"Das ist eine absolute Frechheit"

Bierhoff wunderte sich über die Schärfe in Völlers Äußerungen: "Ich habe nur über unsere Arbeit gesprochen."
Überraschend scharf hat der frühere DFB- Teamchef Rudi Völler auf ein Angebot der sportlichen Leitung der Nationalmannschaft an die Bundesliga reagiert, an Verbesserungen im deutschen Fußball mitzuarbeiten. Teammanager Oliver Bierhoff riet er im "Express" (Montag-Ausgabe) zu "mehr Demut".

Die Spielphilosophie von heute sei "zuallererst ein Produkt der hervorragenden Jugendarbeit in den Vereinen", sagte der Sportdirektor von Bayer Leverkusen im "kicker": "Das permanente Sich-selbst-auf-die-Schulter-Klopfen muss doch schmerzhafte Schädigungen nach sich ziehen. Bierhoff sollte sich bei Dr. Müller-Wohlfahrt untersuchen lassen."

Bierhoff wundert sich
"Das ist eine absolute Frechheit", sagte Bierhoff am Montag in Frankfurt zu Völlers Wutausbruch. "Ich habe nur über unsere Arbeit gesprochen. Ich hab in keinster Weise die Arbeit der Bundesliga-Vereine kritisiert", wunderte sich Bierhoff über die Schärfe in Völlers Äußerungen.

Bierhoff und DFB-Trainer Joachim Löw hatten auf das schwache Abschneiden deutscher Clubs insbesondere in der Champions League mit dem Vorschlag reagiert, gemeinsame Überlegungen anzustellen, die Qualität des deutschen Fußballs insgesamt zu verbessern.

Völler fordert "mehr Demut"
"Ich kann das alles nicht mehr hören", sagte Völler und forderte mit dem Hinweis auf die unterschiedlichen Bedingungen für Nationalteam und Vereine von Bierhoff "mehr Demut". Jeder Trainer würde gerne offensiv spielen lassen: "Aber wenn du zum Beispiel einen Spielertypen wie Oliver Bierhoff im Team hast, kannst du eben auch nicht brasilianisch spielen."

Eine Philosophie für den Spieler müsste noch erfunden werden, spottete Völler: "Brasilianische Spielweise einfordern mit Füßen aus Malta, das geht eben nicht."

Kritik "unter der Gürtellinie"
Die Kritik sei "Stammtisch-Art", konterte der DFB-Manager. "Ich finde es schon ein bisschen traurig, dass man persönlich wird und unter die Gürtellinie geht, wenn man keine Argumente hat oder einem die Argumente ausgehen." Er habe nur die Fakten dargestellt. "Das hat nichts mit Schulterklopfen zu tun", so Bierhoff.

Das Hauptargument der Vereine, die deutschen Clubs seien im Europapokal durch niedrigere TV-Gelder im Vergleich zur europäischen Konkurrenz im Nachteil, akzeptiert Löw nur zum Teil. "Das Geld ist da, wo gut konzeptionell gearbeitet wird." Bierhoff verwies zudem darauf, dass die Bundesliga bei Marketingeinnahmen führend sei.

Erinnerung an Wutrede von 2003
Die Attacke von Völler erinnerte an jene Wutrede nach dem 0:0 in Island im September 2003 ("Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören"), in der er damals unter anderem die "Gurus" Netzer, Beckenbauer und Breitner angegriffen hatte.

Jetzt bekam Bierhoff die ganze Breitseite ab, dabei dürfte Völler als Teamchef von 2000 bis 2004 der Dauerkonflikt zwischen Auswahl und Clubs auch von der anderen Seite noch bestens bekannt sein. "Ich weiß nicht, warum sich die Vereine immer wieder kritisiert fühlen", sagte Bierhoff und verwies auf die Bestrebungen des DFB, das Verhältnis zu entspannen.

So habe man die Vereine besucht, beim EM-Qualifikationsabschluss am Mittwoch in Frankfurt gegen Wales werde man beispielsweise auch das Freitag-Bundesligaspiel von Hertha BSC beachten.

Vereine erhalten schriftlichen Bericht
"Nach jeder Länderspiel-Reise kriegt jeder Verein einen schriftlichen Bericht von uns, was trainiert wurde, wie Spieler medizinisch behandelt wurden", so Bierhoff. "Ob ich jetzt Füße wie ein Malta-Fußballspieler habe, spielt doch gar keine Rolle, ob der deutsche Fußball heute erfolgreich spielt oder nicht", ergänzte der ehemalige DFB-Kapitän.

Völler habe keine Philosophie für Bierhoff gefunden, "das weiß man", betonte der 70-malige Nationalspieler, den Völler Anfang 2002 als Kapitän abgesetzt und bei der WM in Asien nur 81 Minuten eingesetzt hatte.

In Italien aber habe man eine Philosophie gefunden, "dort bin ich Torschützenkönig und Meister geworden". Und auch bei dem Übergang von Völler zu Jürgen Klinsmann als Verantwortlicher für die DFB-Elf seien ja "die Bedingungen gleich gewesen".

"Das ist nicht mein Niveau"
Die Attacke Völlers werde die sportliche Leitung der deutschen Nationalelf nicht daran hindern, ihre Arbeit fortzusetzen und weiter auf die Vereine zuzugehen, betonte Bierhoff und konterte Völlers Äußerungen: "Bei Rudi ist das ja nicht der erste Fall, bei dem er emotionaler ist. Das ist nicht mein Niveau - und ich kümmere mich gar nicht darum."

Die Tür zu Völler wollte er dennoch nicht ganz zuschlagen: "Es ist halt bei uns so, da wird mal was rausposaunt."

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