Die Internet-Fansite Tourgott.de trägt bis heute einen Trauerflor. Der einstige Darling der Fernseh-Talk-Shows und Werbepartner hat sich seinen tiefen Fall allerdings zum großen Teil selbst zuzuschreiben, auch wenn er sich eher als "Opfer" sieht. "Ich komme mir vor wie ein Schwerverbrecher", sagte Ullrich, als er am Montag seinen Rücktritt verkündete.
Sternstunde im Juli 1997
Seinen atemberaubenden Aufstieg zum neuen deutschen Sporthelden erlebte er im Juli 1997, als der gebürtige Rostocker das Nonplusultra im Radsport, die Tour de France, gewann. Das war seit 1903 keinem Deutschen gelungen.
Große Worte waren nie seine besondere Leidenschaft. Topleistung und eine sympathische Unbekümmertheit machten die besondere Anziehung des zweifachen Sportler des Jahres (1997 und 2003) in Deutschland aus.
Von Erfolg zu Erfolg
Nach seinem Coup von 1997 reihte das Idol Ullrich Erfolg an Erfolg, auch wenn er in Paris nie mehr zu höchsten Tour-Weihen kam. 1999 gewann der ehemalige Absolvent der Kinder- und Jugendsportschule der DDR die Vuelta und wurde in Italien zum ersten Mal Zeitfahr- Weltmeister.
Ein Jahr später wurde er in Sydney Olympiasieger auf der Straße und düpierte seinen Dauerrivalen bei der Tour, Lance Armstrong, als Silbermedaillengewinner auch im Zeitfahren. 2001 wurde er erneut Zeitfahr-Weltmeister.
Erste Sperre im Jahr 2002
Dann geriet Ullrichs Karriere ins Stocken. Nach seiner sechsmonatigen Dopingsperre 2002 wegen der angeblichen Einnahme der Partydroge Ecstasy schaffte er aber noch einmal ein Comeback: 2003 kam er Armstrong auf Rang zwei in Paris mit nur 61 Sekunden Abstand so nah wie nie. 2004 und 2006 gewann er die Tour de Suisse.
Affäre Fuentes hat Nachspiel
Die Affäre Fuentes, die Ullrich letztlich zum Verhängnis wurde, ist für den Deutschen noch längst nicht beendet. Der Sportverband seines Wohnortes in der Schweiz bereitet weiter ein Verfahren vor. Die Staatsanwaltschaft Bonn ermittelt gegen ihn wegen Betrugs zum Nachteil seines früheren Arbeitgebers T-Mobile.
Klageführer ist nicht der angeblich Geschädigte, dem Ullrich als Aushängeschild bis 30. Juni höchste Bezüge wert war - von mindestens 2,5 Millionen Euro pro Saison war die Rede. Eine Rechtsprofessorin reichte die Klage ein. Sein Arbeitgeber einigte sich mit Ullrich über noch ausstehende Bezüge nach der am 21. Juli 2006 ergangenen fristlosen Kündigung außergerichtlich.
"Babysitter-System" bei T-Mobile
Deutsche Telekom und später T-Mobile waren Ullrichs Wohl und Wehe. Die Bonner, bei denen Ullrich 1995 seinen ersten Profi-Vertrag unterschrieb, erfanden das "Babysitter-System" und umsorgten ihren Star mit Diätkoch und allerlei Aufpassern.
Seit DDR-Zeiten wurde der hoch talentierte Fahrer, der ohne Vater aufwuchs, "behütet". Erst hielt er sich an Peter Becker, dann an seinen Manager Wolfgang Strohband (bis heute), dazu an Rudy Pevenage, gegen den die Bonner Staatsanwälte auch ermitteln.
Ein Team im Team
Ein wenig befreit wirkte Ullrich 2003, als er seinem angestammten Team kurz den Rücken gekehrt hatte und für Bianchi fuhr. Doch dann holte ihn Telekom zurück.
Ullrich etablierte ein Team im Team mit eigener Physiotherapeutin, eigenem Mechaniker (sein Bruder) und Exklusivbetreuer (Pevenage). Der Weg führte in die Sackgasse.
Links: