Doch die Spuren des zähen Kampfes über fünf Sätze im Wimbledon-Finale waren nicht nur an der Hose seines "Gentleman-Anzugs" abzulesen, die Roger Federer im Überschwang des "historischen Tags" ("Times") verkehrtherum angezogen hatte.
"Zwei Wochen relaxen"
"Ich bin unheimlich müde, aber auch sehr erleichtert. Egal wie sehr die Füße und die Schulter jetzt auch schmerzen, das ist alles egal. Ich werde jetzt erst einmal zwei Wochen relaxen", sagte der "Maestro aus der Schweiz", wie ihn die Londoner "Times" am Montag nach seinem "epischen Kampf" bezeichnete.
Mit dem 7:6 4:6 7:6 2:6 6:2-Erfolg gegen den Spanier Rafael Nadal erfüllte er sich seinen Traum vom fünften Wimbledon-Triumph in Serie und stellte damit den Rekord des Schweden Björn Borg ein.
Auf einer Stufe mit Borg
Der Skandinavier, der in den Jahren 1976 bis 1980 in Wimbledon unschlagbar gewesen war, ließ es sich nicht nehmen, seinem Nachfolger selbst zu gratulieren. "Ich bin froh, dass er es ist, der meinen Rekord gebrochen hat", sagte der 51-Jährige.
Nur wenige Schritte vom Centre-Court entfernt empfing er Federer und umarmte ihn wie einen alten Freund. "Wir haben uns schwedisch umarmt", sagte Federer grinsend und tief bewegt zugleich. "Auf einer Stufe mit Björn Borg zu stehen - das ist irreal."
Im "Reich der Legenden"
Es sei ein großer Augenblick gewesen nach diesem Match vor den Helden seiner Jugend - John McEnroe, Jimmy Connors, Boris Becker und eben Björn Borg -, sagte der 25-Jährige nach dem Einzug ins "Reich der Legenden" ("Independent"). Nur Pete Sampras, mit 14 Grand-Slam-Turniersiegen der Rekordhalter, fehlte in London.
Becker prophezeiht Nadal als Nummer eins
"Er ist noch größer", betonte der dreifache Wimbledon-Champion Becker. Aber Federer könne der beste Profi der Tennisgeschichte werden, sofern er auch die French Open in Paris gewinnt. Sonst könnte ihm der wie im Vorjahr unterlegene Nadal eines Tages den Rang ablaufen.
"Er ist erst 21, aber ich bin überzeugt, wenn er gesund bleibt, wird er die Nummer eins", prophezeite Becker dem Spanier eine rosige Zukunft.
"Einer meiner schönsten Siege"
Noch regiert aber Federer, der nun schon seit 180 Wochen die Nummer eins der Weltrangliste ist. Doch auch in dieser Hinsicht ist Sampras mit 286 Wochen absolute Spitze. "Ich denke an seinen Grand-Slam-Rekord", sagte Federer, "aber ich werde nicht behaupten, dass ich ihn brechen werde."
Bescheidenheit ist nach dem glücklichen Ende auf dem geliebten Rasen in Wimbledon auch angebracht. "Es war einer meiner schönsten Siege", betonte der Eidgenosse nach dem 11. Sieg in seinem 13. Grand-Slam-Finale. "Ich habe mein Revier verteidigt."
Titelverteidigung wird schwieriger
Die Frage nach dem Gegner, der ihm in seinem Rasen-Reich gefährlich werden kann, erübrigt sich nach dem Tenniskrimi - es war Federers erstes Fünfsatzmatch in einem großen Endspiel.
"Mein Service hat mich gerettet", gab er angesichts von 24:1 Assen zu. Doch Nadal wird immer besser und die Titelverteidigung schwieriger. Und so reagierte Federer ungewohnt gereizt, als ihm der "Hawk-Eye" genannte elektronische Linienrichter sicher geglaubte Punkte wieder wegnahm.
"Diese Maschine bringt mich um"
"Wie in der Welt kann der Ball drin gewesen sein", schimpfte der sonst ruhige Federer, nachdem Nadal ein Break dank des "Falkenauges" geschafft hatte. "Diese Maschine bringt mich um."
Tatsächlich hatte der Champion wohl recht, wie das Standbild im TV zeigte. "Auch der Schiedsrichter hat mir gesagt, er könne nicht glauben, dass der Ball drin gewesen sein soll. Es war ein Schock", begründete Federer seinen kurzen Ausraster.
Nadal trauert Breakchancen nach
Nadal wollte sich weder dazu noch zu seiner im vierten Satz erlittenen Knieverletzung näher äußern. "Wir haben auf Augenhöhe gespielt", sagte der Spanier. Er ärgere sich nur über die verpasste Chance im fünften Satz, als er beim Stand von 1:1 und 2:2 jeweils bei 15:40 zwei Breakbälle nicht hatte nutzen können.
Und Nadal wusste auch, warum Federer diese brenzligen Situationen meisterte und am Ende wieder im Tennis-Mekka triumphierte: "Sein Aufschlag hat den Unterschied gemacht. So einfach ist das."
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