Mit dem 2:1-Sieg gegen den EM-Partner Schweiz könnte der Mannschaft von Teamchef Josef Hickersberger am Mittwochabend in Innsbruck erstmals ein wirklicher Schritt nach vorne gelungen sein.
Zwei Tore zum Durchatmen
Linz brachte Österreich aus einem Elfmeter nach Foul an ihm selbst in Führung (24.), Kuljic erhöhte nach gefühlvollem Ivanschitz-Heber per Kopf (36.) auf 2:0. Den Gästen gelang durch Streller (70.) nur noch der Anschlusstreffer gegen eine beherzt kämpfende ÖFB-Truppe.
Das dringend notwendige Erfolgserlebnis gegen einen starken Gegner war damit geschafft, Spieler wie Teamchef dürfen durchatmen. Doch die zweite Hälfte erinnerte wieder an schwächere Spiele - das Team zeigte gute wie schlechte Seiten.
Auf dem richtigen Weg
Torhüter Jürgen Macho: Der Kaiserslautern-Schlussmann bot eine ausgezeichnete Leistung. Der 29-jährige Ex-Rapidler wirkte sehr konzentriert, spielte mit, war bei keiner Aktion zu früh oder zu spät, konnte mit seiner souveränen Art der Verteidigung Rückhalt geben. Macho ist auf dem besten Weg, Österreichs Nummer eins bei der EM zu werden.
Teamgeist: Das ÖFB-Team ist enger zusammengerückt. Die ständige Kritik - von außen und auch innerhalb der Mannschaft (z. B. von den England-Legionären Emanuel Pogatetz und Paul Scharner) - hat, neben den notwendigen Erfolgserlebnissen, dazu beigetragen, dass die Mannschaft langsam zu einem Team wird. Einsatz und Kampfgeist stimmten in Innsbruck wieder.
Junge Spieler: Spieler wie Mittelfeldmotor Thomas Prager, Teamkapitän Andreas Ivanschitz, Sturm-Trickser Christoph Leitgeb zeigen, was in ihnen steckt. Viel Talent, viel Potenzial - zuletzt im Team nicht immer abrufbar, aber auf internationalem Niveau vorhanden.
Torjäger: Roland Linz und Sanel Kuljic sind bei ihren Klubs immer für Treffer gut. Im Team fehlte zuletzt oft die Unterstützung aus dem Mittelfeld. Wenn die beiden Stürmer allerdings im Strafraum an den Ball kommen, wird es gefährlich. Mit Marc Janko, der nicht immer einen rabenschwarzen Tag wie gegen Liechtenstein erwischen wird, und den U21-Goalgettern Erwin Hoffer, Marko Stankovic und Besian Idrizaj lauern weitere junge Spieler darauf, ihre Tore im Teamdress zu schießen.
Publikum: Das Innsbrucker Publikum, das schon besseren heimischen Nationalteams mit Skepsis begegnete, zeigte sogar "La Ola" - die Welle. Zuschauer, die ihr Team anfeuern, können auch ihren Teil beitragen - auch wenn es zuletzt bei bestem Willen nicht möglich war, in Euphorie zu verfallen.
In der Einbahnstraße
Spiel in zweiter Halbzeit: "Nur nicht verlieren", war das Motto. Dem angeschlagenen Team nicht zu verdenken, doch anstatt weiter so beherzt und engagiert aufzutreten wie in der ersten Hälfte, schaltete das ÖFB-Team zu stark zurück.
Auch wenn die Schweizer mit viel Druck agierten, ein Spiel mit Mut zu offensiven Aktionen im Gegensatz zum kompletten Abstellen jeglicher Offensivbemühungen und dem krampfhaften Halten des Ergebnisses über die zweiten 45 Minuten, und die Fans hätten dem ÖFB-Team wohl auch eine 2:3-Niederlage verziehen.
Eine starke zweite Hälfte, mit dem durchaus möglichen 3:0, hätte dem Team noch mehr Selbstvertrauen geben können. Laut ÖFB-Präsident Friedrich Stickler sind die Ergebnisse in der EM-Vorbereitung zweitrangig, vielleicht wird diese Vorgabe im nächsten Länderspiel am 15. November in Wien gegen WM-Starter Trinidad und Tobago beherzigt.
Verteidigung: Österreichs Verteidiger sind seit Jahren kaum in der Lage, sich offensiv ins Spiel einzubringen. Gefährliche Aktionen oder schnelle Angriffe, die von Verteidigern eingeleitet werden, sind im ÖFB-Team nicht zu sehen. Hinzu kommen oft Unkonzentriertheiten und Stellungsfehler, die Spitzenteams eiskalt ausnutzen. Die Schweiz zeigte in einigen Aktionen wieder einmal die Grenzen der ÖFB-Verteidiger auf, die teils allerdings noch unroutiniert sind.
Dünne Personaldecke: Im Grunde kein Problem der Nationalmannschaft. Die teamtauglichen Spieler, auf die Teamchef Hickersberger zurückgreifen kann, werden auf Grund der Gegebenheiten im modernen Fußballgeschäft zumindest nicht viel mehr. Bundesligaklubs setzten nur im "Notfall" (meist finanzieller Natur) auf junge Österreicher.
Verteidiger dürfen Hickersberger keine mehr ausfallen, auch im Mittelfeld sind die Alternativen zu Ivanschitz rar gesät. Spieler wie Markus Weissenberger kommen bei ihren Klubs kaum zum Einsatz, fehlende Matchpraxis macht sich dann im Team bemerkbar.
Gehässigkeiten: Einige Spieler zeigten bei Attacken erstaunlich viele Emotionen und eine Dynamik, die in manchen Partien schon schmerzlich vermisst wurden. Kleinere, wenig freundschaftliche Reibereien mit den Spielern des EM-Partners waren diesmal die Folge. Auch wenn die Schweizer durch unschöne Aktionen wie das "Haareziehen" bei Rene Aufhauser auffielen.
Eine Klasse für sich
Teamchef Josef Hickersberger: Hickersberger müsste im Duden als Synonym für das Wort "neutral" eingetragen werden. Am Gesichtsausdruck des ehemaligen Rapid-Meistermachers ist der Ausgang eines Spiels nicht abzulesen.
Hickersberger ist kein Showman wie Hans Krankl, offen gezeigte Freude - wie auch Ärger - allerdings auch keine Schande. Dadurch könnte der Teamchef durchaus für die nötige Stimmung innerhalb und außerhalb des Teams sorgen.
Martin Wagner, ORF.at
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