Unverdorbene Unabhängigkeit

Der Kontrapunkt zum Red-Bull-Konzept.
Wenn sich Taxifahrer wundern, warum immer so viele Leute nach dem Weg zum Union-Platz fragen; wenn Busse mit staunenden Touristen stehen bleiben; und wenn ein Samstagnachmittag zum Mittelpunkt der Woche wird, dann spielt wieder Austria Salzburg.

Während sich der nationale Budgetkrösus und Retortenklub Red Bull Salzburg als Champion der T-Mobile Bundesliga feiern lässt, rückt abseits von Millionen und VIP-Logen ein anderer Meister in den Vordergrund: Der von den violetten Fans neu gegründete Verein Austria Salzburg startete in der ersten Saison der Unabhängigkeit mit dem Titel in der 2. Klasse Nord A seinen Weg abseits des Mainstreams.

Fußball abseits der Disco-Lichter
Der Sportverein Austria Salzburg begann freiwillig in der untersten Spielklasse als eigenständiger Klub, weil nach der Saison 2005/06 eine Spielgemeinschaft mit dem PSV Schwarz-Weiß Salzburg nicht mehr verlängert worden war. Nun gibt es für jene Anhänger, die mit Disco-Lichtern in Fußballstadien, Bullenschnauben über Lautsprecher und der Promi-Gesellschaft in der Skybox nichts zu tun haben wollen, wieder Grund zum Feiern.

Die Gegner heißen statt Rapid und Sturm mittlerweile Perwang und Unken, aber das tut der Begeisterung keinen Abbruch. Die bodenständige Alternative zur internationalen Auswahl in der "Bullen"-Arena lockt Woche für Woche mehr Zuschauer an. Für vier Euro bekommen Fans aus ganz Österreich ihre "Austria" aus nächster Nähe zum Angreifen präsentiert.

Das Ende als Neuanfang
Es war der 6. April 2005, als sich Milliardär Dietrich Mateschitz in Salzburg mit der Übernahme des Traditionsvereins in den Mittelpunkt rückte. Für den Ex-Meister und UEFA-Cup-Finalisten, der seit geraumer Zeit mit notorischen Finanznöten zu kämpfen hatte, schien der Einstieg des Energy-Drink-Herstellers das neue Lebenselixier für eine erfolgreiche Zukunft zu sein.

©Bild: GEPA
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Doch schon bald wurde klar, dass Red Bull einen Klub ganz nach der eigenen Firmenstrategie wollte. Für Werte wie Tradition und Fankultur war in der neuen Welt des "modernen Fußballs" kein Platz mehr. Als sich abzeichnete, dass sich nicht nur der Vereinsname, sondern auch das Wappen und die Farben ändern würden, kam es zum endgültigen Bruch mit den Anhängern.

Vom Verweigerer zum Strategie-Liebhaber
Für Mateschitz, der vom Fußballverweigerer plötzlich zum Großinvestor mutierte ("mitverantwortlich dafür war, dass sich der internationale Fußball immer mehr zu einem höchst intelligenten Strategiespiel entwickelt hat"), waren die Proteste der eigenen Fans eine fremde Welt.

©Bild: GEPA
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Am 18. Juni 2005 stürmten die Anhänger beim ersten Testspiel für die neue Saison den Platz und sorgten mit einem friedlichen Protest für Aufsehen. Mit violett-weißen Fahnen, Trikots und dem Transparent "Violett seit 1933" zeigte man öffentlich den Unmut gegen die neue Färbung des Lieblingsvereins.

Solidarität für Initiative Violett-Weiß
Als die Initiative Violett-Weiß in der Folge Solidarität im ganzen Land und in großen Teilen Europas bekam, stand eine Entscheidung an.

Alle Verhandlungen mit der Klubführung brachten aber keinen Erfolg, der Kompromissvorschlag von Red Bull lautete nur: violette Kapitänsschleife, ein kleines violettes Logo des neuen Ausrüsters und violette Stutzen für den Torhüter.

©Bild: GEPA
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Nach dem Scheitern der Gespräche und durch pauschal ausgesprochene Stadionverbote gegen vermeintliche Randalierer kam es zum endgültigen Bruch. Die violetten "Traditionalisten" zogen sich zurück und gründeten am 7. Oktober 2005 einen eigenen Verein.

Dort stehen die angeblichen Krawallmacher nun dafür gerade, dass ein Fußballklub von Fans für Fans funktionieren kann. Sie fungieren als Ordner, kassieren Eintritt und machen den normalen Meisterschaftsbetrieb erst möglich.

Suche nach einer neuen Heimstätte
Nachdem die Spielgemeinschaft mit PSV Schwarz-Weiß Salzburg im Vorjahr beendet worden war, begann Austria Salzburg in der Saison 2006/07 als komplett eigenständiger Verein in der untersten Liga. Mit dem Meistertitel in der 2. Klasse Nord A setzte man nun den ersten Schritt in eine erfolgreiche Zukunft.

Ein Problem ist noch die Suche nach einer neuen, adäquaten Heimstätte. Der Union-Platz in Salzburg-Nonntal hat für die kommende Saison ausgedient, und der sentimentale Lieblingsplatz der Fans steht nicht mehr zur Verfügung. Das Stadion Lehen im Stadtzentrum wurde abgerissen und musste dem Zentrum "Neu Mitte Lehen" weichen.

"Good Bye, Lehen"
Im November 2005 waren Tausende Salzburger zum Abschiedsfest "Good Bye, Lehen" gekommen. Heute erinnert auf der Großbaustelle nur noch ein letzter Flutlichtmast an die einstige Fußballhochburg, die 1971 eröffnet wurde. In diesem Stadion hatte Austria Salzburg mit drei Meistertiteln (1994, 1995 sowie 1997) und Europacup-Partien wie gegen Sporting Lissabon legendäre Spiele geliefert.

Von solchen Triumphen ist die derzeitige Mannschaft noch weit entfernt. Aber der Meistertitel in der untersten Liga soll nur der Beginn der Rückkehr nach ganz oben sein.

Christian Tragschitz, ORF.at

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