Ein Kontinent im "Footy"-Fieber

Manche Klubhymnen haben Kultstatus: Etwa der Tigerland Song.
Australian Rules Football, im Land der Kängurus liebevoll "Footy" genannt, lockt jährlich Millionen Fans in die Stadien auf dem fünften Kontinent. Die Meisterschaft der Australian Football League (AFL) ist vom Zuschauerschnitt die drittgrößte Liga der Welt.

©Bild: APA
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35.250 Zuschauer besuchen durchschnittlich die Spiele der 16 AFL-Teams, etwa um 2.000 Fans mehr als in der englischen Premier League. Übertroffen wird die AFL im Publikumsinteresse pro Spiel nur von der US-amerikanischen NFL und der deutschen Fußball-Bundesliga.

Das "Grand Final" zwischen den West Coast Eagles und den Titelverteidigern der Sydney Swans verfolgten letzten Samstag im riesigen Melbourne Cricket Ground über 97.000 Fans.

Im Höhenflug
In Australien haben die AFL-Klubs über 500.000 Mitglieder, über eine halbe Million Spieler sind registriert. Der Sport kratzt an der Vorherrschaft von Cricket, hat an Popularität Rugby und etwa Schwimmen längst eingeholt.

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Jährlich wächst die Zahl derer, die sich im "Footy" versuchen wollen, einem Sport, bei dem 18 Spieler eines Teams versuchen, den eiförmigen Ball so schnell wie möglich mit Händen und Füßen über das riesige Cricketfeld zu befördern und schließlich mit einem Schuss zwischen vier hoch aufragende Torpfosten Punkte zu erzielen.

Gekämpft wird nur auf dem Platz
Die Spiele ziehen die leidenschaftlichen Fans auf Grund ihrer Rasanz in den Bann. Die Akteure kämpfen in ihren typischen, ärmellosen Leibchen in einem Moment beinhart um den Ball, um im nächsten Augenblick mit einem punktgenauen Zuspiel über 50 Meter zu beeindrucken.

Die Atmossphäre auf den Plätzen ist angespannt. Trotz der oft bitteren Lokalrivalität gibt es aber keinerlei Ausschreitungen bei den Spielen. Für Unterhaltung ist auch immer gesorgt und manche Eigenheiten der AFL machen den Sport sympathisch schrullig.

Fans mit Werbetafeln
So jubeln hinter den Toren die Fanklubs (Cheer Squads) mit überdimensionalen, in den Vereinsfarben gehaltenen Ponpons. Bei TV-Übertragungen halten die Anhänger den Torrichtern Werbetafeln vor das Gesicht, die dann groß im Fernsehen zu sehen sind.

Beim Einlaufen sprinten die Spieler durch meterhohe Plakate mit Kampfsprüchen. Nach dem Sieg einer Mannschaft wird deren Klubhymne lautstark durch das Stadion geschmettert.

Manche Songs erinnern dabei an eine Mischung aus Kinderliedern und Rummelplatzmusik - wie eines der beliebtesten Werke: der Tigerland Song der Richmond Tigers.

Pokale und "Holzlöffel"
Die Meisterschaft wird im australischen Winter gespielt, geht von März bis September über 22 Runden und endet nach einem Play-off-System, in dem die Spitzenteams bei einer Niederlage noch eine zweite Chance bekommen, mit dem Grand Final.

Heuer kam es zu einer Wiederholung des Vorjahresendspiels zwischen den Sydney Swans und den West Coast Eagles aus Perth. Gewannen 2005 noch die "Schwäne" mit zwei Punkten Unterschied, revanchierten sich heuer die "Adler" im knappsten Endspiel seit 40 Jahren und siegten mit einem Zähler Vorsprung.

Der beste Spieler einer Saison wird mit der Brownlow Medal geehrt, heuer zum zweiten Mal Sydneys Adam Goodes. Die schlechteste Mannschaft, diesmal Carlton, bekommt auch einen symbolischen Preis: den "Wooden Spoon" (Holzlöffel).

Vor 150 Jahren in Melbourne
"Footy-Hauptstadt" ist seit fast 150 Jahren aber die Millionenmetropole Melbourne. Im Sommer 1858 wollte der Cricketspieler Tom Wills einen Ausgleichssport für Cricketer schaffen, den diese auch im Winter ausüben konnten.

Der Einfluss von Fußball und Rugby ist bis heute unübersehbar, Verbindungen zu Marn Grook, einem Spiel der indigenen Bevölkerung, besteht ebenfalls. Der Sport wurde sehr bald von vielen Schulen in und um Melbourne ausgeübt. Wills spielte selbst einige Jahre lang Australian Football, ehe er 1876 im Alter von 41 Jahren Selbstmord beging.

"Footy" erobert Sydney
Zehn der 16 Profi-Klubs sind heute im Bundesstaat Victoria beheimatet. Diese extreme Konzentration auf Südaustralien hat zur Folge, dass 1982 der South Melbourne Football Club nach Sydney verlegt wurde, um den Sport auch in anderen Teilen Australiens bekannt zu machen.

Seit der Ausdehnung der Liga vor 25 Jahren ist die öffentliche Aufmerksamkeit ständig gestiegen. Die Sydney Swans und die Brisbane Lions sorgten mit ihren Meistertiteln in den letzten Jahren für einen Popularitätsschub in Gegenden, die (noch) von Rugby dominiert sind.

Martin Wagner, ORF.at

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