Dass am Ende Pfiffe die rot-weiß-roten Kicker begleiteten, der Teamchef neuerlich mit "Hicke raus"-Rufen bedacht wurde und Österreich nach einem Kopfballtreffer von Peter Crouch (44.) mit einer 0:1-Niederlage vom Platz schlich, hatte verschiedene Gründe.
Spielaufbau und Macho
Während die Verteidigung großteils gute Figur machte (Hickersberger hob vor allem Ronald Gercaliu hervor), kam die Offensive nie richtig in Schwung. England hatte bis auf wenige Ausnahmen das Spiel in der Hand.
Das schwere K. o. von Torhüter Jürgen Macho in der 22. Minute war neben Schwächen im Spielaufbau allerdings ebenso ein Rückschlag für das Team.
Schock für ÖFB-Team
Der AEK-Athen-Legionär wurde bei einem Zusammenprall mit dem 2,01 m großen Crouch von dessen Schulter ausgeknockt. Macho krachte bereits bewusstlos auf den Boden und verschluckte dabei seine Zunge.
Sofort eilten seine Mitspieler herbei, um ihm zu helfen. Der Anblick des regunglosen Torhüters beschäftigte die Teamkicker.
Besorgte Mitspieler
"Das war ein Schock für uns", sagte Joachim Standfest. "Seine Augen haben gezittert. Als er wieder bei Bewusstsein war, war das eine Erleichterung für uns."
Teamkapitän Andreas Ivanschitz war besorgt: "Der Jürgen ist ein Freund von uns. Wie er so dagelegen ist, war das sehr beunruhigend. Natürlich hat uns das dann auch belastet."
"Aber er hat sich ja dann erholt, und der Alexander Manninger hat das Tor sehr gut gehütet. So haben wir den Ausfall weggesteckt."
Der letzte Pass kam nicht
Der Panathinaikos-Legionär war einmal mehr Österreichs bester Mann auf dem Feld und versuchte mit viel Laufarbeit und energischen Vorstößen, das rot-weiß-rote Offensivspiel in die Gänge zu bringen.
"Wir haben stark begonnen und einiges probiert, doch der letzte Pass hat gefehlt", war Ivanschitz klar.
In der ersten Hälfte war Sanel Kuljic daher als Solostürmer wie so oft isoliert, konnte die englischen Verteidiger aber auch kaum beschäftigen. Mit der Einwechslung von Roman Kienast und später Martin Harnik kam hier etwas mehr Schwung in die Angriffsreihe.
"Erste Hälfte klar unterlegen"
ÖFB-Teamchef Josef Hickersberger war jedoch vor allem mit dem Auftritt seiner Elf in den ersten 45 Minuten unzufrieden. Hickersberger sah sein "Läuft der Ball in den eigenen Reihen, läuft der Gegner"-Konzept nicht umgesetzt.
"Wir waren in der ersten Spielhälfte klar unterlegen, weil wir den Ball nicht halten konnten. Wir haben versucht, sofort den schwierigen Pass zu spielen. Aus der riskanten Aufstellung der Engländer mit Gerrard und Lampard konnten wir keinen Vorteil ziehen."
"Marschplan nicht eingehalten"
Die Verletzung von Macho wollte Hickersberger nicht als Hauptursache für die spielerische Flaute seiner Mannschaft sehen: "Natürlich war das auch ein Schock für das Team. Wir haben aber auch vor der Verletzung von Macho nicht unseren Marschplan einhalten können."
Spiel verflacht
Mit dem Rückfall der Österreicher verflachte auch die anfänglich gute Stimmung im vollen Happel-Stadion, und nur noch die Schlachtgesänge der rund 4.000 englischen Anhänger hallten lautstark durch das Oval.
Das 1:0 für die "Three Lions", bei denen Superstar David Beckham zwar durch seine Eleganz, aber weniger durch brandgefährliche Aktionen auffiel, lag in der Luft.
Zu klein für Crouch
"Wir wussten vor dem Spiel, dass England uns bei Eckbällen überlegen sein wird. Wir haben leider nicht zu viele Kopfballspieler, um gegen die großen Engländer gut auszusehen", erklärte Hickersberger das 0:1.
Dass kein Österreicher die "zweite Stange" sicherte, sondern der Engländer Jermain Defoe, war laut Standfest kein Fehler: "Wir waren alle weiter vorne und wollten den Ball schon in der Mitte abfangen, so dass die Engländer erst gar nicht zum Köpfeln kommen. Das ist leider nicht gelungen und gegen Crouch auch nicht so leicht."
Von den Auswechslungen profitiert
In der zweiten Spielhälfte nahm England einige Stars vom Feld. Owen war bereits mit einer Oberschenkelverletzung ausgetauscht, als auch Gerrard, Cole und Campbell zur Pause in der Kabine blieben. Wenig später folgte Beckham unter Pfiffen des Publikums.
Das ÖFB-Team kam daher in den letzten 25 Minuten wieder besser ins Spiel, traute sich wieder mehr zu. "Wir haben von den Auswechslungen der Engländer profitiert. Wir haben besser gespielt und waren ebenbürtig", so Hickersberger. "Allerdings konnten wir keine klaren Torchancen herausspielen."
Was macht das Team falsch?
Teamkapitän Ivanschitz war mit der zweiten Hälfte "nicht unzufrieden. Wir haben stabiler gespielt." Im Vergleich zum 3:2 gegen die Elfenbeinküste habe das Team "keine fünf Schritte zurück gemacht".
Frankfurt-Legionär Markus Weissenberger sah die Situation ähnlich: "Die zweite Halbzeit war besser. Jeder wollte, der Trainer hat riskiert, wir sind halt nicht belohnt worden."
Für die gellenden Pfiffe des Publikums zum Schluss des Spiels, als Österreich wieder besser in die Partie kam, hatte auch HamKam-Stürmer Roman Kienast wenig Verständnis: "Diese Pfiffe sind nicht das, was wir brauchen. Was macht man falsch, wenn man eineinhalb Minuten den Ball zirkulieren lässt?"
In Gedanken bei Kroatien
Im englischen Lager kreisten die Gedanken ausschließlich um das letzte EM-Qualispiel am Mittwoch in London gegen Kroatien. Der Sieg gegen Österreich war mit dem Schlusspfiff abgehakt und kaum eine Erwähnung wert.
"Die ersten zehn Minuten waren schwierig, dann ging es ganz gut", sagte der umschwärmte Beckham. "Wir denken natürlich schon an Mittwoch und hoffen, dass die anderen Teams für uns spielen."
Sollte Russland am Samstag in Israel gewinnen, wäre die EM-Qualifikation für Beckham und Co. so gut wie verloren. Ein Problem, das sich für Österreich nicht stellt.
Martin Wagner, ORF.at
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