Plötzlich war der Ski weg
Im zweiten Training am Donnerstag für die Weltcup-Abfahrt der Herren am Samstag war Maier oberhalb der Passage de l'Ancolie zu Sturz gekommen.
Der Salzburger hatte bei einem Schwungansatz einen Ski verloren ("Die Bindung ist aufgegangen und der Ski war dahin") und rutschte zu Boden. Er blieb unverletzt, schnallte den Ski wieder an und nahm nach dieser rund 50 Sekunden dauernden Pause die Fahrt im Renntempo wieder auf.
Fill schon gefährlich nahe
Nachdem Maier die vom Ziel gut einsehbare letzte Kuppe genommen hatte, rutschen drei Arbeiter auf die Piste, wie das nach einem Rennläufer vorgesehen ist. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt schon Fill im Anrauschen und gefährlich nahe, denn der Südtiroler war trotz des Maier-Sturzes nicht abgewunken worden.
Dank Zurufen von der Seite fuhren die drei Pistenarbeiter gerade noch rechtzeitig aus der Ideallinie und Fill passierte die Gefahrenstelle.
"Das sollte nicht passieren"
Schuldzuweisung gab es von Fill keine, der Schrecken stand ihm aber ins Gesicht geschrieben. "Das kann passieren, soll aber nicht passieren, wenn ich zwei Sekunden schneller dran bin, kracht es", sagte er.
Das Startintervall betrug nur 1:15 Minuten, Maier hatte im Ziel 53 Sekunden Rückstand - da blieb nicht viel Zeit zwischen ihm und Fill.
Der Südtiroler hatte deshalb auch nicht ganz verstanden, dass der Österreicher nach dem Sturz weitergefahren war, dass er selbst nicht abgewunken wurde und die Rutscher auf der Piste waren. "Ich hoffe, das passiert mir nicht noch einmal, ich will beim Rennfahren nicht überlegen müssen, wer hinter einem Hügel ist."
Maier hat nichts bemerkt
Maier sagte später, er hatte wegen der Geländebeschaffenheit keine andere Möglichkeit, von der Stelle wegzukommen. Im Ziel auf die Situation mit Fill angesprochen, reagierte er verwundert: Von all dem habe er nichts mitbekommen.
Richtig oder falsch gehandelt?
Laut FIS-Renndirektor Günter Hujara ist die Sachlage aber klar: "Ein gestürzter Fahrer darf nicht die Sicherheit der nachkommenden Fahrer gefährden. Wenn er als gestürzt gemeldet wird, darf er nicht wieder in die Piste zurück." Im Ergebnis scheint Maier als "disqualifiziert wegen Torfehlers" auf.
Ob das FIS-Reglement so eindeutig ist, ist allerdings fraglich, denn der Kitzbühel Rennleiter und FIS-TD Peter Obernauer, der Maiers Sturz mitverfolgte, hatte danach im Zielraum erklärt: "Maier hat richtig gehandelt. Und die Rutscher müssen auch aufpassen, wer welche Nummer hat."
"Es tut mir sehr leid"
Maier entschuldigte sich am Donnerstagabend mit einem überraschenden Auftritt zu Beginn der Mannschaftsführersitzung für sein Verhalten und erhielt dafür großen Applaus von den anwesenden Teamchefs und FIS-Mitgliedern.
"Es tut mir sehr leid. Ich möchte mich für den heutigen Vorfall entschuldigen. Speziell bei Peter Fill, der der leidtragende Athlet war, und bei den drei Pistenrutschern, die mit einem großen Schreck davongekommen sind", sagte der vierfache Gesamtweltcup-Sieger und fügte hinzu: "Ich bin sehr froh, dass bei diesem menschlichen Fehler nichts passiert ist."
Hujara bedankte sich bei Maier ("Ich bin froh, dass dies so gelöst wurde") und zeigte Respekt vor dessen Auftritt bei der Sitzung.
Verwarnung statt Geldstrafe
Geldstrafe wurde keine ausgesprochen, sondern eine Verwarnung, die auch der Südtiroler Patrick Staudacher und der Slowene Andrej Krizaj erhielten, die ebenfalls nach Stürzen weitergefahren waren.
Für die Zukunft stellte Hujara klar: "Es gibt kein Weiterfahren nach einem Sturz außer ein Jurymitglied sagt das." So habe er selbst Staudacher, der weggerutscht war, zugerufen, dass dieser weiterfahren solle. Eine Verwarnung gab es für den Rennläufer am Donnerstag allerdings trotzdem.
Mehrere Faktoren
Im Fall von Maier ist anzumerken, dass mehrere Faktoren unglücklich zusammenspielten. So war über den Juryfunk nicht zu hören gewesen, dass Maier überhaupt gestürzt war, weshalb der ihm folgende Fill nicht abgewunken wurde.
Weiters passierte der Sturz an einer "gefährlichen Stelle" (Hujara) und dem Österreicher wurde deshalb (vermutlich von diversen Coachs) zugerufen, dass er weiterfahren solle, was dieser dann tat. Eine weitere Problematik ist sicherlich auch, dass die Pistenrutscher nicht mit Funkgeräten ausgestattet sind.
Es hätte auch anders enden können
Der Zwischenfall ist jedenfalls glimpflich ausgegangen, Zusammenstöße auf der Piste endeten im Rennsport in der Vergangenheit aber auch schon tödlich.
Im Oktober 2001 starb die Französin Regine Cavagnoud nach einem Zusammenprall beim Abfahrtstraining mit einem deutschen Trainer im Pitztal. Im Jänner 2006 kam es in St. Moritz zur Beinahetragödie, Michaela Dorfmeister vermied einen Zusammenstoß mit einem Pistenarbeiter, der einen Funkspruch missverstanden hatte.
Im Februar 1996 raste beim WM-Abfahrtstraining in der Sierra Nevada die Russin Tatjana Lebedewa beim letzten Sprung in einen FIS-Funktionär, beide wurden schwer verletzt. Ursache war auch hier ein Missverständnis.
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