Die Dopingaffäre im ÖSV-Team

Chronologie der Ereignisse um die Dopingaffäre der österreichischen Biathleten und Langläufer.
Das sportliche Geschehen bei den 20. Olympischen Winterspielen im Februar in Turin ist durch die Dopingaffäre im ÖSV-Team in den Hintergrund gerückt. Vier Jahre nach der Blutbeutel-Affäre um die Transfusion von Eigenblut bei den Winterspielen in Salt Lake City löste der umstrittene ÖSV-Trainer Walter Mayer einen weiteren Skandal aus.

Nach einem Selbstmordversuch mit dem Auto am Abend wurde Mayer vom ÖSV fristlos gekündigt. Die beiden nach der Razzia am Vortag unabgemeldet abgereisten Biathleten Wolfgang Perner und Wolfgang Rottmann wurden aus dem ÖOC-Team ausgeschlossen.

Affäre noch nicht überstanden
Die Affäre war noch lange nicht überstanden und wird auch 2007 weitergehen. Im Mai sperrte die ÖSV-Disziplinarkommission den Langläufer Johannes Eder für ein Jahr, weil sich dieser vor dem olympischen Staffelbewerb wegen Durchfalls eine Kochsalzlösung injiziert hatte.

Mitte Dezember nutzten die italienischen Behörden die Anwesenheit österreichischer Langläufer beim Weltcup in Cogne zu weiteren Erhebungen. Der Tiroler Martin Tauber wurde von Carabinieri zur Einvernahme in die Polizeistation in St. Pierre zitiert.

Hier ein kurzer Überblick der Geschehnisse von Salt Lake City 2002 bis zum Jahresende 2006:

Salt Lake City 2002: Nach den Spielen waren in einem von den österreichischen Langläufern genutzten Privathaus leere Blutbeutel und Injektionsnadeln gefunden worden. Walter Mayer, Nordischer Direktor des ÖSV für Biathlon und Langlauf, rechtfertigte sich, dass damit diverse Therapien (wie UV-Behandlung des Blutes) durchgeführt wurden.

Die Athleten Marc Mayer und Achim Walcher, bei denen Mayer seine Therapie angewandt hatte, wurden disqualifiziert, Mayer senior vom IOC zunächst lebenslang und dann bis einschließlich 2010 von den Olympischen Spielen ausgeschlossen.

Jänner 2006: Die WADA hat bei einer Kontrolle im von Mayer geführten Trainingsquartier der Langläufer in Ramsau ähnliche Geräte gesehen, die zur "Blutbeutelaffäre" bei den Winterspielen 2002 geführt hatten.

Samstag, 18. Februar, 19.30 Uhr: Mehrere Polizeiautos fahren mit Blaulicht und samt Durchsuchungsbefehl der italienischen Staatsanwaltschaft vor den olympische Quartieren der Langläufer und Biathleten vor. Insgesamt 30 Beamte einer Anti-Drogen-Einheit durchsuchen die Zimmer, die Sportler und deren Gepäck.

Samstag, 22.30 Uhr: Zehn ÖSV-Athleten - die vier Langläufer Martin Tauber, Jürgen Pinter, Roland Diethart und Johannes Eder sowie die sechs Biathleten Wolfgang Perner, Wolfgang Rottmann, Christoph Sumann, Ludwig Gredler, Daniel Mesotitsch und Friedrich Pinter - werden zu Dopingtests nach Sestriere gefahren.

Sonntag, 19. Februar, 2.00 Uhr: Die letzten kontrollierten Athleten kehren in ihre Unterkünfte zurück. Das ÖOC hat bereits Protest gegen die Vorgehensweise der Beamten angekündigt. Mittlerweile ist bekannt, dass die Suche nach ÖSV-Trainer Walter Mayer Auslöser für die Razzia war.

Sonntag, 3.00 Uhr: Die österreichischen Biathleten Wolfgang Perner und Wolfgang Rottmann reisen als Reaktion auf die Hausdurchsuchung aus dem Olympia-Quartier ab. Grund war laut Perner die Angst vor den strengen italienischen Dopinggesetzen.

Sonntag, 11.30 Uhr: Die ÖSV-Langlauf-Staffel wird von den Vorfällen der vergangenen Nacht völlig entnervt wegen "Überrundung" von der Jury nach drei von vier Läufern aus dem Bewerb genommen. Das IOC rechtfertigt die Razzia mit mehreren "erheblichen Verdachtsmomenten".

Sonntag, 12.30 Uhr: Die italienische Justiz lässt durchsickern, dass gegen Mayer offizielle Ermittlungen eingeleitet worden sind.

Sonntag, 13.30 Uhr: ÖOC-Generalsekretär Heinz Jungwirth bestätigt in einer Pressekonferenz, dass die Polizeiaktion Mayer zum Ziel hatte. In den Quartieren seien "gewisse Medikamente" sichergestellt worden.

Sonntag, 18.20 Uhr: Mayer wird von der Polizei in Paternion in Kärnten in seinem Auto schlafend aufgefunden. Er widersetzt sich stark alkoholisiert der Polizeikontrolle, flüchtet und kracht mit Selbstmordabsichten in eine errichtete Straßensperre. Der 48-Jährige wird von der Polizei in Gewahrsam genommen.

Sonntag, 21.00 Uhr: Das ÖOC bestätigt die vorzeitige Abreise von Perner und Rottmann und schließt beide Athleten wenig später nach Rücksprache mit deren Betreuern aus dem Olympia-Team aus.

Sonntag, 21.30 Uhr: Nach Bekanntwerden der Umstände des Unfalles von Mayer gibt ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel die fristlose Entlassung des ehemaligen Sportlichen Leiters der Langläufer und Biathleten bekannt.

Nacht von Sonntag auf Montag: Mayer wird trotz laufender Dopingermittlungen italienischer Behörden auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Klagenfurt aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Der Salzburger wird allerdings wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung und mehrerer Verkehrsdelikte auf freiem Fuß angezeigt. Mayer steht nun auch in Österreich ein Strafverfahren bevor. Der Ex-Trainer befindet sich ab sofort für mehrere Wochen im LKH Klagenfurt in psychiatrischer Behandlung.

Montag, 20. Februar, 12.00 Uhr: Der ORF, der sich auf den zuständigen Staatsanwalt Raffaele Guariniello bezieht, berichtet von Funden von belastendem Material im Zuge der Razzia am Samstagabend. Es soll sich unter anderem um 100 Spritzen, 30 Packungen Medikamente und Apparaturen zur Bluttransfusion handeln.

Montag, 19.00 Uhr: In einem Nebenquartier des ÖSV in Pragelato, in dem die Langlaufbetreuer untergebracht sind, wird neuerlich eine Dopingrazzia durchgeführt. Der zuständige nordische ÖSV-Direktor Markus Gandler versichert, dass "nichts gefunden worden ist".

Dienstag, 21. Februar, 10.00 Uhr: Aus ÖSV-Kreisen wird bekannt, dass sich die ÖSV-Langlauf-Trainer Emil Hoch und Roland Diethart nicht mehr in Italien befinden. Beide sind bereits am Sonntag nach der Razzia abgereist. Während Dietharts Abreise geplant gewesen sein soll, wird dem suspendierten Liechtensteiner Hoch eine Nähe zu Mayer nachgesagt.

Dienstag, 17.00 Uhr: In einer Pressekonferenz gibt Schröcksnadel die Suspendierungen von Langlauf-Trainer Hoch sowie der Biathleten Perner und Rottmann bekannt. Schröcksnadel gesteht eine "Fehleinschätzung" im Fall Mayer.

Mittwoch, 22. Februar, 19.00 Uhr: Das ÖOC reagiert durch die Einsetzung einer Untersuchungskommission auf die Razzien. Das Gremium, das von Eishockey-Verbandspräsident Dieter Kalt geleitet wird, hat den Auftrag einer lückenlosen Aufklärung der Vorfälle. Das IOC hatte bereits am Vorabend eine eigene Untersuchung nach Ende der Winterspiele angekündigt. ÖOC-Generalsekretär Jungwirth bestätigt der APA: "Es wurde absolut nicht erlaubtes Equipment gefunden, darunter Material zur Bluttransfusion."

Donnerstag, 23. Februar, 12.00 Uhr: Der Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), Richard Pound, äußert in einem ZDF-Interview erhebliche Vorwürfe: "Es sieht nach einem Fall organisierten Blutdopings aus." Währenddessen spricht Schröcksnadel bei der Staatsanwaltschaft in Turin vor.

Freitag, 24. Februar: ÖSV-Geschäftsführer Klaus Leistner und Gandler werden in einer Polizeikaserne in Sestriere von Polizei und angereisten Staatsanwälten mehrere Stunden verhört. Die italienische Justiz kündigt einen Prozess gegen in den Skandal involvierte Personen an, Mayers Anwalt eine Verleumdungsklage gegen IOC-Präsident Rogge, sollte dieser seine Aussagen ("Für mich ist Walter Mayer jener Mann, der Doping organisiert") nicht zurücknehmen.

Freitag, 18.40 Uhr: Das IOC gibt in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz bekannt, dass alle zehn am Samstagabend von Österreichern abgegebenen Dopingproben negativ ausgefallen sind - auch jene der verdächtigten Rottmann und Perner. IOC-Sprecherin Giselle Davies spricht dennoch nur von einem "Teilergebnis einer größeren Affäre". Es wird weiter ermittelt, auch Blutproben sollen entnommen werden.

Freitag, 19.30 Uhr: Gandler holt in einer Pressekonferenz zu einem Rundumschlag gegen ÖOC-Generalsekretär Jungwirth, IOC-Präsident Rogge und den WADA-Vorsitzenden Pound aus und fordert eine Neuaustragung beider Staffelbewerbe (Langlauf und Biathlon). Jungwirth habe den Aufenthalt Mayers bei den Olympischen Spielen laut Gandler genehmigt.

Sonntag, 26. Februar: Eine Disziplinarkommission des IOC untersucht den Verdacht auf verbotene Dopingmethoden gegen die ÖSV-Biathleten, -Langläufer und -Trainer. Chefermittler in dieser Causa ist der deutsche IOC-Vizepräsident Thomas Bach, der bereits die Untersuchungen in der "Blutbeutel-Affäre" von vor vier Jahren geleitet hatte.

Mittwoch, 5. April: Beim ersten "Wiedersehen" mit dem IOC seit den turbulenten Ereignissen von Turin gewinnt das ÖOC beim Treffen in Seoul einen positiven Eindruck. "Man erwartet natürlich weiterhin eine lückenlose Aufarbeitung unsererseits. Insgesamt war der Eindruck aber positiv", berichtet ÖOC-Generalsekretär Heinz Jungwirth.

Donnerstag, 6. April: Der Kärntner Richter Arnold Riebenbauer, der sich als Leiter der ÖSV-Disziplinarkommission mit den Vorfällen bei den Winterspielen beschäftigt, erklärt, er zweifle nach den ihm vorliegenden Protokollen der bei den Razzien beschlagnahmten Gegenstände am Fund großer Mengen Blut bei den Österreichern. "Ich kann mir nicht vorstellen, vom medizinisch-technischen Ablauf her, dass mehrere Liter Blut gefunden wurden. Das möchte ich fast ausschließen", sagte Riebenbauer.

Mittwoch, 19. April: Der ÖSV gibt das Ergebnis seiner Vorerhebungen bekannt. Demnach entbehren die Beschuldigungen gegen Ex-Trainer Mayer wegen "organisierten Dopings" jeder Grundlage. Gegen drei Athleten kann allerdings der Verdacht der Anwendung unerlaubter Methoden bzw. der Zuführung verbotener Substanzen vorerst nicht ausgeschlossen werden.

Montag, 1. Mai: Auch das ÖOC-Präsident Dieter Kalt präsentiert in der Vorstandssitzung die bisherigen Erkenntnisse seiner Untersuchungen. Grundlegend neue Informationen gibt es jedoch nicht. "Da soll sich keiner Sensationen erwarten. Das ist ein Zwischenbericht, kein Endbericht", so Kalt.

Freitag, 12. Mai: Der ÖSV-Diszplinarausschuss verhängt über Langläufer Johannes Eder eine Sperre für ein Jahr. Der Salzburger Eder hatte sich bei den Olympischen Spielen am Vorabend des Staffelbewerbs wegen Durchfalls im Quartier in Pragelato eine Kochsalzlösung injiziert. Die Utensilien waren von den italienischen Carabinieri bei deren Razzia am gleichen Abend gefunden worden. Weil Infusionen jeder Art verboten sind, wird Eder vom ÖSV bestraft.

Dienstag, 5. Dezember: Das IOC ersucht die italienischen Behörden um rasche Klärung der Dopingaffäre. "Die Disziplinarkommission wartet gespannt auf den Schlussbericht, um den Fall komplett zu analysieren, Schlüsse zu ziehen und Maßnahmen zu treffen", heißt es in einer IOC-Aussendung.

Die Fakten des vorliegenden vorläufigen Berichts aus Italien seien für Maßnahmen nicht ausreichend. "Die italienischen Behörden werden gebeten, die Untersuchungen zu beschleunigen, damit die Sache noch vor den Saisonhöhepunkten abgeschlossen werden kann", lässt das IOC verlauten. Mit Saisonhöhepunkten sind die Weltmeisterschaften in Sapporo (Nordisch, 22. Februar bis 4. März 2007) bzw. Antholz (Biathlon, 2. bis 11. Februar 2007) gemeint.

Mittwoch, 13. Dezember: Die italienischen Behörden nützen die Anwesenheit von Martin Tauber, um die Erhebungen fortzuführen. Der Tiroler wird nach dem Zieleinlauf des 15-km-Rennens, das er als guter Zehnter beendet hatte, von Carabinieri angesprochen und nach Durchsuchung seines Hotelzimmers in Pollein zur Einvernahme in die Polizeistation in St. Pierre im Aostatal gebracht.

Auch Taubers Zimmerkollege Michael Botwinow wird auf die Polizeistation gebracht. "Für die Erstellung des Protokolls und das Unterschreiben musste er ebenfalls mit auf die Carabinieri-Station", sagt ÖSV-Cheftrainer Franz Gattermann.

Dienstag, 19. Dezember: Die Vernehmung Taubers beschäftigt auch die italienische Politik. Der Unterstaatssekretär im italienischen Sportministerium, Elidio de Paoli, hat bei Justizminister Clemente Mastella deswegen durch die Turiner Staatsanwaltschaft protestiert.

"Die neue Initiative der Turiner Staatsanwaltschaft hat für erhebliche Bedenken in der Welt des Sports gesorgt", schreibt De Paoli. "Die normalen Prozeduren geben drei Tage Zeit, um vor den Behörden auszusagen", betont der Unterstaatssekretär. Der Fall sei nicht so dringend gewesen, um das Verhalten der Justizbehörden zu erklären.

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