Österreichs "Fußball-Fremdarbeiter"

In der T-Mobile Bundesliga stehen derzeit 86 Legionäre unter Vertrag.
"Legionär" - ein Wort, das sich aus dem lateinischen "legio" ableitet und einen Angehörigen einer Heereseinheit bezeichnet. Römische Legion, Fremdenlegion, spanische Legion etc. sind Beispiele in diesem Zusammenhang.

Im Jahr 2006 hat dieser Begriff jedoch weit weniger martialischen Wert, sondern wird eher im Zusammenhang mit Sport gesehen und umschreibt eine Person, die ihrer professionellen sportlichen Tätigkeit außerhalb des Heimatlandes nachgeht.

In der Regel bekommen Sportler die Chance, als Legionär zu arbeiten, wenn sie mit ihrem Talent das sportliche Niveau im Zielland anheben.

Legendäre Legionärstrios
Eine Definition, die vor der Bosman-Entscheidung am 15. Dezember 1995 sicherlich Gültigkeit hatte. Wer erinnert sich nicht an das deutsche Trio Ende der 80er, Anfang der 90er, Lothar Matthäus, Andreas Brehme und Jürgen Klinsmann, im Dress des italienischen Traditionsvereins Inter Mailand.

Auch beim ewigen Stadtrivalen AC Milan werkte mit Ruud Gullit, Marco van Basten und Frank Rijkaard ein niederländisches Spielerpaket und feierte mit den "Rossoneri" großartige Erfolge.

Chelsea als Paradebeispiel
In der Gegenwart hat diese elitäre Auswahl keinen Platz mehr. Die finanziell potentesten europäischen Großklubs bestehen zum Großteil nicht mehr aus heimischen Spielern, sondern aus den besten Akteuren vieler Nationen.

Bestes Beispiel dafür ist der FC Chelsea, der in seinem aktuellen 24-Mann-Kader gerade einmal sechs englische Spieler aufweist.

Salzburg als Chelsea Österreichs
Ein Trend, der auch immer mehr im österreichischen Fußball greift. Bei Red Bull Salzburg, dem finanzstärksten Verein der T-Mobile Bundesliga, stehen gerade einmal sechs rot-weiß-rote Kicker, von denen nur ÖFB-Teamspieler Rene Aufhauser regelmäßig zum Einsatz kommt, im Kader.

Bei den "Bullen" wird mit fünf Spielern (Timo Ochs, Thomas Linke, Alexander Zickler, Christian Tiffert, Markus Steinhöfer) vor allem viel Wert auf deutsche Wertarbeit und Gründlichkeit gelegt.

Tschechien bildet das Gros
Insgesamt waren in Österreich bei den elf Vereinen im Herbst 86 Legionäre aus 26 Nationen aktiv, wobei Tschechien mit zehn Spielern das Gros bildet, gefolgt von Deutschland (9) und Polen (8).

Mit Vratislav Lokvenc, Patrik Jezek, Karel Pitak (alle Red Bull Salzburg), Radek Bejbl, Petr Vorisek, Marek Kincl (alle Rapid), Jiri Masek, Vaclav Kolousek (beide Tirol), Stepan Vachousek (Austria) und Miroslav Holenak (Mattersburg) geben viele Spieler aus dem österreichischen Nachbarstaat den Ton an.

Straka erklärt Tschechiens Qualität
Der tschechische Tirol-Coach Straka erklärte gegenüber ORF.at im Interview vor dem Spiel letzten Sonntag in Altach: "Das zeigt eindeutig auf, dass wir sehr gute Fußballer haben, die, das möchte ich betonen, sehr gerne in Österreich spielen. Sie sprechen die Sprache, was extrem wichtig ist, daher fühlen sie sich wohl. Insgesamt gesehen sind sie sicher eine Bereicherung für die Bundesliga."

"Bei uns ist Fußball gemeinsam mit Eishockey der beliebteste Sport. Es ist fantastisch, wie viele Spieler von uns im Ausland spielen. Das zeigt aber eindeutig die tolle Nachwuchsarbeit auf. Die jungen Spieler sind hungrig, wollen ihren Idolen nacheifern und etwas erreichen", so der gebürtige Tscheche über die Edelmarke "tschechischer Legionär".

Mehrere Spieler oder Duos
"Sich wohl fühlen": für ausländische Kicker in Österreichs Gefilden sicherlich ein ganz wichtiger Aspekt. Nicht zuletzt deswegen setzen die ÖFB-Klubs meist gleich auf mehrere Spieler oder Duos aus einem Land.

Bei Liebherr GAK spielen mit Samir Muratovic, Rade Djokic und Alen Skoro drei Bosnier. Ebenfalls im Dress der "Rotjacken" bilden die Südkoreaner Soon-Hak Hong und Byung-Joon Noh ein südkoreanisches Tandem.

Bei Cashpoint Altach agiert das Duo Pablo Chinchilla-Vega und Froylan Ledezma aus Costa Rica und die Brasilianer Alexandre Dorta und Leonardo da Silva. Puntigamer Sturm Graz wiederum setzt mit Olivier Nzuzi und Cedric Tsimba auf kongolesische Fußballkunst.

Ein Spieler aus Frankreich
Trotz dieser Tendenz gibt es in der heimischen Fußballlandschaft auch Einzelkämpfer aus teils großen Fußballnationen. Jocelyn Blanchard repräsentiert bei der Austria als einziger Spieler die "Grande Nation" Frankreich. Vincenzo Zinna bei Altach und Martin Saltuari bei Wacker halten die Ehren von Weltmeister-Land Italien hoch.

Aus Liberia, das mit George Weah, der unter anderem bei Milan und Chelsea spielte und im Jahr 2005 sogar als Präsident kandidierte, hat es Harrison Kennedy zum FC Superfund verschlagen.

Erfüllter Anspruch?
Alles in allem eine bunte Mischung, die sich im heimischen Fußball wieder findet. Stellt sich allerdings die Frage, ob alle diese Legionäre den ursprünglichen Anspruch, nämlich das Niveau des "Ziellandes" zu heben, erfüllen oder doch nur den nationalen Talenten den Weg verstellen.

Vom Statussymbol mutierte der ehemals elitäre Begriff "Legionär" zur Massenware mit einem teilweise fahlen Beigeschmack. Bosman sei Dank.

Christian Wagner, ORF.at

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