Keine leichte Entscheidung

Georg Totschnig war 2005 Österreichs Sportler des Jahres.
Georg Totschnig hat am Montag in Salzburg seine Radsportkarriere für beendet erklärt.

Der 35-jährige Tiroler will endlich mehr Zeit mit seiner Gattin Michaela und den drei Kindern verbringen - das war der Hauptgrund für den Rücktritt, der Österreichs Sportler des Jahres 2005 aber alles andere als leicht fiel.

©Bild: GEPA
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"Schon etwas mit schwerem Herzen" vollziehe er den Abschied vom aktiven Rennsport, erklärte Totschnig. "Es war eine schöne Zeit, aber ich glaube, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist."

Radsportgeschichte geschrieben
Der Österreichische Radsportverband (ÖRV) verliert damit einen seiner profiliertesten Athleten, der in seinen 13 Profi-Jahren das Renngeschehen an der Spitze mitbestimmt hat.

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Höhepunkt war der Etappensieg bei der Tour de France 2005, der erste ÖRV-Erfolg in der wichtigsten Rundfahrt der Welt nach 74 Jahren.

Letztes Rennen in der Lombardei
Nach rund einer halben Million Kilometer als Profi im Sattel und rund 1.100 Rennen hat Totschnig bei der Lombardei-Rundfahrt am vergangenen Samstag endgültig das Peloton verlassen.

Zwei, drei konkrete Vertragsangebote lagen dem Kapitän des Gerolsteiner-Rennstalls für eine weitere Saison vor, doch vor allem aus zwei Gründen entschied er sich, seine Laufbahn zu beenden.

"Ich wollte meine eigene Entscheidung treffen, auf einem hohen sportlichen Niveau aufhören und nicht in zwei, drei Jahren aus Frust, weil ich keinen Vertrag mehr bekomme. Jetzt behalte ich alles in schöner, guter Erinnerung", betonte der Zillertaler.

Endlich mehr Zeit für die Familie
Ebenso wichtig war es ihm, endlich mehr Zeit für die Familie zu haben - Gattin Michaela und die drei Kinder Emma (acht Jahre), Max (zwei Jahre) und Josef (sechs Monate) hatten zu lange auf den durch Europa tourenden Radprofi verzichten müssen.

Die Abwesenheit war ihm zunehmend schwerer gefallen. "Die Familie hatte einen Einfluss, aber sie haben mir die Entscheidung offen gelassen. Natürlich freuen sie sich jetzt, dass ich mehr Zeit habe", sagte Totschnig.

Tochter Emma habe sich dennoch so ihre Gedanken gemacht. "Papa, jetzt verdienst du ja nichts mehr", habe sie eingewendet, erzählte Totschnig lächelnd. Er konnte sie beruhigen. "Ich habe mir durch den Sport eine Existenz aufgebaut, jetzt kann ich alles entspannt angehen."

Lange Erfolgsliste
©Bild: GEPA
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Totschnig hat in seiner Karriere viel erreicht, die Höhepunkte für den starken Kletterer und Rundfahrt-Spezialisten waren der Etappensieg bei der Tour de France 2005 (in Ax-Trois Domaines in den Pyrenäen) sowie insgesamt fünf Top-Ten-Platzierungen bei Tour de France (bestes Gesamtergebnis Siebenter/2004), Giro d'Italia (Fünfter/2003) und Vuelta (Sechster/1996).

Zwei Mal (1993 und 2000) beendete er die Österreich-Rundfahrt als Gesamtsieger.

"Daneben sind mir auch Freundschaften wichtig, die nach der Karriere weiter bestehen", meinte Totschnig - auch mit dem Deutschen Jan Ullrich (gemeinsamer Sieg in der Teamwertung der Tour de France 1997), ungeachtet dessen möglicher Dopingverfehlungen.

Großes Lob vom Teamchef
Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer behält seinen Kapitän als "leistungsstarken, besonnenen Fahrer" in Erinnerung, der nie in Skandale verwickelt war.

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"Er ist symptomatisch für den Aufstieg unseres Teams, war der erste, der sich entschieden hat, von Telekom weg zu uns zu kommen, und hat sich mit einer sensationellen Leistung verabschiedet", erklärte Holczer, der Totschnig auch das bisherige Highlight seiner Tätigkeit verdankt.

"Ich bin auf dem Weg zu seinem Tour-Etappensieg im Auto hinter ihm gefahren, das war das emotional Bewegendste, das ich im Sport erlebt habe."

Weiter im Radsport tätig
Totschnig, der bereits in seinem zweiten Amateurrennen 1990 als Zweiter bei Wien - Eisenstadt - Wien aufgefallen ist, wird als Hobby weiter Rad fahren und engagiert sich in nächster Zeit auch in seinem Sport.

So wird er 2007 für den Österreich-Rundfahrt-Sponsor Hervis tätig sein, das Pal-fit-Programm seines Sponsors Palfinger betreuen und dem ÖRV bei Nachwuchsprojekten helfen.

"Es wäre ungeschickt, wenn man das Potenzial eines Georg Totschnig nicht nützen würde", sagte ÖRV-Generalsekretär Rudi Massak, der gemeinsam mit Finanzreferent Herbert Kocher dem scheidenden Aushängeschild ein gerahmtes Foto von der Rad-WM übergab, das Totschnig in der letzten Runde an der Spitze des ÖRV-Quartetts zeigt.

Comeback als Teamchef?
Eine Rückkehr zum Spitzensport in anderer Funktion kann sich Totschnig durchaus vorstellen.

"Es würde mich reizen, etwa als Teamchef zu arbeiten. Aber erst einmal brauche ich etwas Abstand und Zeit für die Familie. In zwei, drei Jahren wird man sehen, wo die Interessen hingehen", sagte Österreichs Sportler des Jahres 2005.

Keine sportlichen Wünsche offen
Totschnig blickt jedenfalls mit Freude zurück. "Es gibt viele schöne Erinnerungen, kaum große Enttäuschungen, und zum Glück bin ich von schweren Verletzungen verschont geblieben", sagte er und ist zufrieden mit dem, was er erreicht hat.

"Wenn ich das Gefühl hätte, dass noch etwas fehlt in meiner Karriere, dann wäre ich weitergefahren."

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