"Setzt mich wieder auf mein Rad"

Vor 40 Jahren starb Tom Simpson.
©Bild: APA
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Ein Gedenkstein mitten im Nirgendwo der Bergeinsamkeit erinnert an die Fahrt in den Tod: Am Nachmittag des 13. Juli 1967 verlor Tom Simpson bei der Auffahrt auf den Gipfel des 1.912 m hohen Mont Ventoux die Kontrolle über sein Fahrrad und seinen Körper.

Der 29-jährige Brite quälte sich bei brütender Hitze auf der 13. Etappe der Tour de France in Schlangelinien den Berg hinauf, ehe er völlig ausgepumpt zusammenbrach.

Herbeigeeilte Helfer waren machtlos, die Herzmassage wirkte nicht. Die letzten geflüsterten Worte Simpsons vor seinem Tod sollen gewesen sein: "Setzt mich wieder auf mein Rad."

Tödliche Mischung
So ging vor 40 Jahren eine viel versprechende Profi-Karriere zu Ende. Simpsons Tod ist eines der finstersten Kapitel in der an großen Dramen reichen Geschichte der Tour de France.

Voll gepumpt mit Amphetaminen und einem Giftcocktail aus alkoholhaltigen Aufputschmitteln wurde Simpson das erste tragische Dopingopfer des legendären Rennens.

Simpson hatte noch viel vor
Am 13. Juli 1967 war das Feld zur 211 Kilometer langen 13. Etappe von Marseille nach Carpentras aufgebrochen. Simpson, der zwei Jahre zuvor in San Sebastian Straßen-Weltmeister geworden war, galt als einer der Favoriten der Tour.

Sengende Hitze lag an diesem Tag über der Ebene der Provence. Simpson, der trotz zuvor aufgetretener Magenprobleme Sechster der Gesamtwertung war, setzte sich mit dem Spanier Julio Jimenez und dem Franzosen Raymond Poulidor an die Spitze des Feldes.

Das Trio kletterte die Kehren des einsam in der Landschaft stehenden "Teufelsberges" Ventoux hinauf, 1.600 Höhenmeter mit Steigungen von bis zu elf Prozent. Fünf Kilometer vor dem Ziel wollte der Brite Tempo machen, doch es gelang ihm nicht.

Leere Augen
Simpsons Blick, das wurde nach seinem Tod auf den Fotos von diesem Tag deutlich, war der eines Gezeichneten - die Augen leer, das Gesicht hohl, Schaum im Mundwinkel.

Eineinhalb Kilometer vor dem Gipfel brach er zum ersten Mal zusammen. Die Helfer des Peugeot-Teams hoben ihn wieder aufs Rad. Doch Simpson konnte nicht mehr und stürzte erneut.

"Er war schon tot, als wir hinkamen", sagte Tour-Arzt Pierre Dumas, der eineinhalb Stunden mit Mund-zu-Mund-Beatmung vergebens um Simpson kämpfte.

Doping nie abgestritten
Noch viele Jahre später wollten viele die Ursache für Simpsons Tod nicht wahrhaben. Nicht nur der fünffache Tour-Sieger Jacques Anquetil behauptete, Simpson sei einem "normalen" Herzstillstand erlegen.

Dabei hatte der Engländer nie ein Hehl daraus gemacht, dass er gedopt war. Die BBC-Dokumentation "The World of Tom Simpson" von 1964 zeigt ein Eiweißpräparat auf dem Hotelbett und wie der Fahrer mit dem Notizzettel eines Arztes herumfuchtelt.

Der Mediziner hatte genau aufgelistet, was Simpson täglich bei der Tour nehmen musste - "Vitamin-B-Komplex, Leberextrakt, Muskelstärkungsmittel".

Hinter dem Begriff "Muskelstärkungsmittel", schreibt Simpson Biograf William Fotheringham ("Put me back on my bike"), könnte sich etwas harmloses verbergen, aber auch ein Hormonextrakt, das damals noch nicht verboten war.

Von Anfang an dabei
Simpsons Tod entlarvte, was bis dahin noch ein offenes Geheimnis war und seitdem wie ein Phantom die Tour begleitet: Doping gehörte schon immer zu den Geheimnissen der Rundfahrt.

Zwölf Jahre vor Simpsons Tod war der Franzose Jean Mallejac auf dem Berg zusammengebrochen. Auch er hatte Aufputschmittel benutzt.

Der erste Dopingfall wurde aber bereits 1911 aktenkundig: Paul Duboc wurde nach dem Genuss einer "zweifelhaften Flüssigkeit" Opfer einer Vergiftung und gab auf. Seitdem hat das Thema Doping die Tour nie mehr verlassen.

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