Wem scheint in Miami die Sonne?

Peyton Manning wird nur bei Tango nervös - und in Play-off-Spielen.
Wenn am Sonntagabend um 18.30 Uhr Ortszeit in Miami der Ankick zur Super Bowl XLI erfolgt, sitzen nicht nur rund 75.000 Football-Fans gebannt im Dolphins Stadium, sondern auch fast eine Milliarde Zuschauer vor dem TV. Alle verfolgen gespannt das Endspiel 2007 um die Krone der National Football League (NFL) , die Vince Lombardi Trophy (ab 23.55 Uhr, live in ORF1).

Das Duell der Chicago Bears mit den Indianapolis Colts hält viele gute Geschichten parat und zeichnet sich durch die Unvorhersehbarkeit des Ausganges aus. Das Besondere an der NFL sei überhaupt ihre Ausgeglichenheit, meinen die unzähligen NFL-Experten in den USA und haben damit ausnahmsweise Recht.

Kracher oder Rohrkrepierer?
Ein Offensivspektakel scheint ebenso möglich wie ein Leckerbissen für Defensiv-Gourmets, deren es aber - zumindest unter Football-Neulingen - weniger gibt. In einem ähnlich gelagerten Spiel rangen die Colts im Viertelfinale die Baltimore Ravens im ersten Play-off-Spiel ohne Touchdown seit 29 Jahren nur dank der Treffsicherheit ihres Kickers Adam Vinatieri 15:6 nieder.

Schmaler Grat
Sowohl Colts als auch Bears hatten nach tollen Saisonstarts schwächere Spiele, beide Teams mussten im Play-off auch zittern. Indianapolis lieferte etwa im Halbfinale gegen New England nach 18 Punkte Rückstand noch eine jetzt schon legendäre Aufholjagd ab und gewann schließlich noch 38:34.

Beide Quarterbacks, insbesondere Rex Grossman von Chicago, können großartig spielen, aber auch haarsträubende Fehler begehen. Indianapolis-Quarterback Peyton Manning, ein sicherer Hall-of-Fame-Kandidat der NFL, versagten bisher oft ausgerechnet in wichtigen Spielen die Nerven.

Der Grat zwischen Genie und Wahnsinn ist vor allem bei Grossman, der seine erste volle NFL-Saison bestreitet, ein schmaler. Viel Kritik mussten er und sein Trainer Lovie Smith schon einstecken, viele forderten die Ersetzung Grossmans durch den zweiten Bears-Quarterback Brian Griese.

Kritik verkauft sich gut
In den Play-offs zeigte sich der 26-jährige Grossman allerdings von seiner besten Seite und blieb beim 39:14-Halbfinaltriumph über den sentimentalen Super-Bowl-Favoriten New Orleans souverän. Trotzdem hat Grossman in seiner Karriere fast ebenso viele Interceptions (26) wie Touchdowns (27) aufzuweisen. "Ja, ich hatte gute Spiele, aber auch schlechte. Aber ich stehe in meiner ersten (vollen, Anm.) Saison in der Super Bowl. Die Kritik an mir dient doch oft nur dazu, dass Leute ihre Zeitungen verkaufen können", zeigt sich Grossman in Miami selbstbewusst.

Vor dem Spiel gegen die diszplinierte Colts-Defense gibt er sich gelassen: "Im Spiel ist es wichtig, nicht panisch zu werden, wenn's nicht so läuft. Einfach weitermachen, seine Taktik durchziehen und vor allem weiter positiv denken." Auch Manning stützt Grossman den Rücken: "Er hat einen tollen Job gemacht. Wir haben einen der schwierigsten Jobs, die es gibt, und bei einem Team wie Chicago steht man immer in der Kritik."

Manning bittet zum Tanz
Bei den Colts gibt es keinerlei Diskussionen über den Spielmacher. Mit Manning führt wohl einer der besten NFL-Quarterbacks der Geschichte Regie, seine Fähigkeit, das Spiel zu lesen, zeichnet ihn besonders aus. Beim Versuch, seinen Ruf als genialer Spielmacher auch mit Titeln zu untermauern, scheiterte der 30-jährige Sohn von College-Football-Legende Archie Manning bisher jedoch.

Angesprochen auf seine Schwäche in entscheidenden Spielen und ob er deshalb nervös sei, erzählte Manning mit viel Selbstironie den grinsenden Zuhörern einer Super-Bowl-Pressekonferenz: "Nervös nicht unbedingt. Wirklich nervös war ich zuletzt in der High School bei einer Aufführung. Da musste ich vor meiner Familie im Publikum einen Tango tanzen, so richtig. Das Video davon braucht ihr gar nicht suchen. Das ist gut in unserem Tresor versperrt."

Teamspieler Manning
In seinem neunten NFL-Jahr will er in seiner ersten Super Bowl aber alles richtig machen. Manning hält unzählige Ligarekorde, sein Passer Rating ist das beste unter allen aktiven Quarterbacks, 2004 stellte er mit 49 Touchdowns einen neue Bestmarke auf. Heuer im Play-off hält er allerdings bei nur zwei TDs und sechs Würfen zum Gegner. "Ich bin immer der Gleiche. Aber das gesamte Team muss mitspielen. Wenn die Leute um mich herum gut sind, dann bin ich es auch."

Freunde fürs Leben
In den USA sorgte jedoch nicht "Dancing Star" Manning für Aufregung, sondern der Umstand, dass erstmals afroamerikanische Cheftrainer in der Super Bowl stehen. Zwar sind rund 70 Prozent aller Spieler Afroamerikaner, aber nur eine Hand voll Trainer. Farbige Quarterbacks gab es schon im NFL-Finale, Headcoachs allerdings noch nicht.

Noch dazu sind Lovie Smith (Chicago) und Tony Dungy (Indianapolis) seit ihrer gemeinsamen Zeit bei Tampa Bay enge Freunde. Dungy verschaffte Smith dessen ersten NFL-Job, Smith stand Dungy zur Seite, als sich dessen ältester Sohn zu Weihnachten 2005 das Leben nahm.

Für das Finale sind beide positiv gestimmt. "Es ist, als ob man mit seinem Bruder auf dem Basketballplatz steht und ihn schlagen will", zieht Smith einen typisch amerikanischen Vergleich und betont, dass er und Dungy Freunde "fürs Leben" seien. "Ich finde es sehr aufregend, gegen ihn zu spielen", meint auch Dungy.

Die Unterschiedmacher
Da Dungy und Smith die Taktik des jeweils anderen gut kennen und beide die selbst entwickelte "Tampa 2"-Defensivvariante (schnelle Verteidiger sollen sowohl Pass- wie auch Laufspiel verteidigen) spielen lassen, könnte der Kampf um die Super Bowl XLI recht ausgeglichen werden.

Die "Difference Maker" auf beiden Seiten werden natürlich vom Gegner genau beobachtet. Nebend den Quarterbacks glänzt auf Seiten der Bears die bärenstarke Verteidigung mit Brian Urlacher als "Anker". Die Running Backs Thomas Jones und Cedric Benson sorgen immer für Gefahr, ebenso wie Wide Receiver Bernard Berrian als Passempfänger.

Besonders aufzupassen gilt es für die Colts allerdings auf Returner Devin Hester, der es heuer als Neuling schon auf sechs TDs brachte und mit 108 Yards den längsten Touchdown der NFL-Geschichte erlaufen hat. "Er kann Spiele umdrehen", weiß auch Colts-Coach Dungy.

Die "Fohlen" haben gelernt
Die "Fohlen" aus Indianapolis haben neben Manning und seinem kongenialen Receiver-Partner Marvin Harrison noch weitere starke Spieler im Talon. Wide Receiver Reggie Wayne und Tight End Dallas Clark sorgen ebenso immer für Gefahr wie Rookie-Running-Back Joseph Addai, der den Abgang von Edgerrin James zu Arizona vergessen ließ. Mit dem Ex-Patriots-Kicker und dreifachen Super-Bowl-Gewinner Vinatieri hat Indianapolis wohl den besten Mann für diese Position eingekauft.

Wirklich schlecht waren die Colts im Grunddurchgang nur in der Laufverteidigung. Über 170 Yards marschierten die Gegner im Schnitt ungehindert über das Feld. Mit einigen Umstellungen und der Rückkehr von Bob Sanders hat die Indy-Defense aber im Play-off wieder eine gute Figur gemacht und so starke Running Backs wie Kansas' Larry Johnson vollkommen im Griff.

Brot und Spiele
Eine gute Figur werden auch wieder die zahlreichen Stars im traditionell üppigen Showprogramm der Super Bowl abgeben.

Alt-Popper Billy Joel wird die US-Hymne anstimmen und Prince Rogers Nelson, der sich jetzt wieder nur noch Prince nennt, wird in der Halbzeit vielleicht für "Purple Rain" sorgen, denn Regen ist im Sunshine State Florida für die Super Bowl angekündigt. Die Sonne wird wohl nur dem Sieger scheinen.

Martin Wagner, ORF.at

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