Der Ernst des EM-Lebens

Hickersberger: "Die Spieler sollen sich auf ihre Aufgaben konzentrieren und nicht abgelenkt werden."
Genau einen Monat vor dem ersten Spiel bei der Heim-EM hat Josef Hickersberger 20 Mann seines Großkaders zum Trainingsauftakt in der Sporthauptschule Lindabrunn begrüßt. Während die elf Legionäre noch eine kleine Schonzeit haben, ging damit für die Bundesliga-Kicker der Ernst des EM-Lebens los.

In einer ersten Besprechung präsentierte der Teamchef den Spielern seinen Verhaltenskodex. Laut Hickersberger sind es "Selbstverständlichkeiten", die jedoch von jedem Einzelnen strikt eingehalten werden müssten, um ein entsprechendes Miteinander bis zur EM zu gewährleisten.

Respekt in allen Bereichen
"Respekt" nicht nur dem Trainerstab gegenüber, sondern auch den anderen Betreuern wie Zeugwart und Masseur, nennt der 60-Jährige dabei als oberste Priorität. Auch dem Personal des Hotels gilt es höflich gegenüberzutreten, denn schließlich habe das ganze Team Vorbildwirkung.

Der Respekt vor den eigenen Mitspielern soll natürlich ebenfalls nicht zu kurz kommen. "Im Training wird es aber trotzdem mit der nötigen Schärfe zur Sache gehen. Fahrlässige Verletzungen möchte ich aber nicht haben, denn das sind keine Ausscheidungswettkämpfe", sagte Hickersberger.

Die Uhr ist immer dabei
"Pünktlichkeit" ist dem Teamchef ebenfalls ein großes Anliegen. Diese gilt es in allen Bereichen einzuhalten. Beim Essen, Training und Masseur ist ein rechtzeitiges Einfinden unumgänglich. Wer nicht am Training teilnehmen kann, hat sich eine Stunde zuvor beim Arzt einzufinden.

So viel Ruhe wie möglich
Auch im Zeitalter des Mobiltelefonierens versteht Hickersberger keinen Spaß mit der Nutzung von Handys, die er sich in einem angemessenen Umfang wünscht. Bei Besprechungen, beim Essen und in der Kabine gilt aber ein absolutes Verbot.

Auch das Lesen der Zeitungen beim Frühstück wird nicht toleriert. "Das könnte sich sonst auf den Magen schlagen", erklärte der Teamchef nicht ohne Seitenhieb auf die versammelte Presse.

Überhaupt will Hickersberger seinem Team so viel Ruhe wie möglich verschaffen, um einen Lagerkoller zu vermeiden: "Wir bereiten uns auf eine EM vor, jeder Einzelne braucht Zeit für sich." Die Kommunikation mit Journalisten wird daher auf die Pressetermine beschränkt.

Persona non grata
Erwartungsgemäß ist auch nicht jedermann im Teamquartier erwünscht. Scherzhaft erwähnte Hickersberger Prostituierte als Persona non grata, in erster Linie zielt diese Maßnahme aber auf den unerwünschten Besuch von Beratern oder Spielermanager ab.

"Ich will nicht, dass die Spieler von möglichen Transfers der Kopf verdreht wird. Sie sollen sich auf ihre Aufgaben konzentrieren und nicht abgelenkt werden", erklärte Hickersberger die Maßnahmen.

Lesen ja, Würfeln und Karten nein
Einen Zapfenstreich wie beim Bundesheer hat der Teamchef allerdings nicht im Sinn. Alle Spieler müssen um 22.30 Uhr im Hotel sein. Wer nach Mitternacht "noch ein gutes Buch lesen will", hat "Hickes" Segen.

Keinen Spaß versteht er jedoch, sollten die Spieler zu nächtlicher Stunde anderen Aktivitäten nachgehen. "Wer würfelt oder Karten spielt, für den ist 'Game over'", stellte der Teamchef klipp und klar fest.

Besuch nur in der Lobby
Zu der immer wieder diskutierten Erlaubnis von Spielerfrauen im Teamquartier hat Hickersberger auch eine exakte Vorstellung.

Ehefrauen, Freundinnen, Kinder und andere Familienmitglieder sind zwar erlaubt, dürfen aber nur in der Lobby und in den Aufenthaltsräumen empfangen werden. "Besuche am Zimmer wird es keine geben, da muss jeder vernünftig sein", kennt "Hicke" auch in diesem Bereich kein Pardon.

Modernisierte Regeln
Abgesehen vom Handyproblem hat sich laut Hickersberger im Vergleich zu der WM 1990, als er ebenfalls Österreichs Nationalteam betreute, nicht viel geändert.

"In einigen Bereichen habe ich es nur modernisiert", sagte Hickersberger und ergänzte: "Die Spieler müssen alle Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel melden, damit wir bei den Dopingkontrollen ruhig schlafen können."

Christian Wagner, ORF.at, aus Lindabrunn

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