Anelka und der erlauchte Kreis

Anelka: "Ich habe zwei WM-Endrunden verpasst und es hat mich nicht umgebracht."
Ob im Tennis ein John McEnroe oder im Basketball ein Dennis Rodman, "Enfants terribles" sind in keiner Sportart eine Seltenheit - schon gar nicht im Fußball.

Vom bereits verstorbenen "Godfather" der Exzentriker, George Best, über den verschnupften Diego Maradona und "Karate-Kid" Eric Cantona bis hin zum völlig überdrehten Paul "Gazza" Gascoigne, die Ahnenreihe reicht weit zurück, und Frankreichs Nicolas Anelka kann sich ohne Scham in diesem erlauchten Kreis bewegen.

Skandale und Eigenwilligkeiten
Der 28-jährige Stürmer hat eine bewegte Karriere hinter sich, die von Skandalen und Eigenwilligkeiten nur so geprägt war. Mittlerweile ist Anelka aber wieder auf dem Weg nach oben und auf dem besten Weg, abermals ein fixer Bestandteil der "Equipe Tricolore" zu werden.

Beim wichtigen 1:0-Sieg gegen Litauen in der EM-Quali schoss er nach einer Einzelaktion das entscheidende Tor und ließ damit die verletzungsbedingte Abwesenheit des großen Superstars Thierry Henry vergessen.

"Echte Chance auf einen Stammplatz"
"Das ist der Nicolas, den ich liebe. Wenn er immer so spielt, dann hat er eine echte Chance auf einen Stammplatz", lobte Teamchef Raymond Domenech, dessen Einvernehmen mit Anelka auch nicht immer zum Besten stand, nach der Partie.

Auch die Teamkollegen zeigten anerkennenden Respekt. "Nicolas war sehr, sehr gut. Er musste sich über 70 Minuten alleine gegen zwei bis drei Gegenspieler behaupten, was ihm perfekt gelang", meinte Bayern-Legionär Willy Sagnol.

Dauerärger mit den Teamchefs
Dabei schien die Teamkarriere des Sohnes eines Einwandererehepaares aus Martinique bereits ad acta gelegt. Im Jahr 2002 war dem Europameister von 2000 die nachträgliche Einberufung für das freundschaftliche Länderspiel gegen Jugoslawien nach der Verletzung von Sidney Govou ein Dorn im Auge.

Die Rolle des Notnagels wollte er nicht einnehmen und blieb dem Team mit der Begründung, dass ihm Teamchef Jacques Santini nicht wirklich eine Chance geben wolle, fern.

Rückkehr schien aussichtslos
Anelka wurde vom französischen Verband symbolisch für zwei Spiele gesperrt, woraufhin der Stürmer nur lapidar erklärte: "Das Team gehört für mich der Vergangenheit an. Ich habe zwei WM-Endrunden verpasst und es hat mich auch nicht umgebracht."

Was folgte, war eine dreijährige Pause im Trikot von "Les Bleus". Auch mit dem Teamchefwechsel von Santini zu Domenech schien eine Rückkehr von Anelka aussichtslos. "Auch wenn er ein Dutzend Verletzte hat, nominiert er mich nie", sagte der Stürmer und erklärte, unter Domenech nie mehr den Teamdress zu tragen.

Chance genutzt
Angesichts eines Stürmerüberangebots mit Henry, Djibril Cisse, David Trezeguet und Louis Saha an der Spitze schien Anelkas Trotzerklärung kein Problem. Durch die verletzungsbedingten Ausfälle vor dem EM-Quali-Spiel gegen Schottland, das mit 0:1 verloren ging, griff Domenech aber wieder zurück auf den ausgebooteten Torjäger, der einen Sinneswandel hinter sich hatte und die sich neu bietende Chance zu nutzen wusste.

Bühnenreife Husarenstücke
Anelka ist aber nicht nur auf Team-, sondern auch auf Klubebene, wo er sich einige bühnenreife Husarenstücke leistete, gereift und hat vergangene Revoluzzertage abgeschüttelt. Seine Karriere startete Anelka beim FC Trappes, im Alter von 14 Jahren wechselte er zum Renommierklub Paris St. Germain.

Von dort ging es im Herbst 1996 zu Arsenal London, wo er unter den Fittichen von Arsene Wenger in drei Jahren zum Topstar reifte. "Meine Vorbilder waren Maradona, Romario, Weah und Van Basten. Seit meiner Jugend hatte ich das Ziel, Profi-Fußballer zu werden und mich auf hohem Niveau zu messen", verrät Anelka auf seiner Homepage.

Europas Topklubs wurden alsbald aufmerksam auf den Stürmer mit Torgarantie und strebten eine Verpflichtung an. Real Madrid machte dabei das Rennen, nicht ahnend, dass das der Auftakt einer unendlichen Negativgeschichte werden sollte - mehr dazu in "Im Kofferraum vor Real geflüchtet".

Zoff in Paris
Die Laufbahn des Soul- und DVD-Fanatikers bei Real war allerdings nach einer Saison auch schon vorbei. Anelka wechselte zurück zu Paris St. Germain, um auch dort für Skandale zu sorgen. Nach einem Handgemenge mit einem französischen Journalisten und einer lautstarken Auseinandersetzung mit Coach Luis Fernandez verließ er den Verein wieder.

Neue Heimat Bolton
Anelka begab sich auf Wanderschaft, seine Karriere schien im Sand zu verlaufen. Liverpool, Manchester City und Fenerbahce Istanbul waren die Stationen, ehe er letzten Sommer für noch immer stattliche zwölf Millionen Euro zu den Bolton Wanderers ging.

Mit neun Treffern in 30 Spielen ist der Neuzugang mitverantwortlich dafür, dass das Team derzeit auf dem fünften Tabellenrang liegt. Überdies erfüllte er voll die Erwartungen von Teammanager Sam Allardyce zu Beginn der Saison: "Er ist geboren, um Tore zu schießen."

Anelka kann's nicht lassen
Weshalb man ihm wohl auch in weiterer Zukunft weitere Fehltritte verzeihen wird müssen, denn Anelka legte bereits nach: "Ich war mir meiner Qualitäten immer bewusst. Zwar möchte ich nicht wieder alte Wäsche waschen, aber ich bin überzeugt, dass ich wegen meines Charakters und nicht wegen meiner Spielweise aus dem Team flog."

Fortsetzung folgt - bestimmt.

Christian Wagner, ORF.at

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