannte Koch und Fahrer des Teams, der laut eigenen Aussagen schwer herzkrank ist, habe mit der Behauptung, die Medikamente gehörten ihm, die Athleten lediglich schützen wollen, ist Santoriello überzeugt.
Verdächtiges Telefongespräch
Verwundert reagierte der Staatsanwalt auch darauf, dass man vielfach nichts von der Anwesenheit Mayers gewusst haben will.
Dezidiert erwähnte Santoriello ein Telefonat zwischen Mayer und ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel am Vormittag jenes 18. Februar, also wenige Stunden vor der ersten Razzia in San Sicario. "Wir haben Aufzeichnungen darüber", bekräftigte Santoriello. Er sei sicher, dass es nicht nur um Mayer gehe. "Wir glauben an ein organisiertes System."
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