Hart, aber herzlich

"Das Spiel ist Stress pur, wir haben trotzdem Spaß."
"We are the Kangaroos - boing, boing" schallte es Samstagfrüh aus einem Pub in der Wiener Innenstadt. Als in der Dämmerung die letzten Nachtschwärmer doch noch den Weg nach Hause finden, versammeln sich die Mitglieder der Vienna Kangaroos in ihrem Stammlokal und stimmen sich mit ihrer Klubhymne auf den Höhepunkt des Jahres ein.

Das Grand Final der Australian Football League (AFL) zwischen den West Coast Eagles und den Sydney Swans steht auf dem Programm. Während 97.000 Fans den Melbourne Cricket Ground in ein Tollhaus verwandeln, geben auch die Wiener Kangaroos um 6.30 Uhr ihr Bestes, um echte "Footy"-Atmosphäre entstehen zu lassen.

"Wir spielen nicht Rugby"
Der raue Sport, in Australien "Footy" oder "Aussie Rules" genannt, hat in den letzten Jahren in Österreich eine kleine Anhängerschar gefunden. "Ah, ihr spielt Rugby", erzählt Kangaroo-Pressesprecher Martin Ruppe von den üblichen Reaktionen, wenn er versucht, Australian Rules Football zu erklären.

©Bild: Kangaroos / Sax
©Bild: Kangaroos / Sax
Doch "Aussie Rules" ist eine Mischung aus vielen Sportarten - wohl am ehesten als Mixtur aus Ansätzen von Handball, Rugby und Fußball - verbunden mit der Laufleistung eines Halbmarathons - zu beschreiben. Ziel ist es, den rugbyähnlichen Ball durch zwei aufragende Torpfosten zu schießen, um Punkte zu erzielen.

Hart, aber herzlich
Das schnelle und harte Spiel ist eine Herausforderung. "Das Besondere ist der Stress. Du bist eins mit dem Ball und hast kaum Zeit zu denken. Du brauchst viel Übersicht und musst schnell spielen, sonst wirst du sofort attackiert. Der Kampf um den Ball ist hart", macht Ruppe Werbung und beruhigt mögliche Interessenten auch gleich.

"Die AFL ist schon ziemlich brutal, bei uns liegt die Verletzungsrate aber sicher unter jener von Fußball. Bei uns stehen der Spaß und die Freude am Sport im Vordergrund."

Simon, 42-jähriger Jurist aus Adelaide, in Wien für die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) tätig, lächelt milde und greift auf seine Rippen. "Die habe ich mir beim Turnier in Zagreb angeknackst. Schön langsam werde ich zu alt. Meine Frau will sowieso, dass ich aufhöre." Simon spielt seit seiner Schulzeit in Australien und hörte durch Freunde, dass auch in Wien "Footy" gespielt wird.

"Aussie Rules" auf Wienerisch
©Bild: Kangaroos / Sax
©Bild: Kangaroos / Sax
Seit 2003 ein paar australische Auswanderer in Wien die ersten Kicks ausführten und gleich darauf beschlossen, als "Team Austria" zu einem europäischen Turnier nach London zu reisen, hat sich einiges verändert. Die Unterschiede zur australischen Profi-Liga AFL, der vom Zuschauerschnitt her drittgrößten Liga der Welt, sind natürlich dennoch gravierend.

"Wir spielen mit neun statt mit 18 Spielern auf einem Fußballfeld", erklärt der 27-jährige Ruppe, der bei einem längeren Australien-Aufenthalt auf den Geschmack gekommen ist. "Down under" wird in Cricketovalen gespielt, die mit einer Maximalausdehnung von 185 mal 155 Metern wesentlich größer sind als heimische Fußballfelder.

Österreicher kommen auf den Geschmack
Lediglich rund 20 Leute umfasst bisher der Klub in Wien, aber das Interesse steigt laut Ruppe: "Für nächstes Jahr haben sich schon vier, fünf neue Spieler angekündigt." Ben, ein kantiger Australier und einer der Pioniere des Sports in Österreich, ergänzt stolz: "Wir haben aber schon mehr einheimische Spieler als Australier."

Nachwuchs ist natürlich willkommen, ab 14, 15 Jahren könne man bereits mitspielen, ist Ben überzeugt.

Einsame Kangaroos
Ziel ist es, in Österreich einen zweiten Verein zu gründen, um die Konkurrenz zu fördern. Wien oder Graz sind dafür mögliche Orte. Gespielt wurde zuletzt in einer Art Mitteleuropa-Liga, so etwa im Sommer beim "Schnitzel Cup" in Wien gegen Konkurrenz aus Kroatien und Tschechien. Sieg wollte sich aber noch keiner einstellen.

Derzeit müssen die Wiener noch ohne Trainer auskommen, geübt wird während der Saison zwei Mal wöchentlich am Abend im Wiener Prater. Die australischen "Profis" unter den Spielern geben die Übungen vor. Nach den klaren Niederlagen wurden die "Drills" aber verschärft. "Das hat sich schon ausgezahlt. Jetzt geht was weiter", ist Ruppe gut gelaunt.

(Noch) keine großen Sprünge
Geldmäßig macht sich der Sport natürlich nicht bezahlt. Ein Pub stellt die charakteristischen ärmellosen Leibchen zur Verfügung, sonst herrscht Ebbe in der Vereinskasse. "Für einen Studenten ist das Geld für unsere Reisen schwer aufzutreiben", weiß Ben. Als waschechter Australier kennt er den idealen Sponsor: "Eine Brauerei".

Die Zukunftsträume der "Roos" sind jedenfalls idealistisch: "Vielleicht haben wir in vier, fünf Jahren eine Liga mit vier Teams. Ja, und natürlich wollen wir unseren Sport in Österreich bekannter machen, aber das wird wohl länger dauern", so Ruppe lachend. Bis dahin gilt: "We are the Kangaroos - boing, boing."

Martin Wagner, ORF.at

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