"Leistung inakzeptabel"
"Die Informationen, die die IAAF erhalten hat, machen diese Leistung inakzeptabel. Deshalb soll sie, soweit die IAAF betroffen ist, weder als nationaler Rekord noch als Qualifikation für die Olympischen Spiele berücksichtigt oder ratifiziert werden", hieß es in dem Schreiben von IAAF-Generalsekretär Pierre Weiss.
Gradwohl kann es nicht fassen
Die APA erreichte die völlig aufgelöste Gradwohl im Höhentraining in Bulgarien, wo sie erst einmal von ihrem krisenerprobten Lebensgefährten Walter Mayer getröstet werden musste.
"Ich habe jetzt schon so viele Zores gehabt. Ich habe bisher alles aus eigener Tasche finanziert, ich habe alles dafür getan, allen eine Freude zu machen, und wollte niemandem auf die Nerven gehen. Ich bin eine ganz ehrliche Sportlerin und habe in meinem ganzen Leben noch nie was verbrochen", schluchzte die Steirerin, die nach der IAAF-Entscheidung um den Olympiastart bangte, ins Telefon.
Klage vor Sportgerichtshof?
Für die Sommerspiele ist aber nichts verloren, denn Gradwohl hat am 30. September 2007 in Berlin eine Zeit von 2:36:21 erreicht, die nach IAAF-Kriterien (Zeit unter 2:37:00) für eine Olympiateilnahme ausreicht.
Zudem behält sich der ÖLV vor, die Entscheidung betreffend den Linz-Marathon beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne anzufechten.
Auf Anfrage der APA sagte ÖOC-Sportdirektor Matthias Bogner: "Berlin war ein von uns ausgewählter Wettkampf, weil Marathonläufer längere Qualifikationsfristen haben. Die Zeit gilt für die IAAF, für uns war es nicht ganz das, was wir erwartet haben, deshalb wollten wir heuer noch eine Leistung. Nun müssen wir alles unter der neuen Perspektive betrachten und sehen, wie dies beurteilt wird." Das ÖOC-Limit steht bei 2:33:00 Stunden. Die Linz-Leistung lag klar darunter.
Linz-Rekord vom ÖLV anerkannt
Nach dem Rekordlauf von Gradwohl hatte der ÖLV nach Medien- und Augenzeugenberichten, die von regelwidriger Verpflegung und Tempomachern sprachen, eine Kommission zur Untersuchung eingesetzt, die zu dem Entschluss kam, den Rekord und die damit verbundene ÖOC-Olympianorm anzuerkennen.
Zu eventuellen Regelverstößen stellte der ÖLV fest, dass Tempomacher Harald Bauer bei Kilometer 29 ausgestiegen und bei 37 neu eingestiegen war, dann aber nur etwa 300 m mitgelaufen sei, jedoch nicht mehr im Sinne eines Tempomachers. Was die Verpflegung betrifft, so hätten die gereichten Getränke den internationalen Gepflogenheiten bei einem City-Marathon entsprochen.
Verwunderung bei ÖLV
Die Reaktion der IAAF sorgte bei ÖLV-Generalsekretär Roland Gusenbauer für große Verwunderung: "Die IAAF hatte uns mitgeteilt, dass es eine Reihe von Medienmeldungen aus Österreich gibt, und uns um eine Stellungnahme ersucht. Die haben wir ihnen übermittelt, so wie wir sie auch auf unserer Homepage hatten. Und nun sagen sie, dass die Regeln nicht eingehalten wurden."
Vor allem, so Gusenbauer, stoße man sich am kurz wieder eingestiegenen Tempomacher. Oft jedenfalls komme es nicht vor, dass die IAAF mit Rekordratifizierungen nationaler Verbände nicht konformgehe.
Die 35-jährige Gradwohl ist mit Ex-ÖSV-Trainer Mayer liiert, der vom IOC und dem ÖOC nach dem Dopingskandal von Turin lebenslang von Olympia ausgeschlossen wurde. Wegen dieser Verbindung hat die Mutter eines Sohnes schon viel Kritik ertragen müssen.
"Mutwillige Sache"
Die neuesten Nachrichten vonseiten der IAAF rütteln weiter am Nervenkostüm der Ausdauersportlerin, die sich am Dienstag im ersten Schock auch die Sinnfrage stellte: "Ich sitze hier im Höhentraining in der Einöde auf dem Berg. Ich laufe 40 Kilometer und frage mich, was ich hier tue. Und mein Bub ist daheim."
Sie traue sich fast schon nicht mehr, Marathon zu laufen. "Ich weiß ja nicht, was ich als Nächstes falsch mache. Vielleicht laufe ich zu weit rechts, zu weit links. Wenn man mich so anfeindet, brauche ich überhaupt nicht mehr zu laufen. Ich hoffe, dass die Herren erkennen, dass das eine mutwillige Sache ist, das ist unfair."
Noch bis 6. Juni will sie sich in Belmeken im Rila-Gebirge auf Olympia vorbereiten, am Dienstag jedoch dachte sie im ersten Moment sogar an die sofortige Abreise. "Aber ich werde wohl erst einmal drüber schlafen", meinte sie dann doch. "Ich mache das alles nur wegen Peking. Ich wollte für Österreich starten und den Leuten eine Freude machen und niemandem auf den Schlips treten. Das ist jetzt eine komplette Themaverfehlung."
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