Für Paul Scharner gibt es hingegen nach seiner Weigerung, für das ÖFB-Team zu spielen, trotz seiner Meinungsänderung vorerst wohl keinen Weg zurück.
ORF.at: Herr Teamchef, nach dem letzten Länderspiel gegen die Elfenbeinküste hatten Sie nun einige Zeit, um in Ruhe über die Dinge nachzudenken, die vorgefallen sind. Wie geht es Ihnen?
Josef Hickersberger: Danke, mir geht es gut. Ich habe in meiner Karriere schon viel erlebt und lasse mich auch durch Rückschläge nicht mehr so leicht aus der Fassung bringen. Auch meine Familie hat schon einiges mitgemacht, mein Sohn ist selbst im Fußball engagiert, meiner Tochter geht es gesundheitlich gut, und meine Frau weiß Bescheid. Ich habe einen befristeten Vertrag, und es ist nicht das erste Mal, dass ich unangenehme Zeiten durchlebe.
ORF.at: Frenkie Schinkels hat zuletzt in einem "Kurier"-Interview gesagt: "Bei Rapid hatte Hickersberger bei den Spielen noch ein anderes Feuer. Im Hanappi-Stadion hast du gegen elf Rapidler gespielt - und gegen Hickersberger. Das fehlt mir jetzt ein bissl. Er sitzt zu locker auf der Bank." Was sagen sie dazu?
Hickersberger: Zunächst einmal: Gegen Rapid spielt man in Hanappi-Stadion nicht nur gegen elf Rapidler, sondern auch gegen den zwölften Mann. Es gibt keine anderen Fans in Österreich, die wie ein Mann hinter ihrer Mannschaft stehen. Frenkie Schinkels bezieht seine Aussagen auf die Beobachtungen der letzten Länderspiele. Wenn ich richtig informiert bin, dann bestreiten wir zurzeit Vorbereitungsspiele. Bis auf wenige Ausnahmen ist das Publikum bis jetzt noch nicht hinter "seiner" Nationalmannschaft gestanden. Glauben sie mir, bei der EM wird das ganz anders sein. Wenn wir vor über 50.000 Fans im Happel-Stadion spielen, dann wird eine andere Stimmung herrschen. Und dann werden die Leute auch einen anderen Josef Hickersberger erleben, der versucht, seine Mannschaft nach vorne zu pushen.
ORF.at: Aber es war schon ganz knapp, dass dann jemand anderer auf der ÖFB-Betreuerbank gesessen wäre, oder?
Hickersberger: Natürlich habe ich vor dem Spiel gegen die Elfenbeinküste auch gewusst, was es geschlagen hat. Nach so einer langen Serie ohne Sieg fehlen die Argumente, auch wenn wir zum Beispiel auswärts gegen den Vizeweltmeister antreten mussten oder WM-Teilnehmer Ghana fast geschlagen hätten, aber so etwas interessiert niemand. Es zählen nur mehr die Ergebnisse.
ORF.at: Hat es auch Freunde oder Bekannte gegeben, die gesagt haben: "Pepi, warum tust du dir das noch an?"
Hickersberger: Natürlich. Selbstverständlich hat es welche gegeben, die so etwas gesagt haben. Aber ich habe eine Aufgabe übernommen und wusste, dass ich in keiner beneidenswerten Lage bin. Unter Baric oder Krankl hat Österreich nie gegen eine Top-15-Nation gewonnen, mir ist dies im Vorjahr mit dem Team gegen die Schweiz gelungen. Leute, die sich im Fußball auskennen, wissen, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit im österreichischen Fußball derzeit nicht sehr hoch ist.
ORF.at: Könnte man die Erfolgswahrscheinlichkeit steigern, indem man, wie es viele Trainer, Fans und Journalisten fordern, die besten Spieler einberuft?
Hickersberger: Ich gehe d'accord mit den Leuten wie etwa LASK-Trainer Karl Daxbacher, die sagen, dass bei der EM die Besten spielen müssen. Er sieht Ivica Vastic täglich im Training, und wir haben öfters Kontakt. Ich würde unglaubwürdig werden, wenn ich den Ivo schon jetzt zurückholen würde. Aber wenn Ivica Vastic im Frühjahr immer noch diese Form hat, dann wird er bei der EM dabei sein. Er kann nur hängende Spitze spielen, und auf dieser Position habe ich einen Andi Ivanschitz. Aber über die Klasse eines Ivica Vastic muss man nicht diskutieren, er kann Dinge und hat etwa eine Schusstechnik, die nicht jeder lernen kann.
ORF.at: Sie sind jetzt in einem Alter, in dem man auch verzeihen kann. Warum geben sie dann Paul Scharner keine zweite Chance?
Hickersberger:(überlegt) Ich tue mir jetzt weniger schwer als früher als junger Trainer. Damals hatte ich vor der WM 1990 in Italien einen Streit mit Heribert Weber. Ich habe gedacht, dass ich mein Gesicht verliere, wenn ich meine Meinung ändere. Noch dazu hatten wir damals eine Mannschaft voller Typen wie einen Andi Ogris oder einen Toni Polster. Jetzt ist mein Gesicht schon älter, und es ist mir egal. Aber ich habe Paul Scharner klipp und klar gesagt, als er gesagt hat, dass er mit "denen" (gemeint waren die Kollegen in der Nationalmannschaft, Anm.) nicht mehr spielen kann: Überleg es dir in Ruhe und sprich mit anderen Leuten, denn so eine Chance wie die EM im eigenen Land kriegst du nie wieder in deinem Leben. Aber er ist bei seiner Meinung geblieben.
ORF.at: Wollen sie wirklich auf einen Stammspieler in der englischen Premier League, der Woche für Woche Gelegenheit hat von den besten Spielern zu lernen, verzichten?
Hickersberger: Noch einmal: Wir haben auch mit einem Paul Scharner gegen Kanada, Kroatien und Ungarn verloren. Er ist ein Fußballathlet, und auf der Position an der rechten Außenbahn, auf der er derzeit im Verein spielt, haben wir etwa mit einem Joachim Standfest oder einem György Garics, der übrigens bei Napoli Stammspieler in der Serie A ist, sehr gute Alternativen. Aber ich sage Ihnen auch eines: Paul Scharner wird im Nationalteam wieder dabei sein. Nur bei der EM unter mir sicher nicht.
Das Gespräch führte Christian Tragschitz, ORF.at
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