100 Kilometer bis zum Südpol

"Wenn es länger dauert, wird es problematisch, aber damit befasse ich mich nicht."
Am 15. Dezember 2007 fällt der Startschuss zu einem der ungewöhnlichsten Rennen auf diesem Planeten: dem Antarctic Ultra Race.

©Bild: Jürgen Skarwan
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Auf die Teilnehmer wartet dabei eine Umgebung, wie sie unfreundlicher nicht sein könnte. Eisige Kälte, erbarmungsloser Wind, atemraubende Höhe und unendliches Eis werden auf den 100 Kilometer bis zum Südpol zum Begleiter der 20 Athleten.

Mit von der Partie ist einmal mehr Christian Schiester, Österreichs Aushängeschild unter den Extremläufern. Der 40-jährige Steirer ist ein alter Hase auf dem Gebiet.

Die letzte Naturbastion
©Bild: Jürgen Skarwan
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Beim "Marathon des Sables" (2003, Zwölfter) hat Schiester die Sahara, beim Himalaya-Run (2004, Sieger) das höchste Gebirge der Welt und beim Jungle Marathon (2006, Dritter) das Dickicht am Amazonas laufend bezwungen. Nun will er eine der letzten Naturbastionen bezwingen: das Eis.

Im Gespräch mit ORF.at berichtet Schiester über seine wie üblich ausgefallene Vorbereitung, die Gefahren am Südpol, seine ungewöhnliche Ausrüstung (Mehr dazu in "An den Südpol mit Weltallausrüstung"), die Planung seines nächsten Abenteuers und warum er auf die Notfallausrüstung pfeift.

ORF.at: In wenigen Tagen geht es los mit dem Eismarathon. Was erwartet Sie in der Antarktis?

Christian Schiester: Es ist eine spannende Geschichte, weil man vor allem das Wetter nicht vorhersehen kann. Das wird das Kriterium werden. Mit einem kleinen Flieger werden wir Richtung Südpol fliegen. Dort werden wir in einem Radius von 100 Kilometer ausgesetzt und versuchen, an den Pol zu laufen. So ist es zumindest angedacht. Das Wetter kann uns aber noch einen Strich durch Rechnung machen.

ORF.at: Sie waren in der Wüste, im Himalaya und im Dschungel. Wo liegt der Reiz am Eis?

Schiester: Der Reiz ist, dass ich mich mit den Dingen der Natur messe. Ich laufe nicht fünfmal durch die Wüste, das habe ich schon gemacht. Ich weiß jetzt, wie das dort ist. Ich suche mir ganz bewusst diese Dinge aus und nach allem, was ich schon gemacht habe, ist es auf der Hand gelegen, dass ich ins Eis gehe. Außerdem: Was gibt es Kälteres als den Südpol?

ORF.at: Apropos Kälte. Mit welcher Temperatur darf man denn zu dieser Zeit rechnen?

Schiester: Na ja, laut Literatur hat es im Dezember so an die minus 25 bis 30 Grad. Wenn der Wind dann noch dazu kommt, ist die gefühlte Temperatur gleich noch einmal um zehn Grad geringer. Aber bei diesen Temperaturen ist das eigentlich ja auch schon egal.

ORF.at: Klingt alles ziemlich extrem. Wie haben Sie sich auf diese Bedingungen vorbereitet?

Schiester: Ich habe mir wieder ein Jahr Zeit genommen. Ich habe immer in der Kälte trainiert und auch versucht, im Sommer den Kontakt zum Eis zu halten. Ich war oft am Gletscher in Sölden oder zu Materialtests in einer Eishöhle am Dachstein, wo ich am Laufband geübt habe. Die letzten Wochen habe ich wieder den Kontakt mit der Natur gesucht, da kann man sich auch geistig besser drauf einstellen.

ORF.at: Ab welcher Temperatur wird es gefährlich für den Menschen?

Schiester: Die größte Gefahr wird sein, zu schnell anzulaufen und einen Hitzestau zu bekommen. Das klingt jetzt angesichts der Kälte unglaublich, aber das fürchtet der Läufer, denn dann würde die Leistung rapide abfallen. Beim Weglaufen sollte mir leicht kalt sein, dann würde das passen. Es kommt aber auch auf die Verfassung an und die Psyche an. Aber da habe ich ja schon Übung genug.

ORF.at: Wenn man trotzdem in grobe Probleme kommt, wie schaut es dann aus mit Nofallmaßnahmen? Haben Sie oder die Veranstalter sich da irgendwie abgesichert?

Schiester: Die Organisatoren haben uns eine 16 Seiten lange Haftungsverzichtserklärung unterschreiben lassen. Aber das ist die Besonderheit an diesen Rennen, denn die Gefahr musst du in deinen Kopf reinbekommen. In der Zivilisation verlassen wir uns auf alles: Es gibt Versicherungen, die Rettung, die Notdienste etc. In der Antarktis bin ich für mich selbst verantwortlich.

ORF.at: Aber eine Notfallausrüstung oder Checkpoints gibt es schon?

Schiester: Wir haben eine vorgeschriebene Überlebensausrüstung dabei, die allerdings über 13 Kilogramm wiegt. Dabei ist ein warmer Schlafsack, ein Daunenanzug, Kocher und Schneeschuhe. Das ganze Gepäck kann ich aber einen Meter nach der Startlinie wegschmeißen, was ich auch machen werde, denn das Gewicht ist enorm. Ich bin ja dort, um das Rennen zu gewinnen.

ORF.at: Das Ziel ist klar, gibt es aber auch eine angestrebte Zeit, mit der Sie es erreichen wollen?

Schiester: Ich rechne, dass ich zwischen zwölf und 15 Stunden brauchen werde. Dann muss dieses Ding gegessen sein. Das gehört auch in meine Taktik hinein, denn wenn ich die Ausrüstung wegschmeiße, muss ich ja schließlich schauen, dass ich schnell ins Ziel komme. Das ist der Deal, den ich mit mir abschlossen habe. Wenn ich länger brauche, wird es problematisch, aber damit befasse ich mich nicht.

ORF.at: Haben Sie sich eigentlich auch mit einer Lektüre von den Südpol-Pionieren Roald Amundsen und Robert Scott auf den Südpol eingestimmt?

Schiester: Ja freilich, da bin ich bestens informiert. Am 14. Dezember 1911 hat Amundsen als erster Mensch den Südpol erreicht. Wir starten am 15. Dezember also 96 Jahre und einen Tag später.

ORF.at: Imponieren Ihnen solche historischen Persönlichkeiten wie Amundsen und Scott?

Schiester: Na unbedingt. Ich fahre dort mit einer Ausrüstung hin, die Zigtausende Euro gekostet hat und bin bestens geschützt gegen Kälte und Schnee. Scott und Amundsen sind mit ein paar Seehundstiefeln und ein paar Hunden wegmarschiert. Das sind die wahren Helden, das muss man einfach zugeben. Aber für mich gilt es diese Natur dort zu bezwingen und so war es auch für diese Männer damals.

ORF.at: Sie haben jetzt die Wüste, den Dschungel und die Berge bezwungen. Eis und Schnee sind jetzt an der Reihe. Was kann da noch folgen, denn über das Wasser werden sie nicht wandeln können?

Schiester: (lacht) Nein, das schaffe ich sicher nicht. Mein großes Fernziel ist es, einmal alleine um die Welt zu segeln. Dabei möchte ich ganz spezielle Plätze entdecken, die nicht vom Tourismus überlaufen sind. Wo man in Fjorde reinfährt oder in Grönland einsame Flecken entdeckt.

Wir arbeiten auch an einer Idee, wie man das machen kann, wenn kein Wind geht. Wie man die Körperkraft auf die Schrauben bringt. Das ich halt meine Kondition nutzen kann und auch ein bisschen in Schuss bleibe. Sonst habe ich die letzten Jahre ja umsonst trainiert.

Das Gespräch führte Christian Wagner, ORF.at

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