"Die Götter waren mit ihr"

Griffith-Joyner starb am 21. September 1998.
Am Mittwoch jährt sich zum 20. Mal der Tag, an dem sich die plötzliche wundersame Wandlung der Leichtathletin Florence Griffith-Joyner in einer extremen Leistungsexplosion dokumentierte.

Bei den US-Ausscheidungen für die Olympischen Spiele 1988 in Seoul rannte "Flo-Jo" in Indianapolis im Viertelfinale die 100 Meter in 10,49 Sekunden - unglaubliche 0,27 Sekunden schneller als der bestehende Weltrekord von Evelyn Ashford (10,76).

Paradiesvogel auf der Tartanbahn
Auch als sie noch im langen Schatten der Olympiasiegerinnen Ashford und Valerie Brisco-Hooks und der DDR-Asse Marlies Göhr und Marita Koch gestanden war, zog die Kalifornierin die Blicke des Publikums bereits magisch auf sich.

Mit wehenden schwarzen Haaren, grellen, knallengen Rennanzügen und 16 Zentimeter langen, bunt lackierten Fingernägeln rannte Griffith-Joyner über die Laufbahnen der Welt - bis 1987 irgendwo auf den Rängen drei bis zehn der Jahresbestenlisten über 100 und 200 Meter.

Bestzeit für die Ewigkeit?
"Die Götter waren mit ihr", schwärmte der neunfache Olympiasieger Carl Lewis über den Wunderlauf von 1988, an dem offiziell nur die angegebene Windstille verdächtig ist.

In Seoul bestätigte sie mit 10,62 diese Zeit und verbesserte über 200 Meter den Weltrekord von Koch (21,71) mit 21,34 um ebenso phänomenale 0,37 Sekunden.

Bis heute ist "Flo-Jo" nur eine etwas näher gekommen: Marion Jones (10,65/21,62) - die geständige Dopingsünderin.

Mantel des Schweigens
Natürlich wurden die Wunderzeiten von Griffith-Joyner sofort voller Misstrauen betrachtet. Zu auffallend und verdächtig waren die körperlichen Veränderungen, die innerhalb weniger Monate zu erkennen waren.

Aus der grazilen, leichtfüßigen Sprinterin war eine muskelbepackte Athletin mit sonorer Stimme geworden, bei der mancher Beobachter gar einen leichten dunklen Flaum auf der Oberlippe erkennen wollte.

Noch in Seoul machte das Gerücht die Runde, dass ein weiterer großer "Goldfisch" positiv getestet worden sei, die Organisatoren aber einen zweiten Fall Ben Johnson nicht zulassen wollten.

"Wie ein Mann trainieren"
"Ich habe nie gedopt", erklärte die bei zahlreichen Dopingtests nie auffällig gewordene US-Amerikanerin, die den Sündenfall des kanadischen Sprinters mit den Worten kommentierte: "Es ist traurig für den Sport, dass Athleten glauben, Dopingmittel nehmen zu müssen, um Sieger zu werden."

Für ihre Wandlung hatte sie eine Erklärung: "Ich war es leid, immer Zweite zu sein. Wenn man wie ein Mann laufen will, muss man wie ein Mann trainieren." Schon wenige Monate nach den drei Goldmedaillen von Seoul (100, 200 und 4 x 100 sowie Silber über 4 x 400 Meter) beendete sie am 25. Februar 1989 ihre Karriere.

Verletzung verhindert Comeback
Danach verdiente sie ihr Geld mit Werbeverträgen, als Designerin von Laufanzügen, Babywäsche und Fingernägeln sowie nach der Geburt ihrer Tochter Mary Ruth als Kinderbuchautorin.

Das angekündigte Comeback zu den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta scheiterte wegen eines Knorpelschadens im Knie, ehe der Versuch ernsthaft in Angriff genommen wurde.

Früher Tod mit 38 Jahren
Einen leichten Schlaganfall im April 1996 während eines Fluges von Los Angeles nach St. Louis nahm Griffith-Joyner nicht ernst. Er belebte aber wieder die Gerüchte über eventuelle Spätfolgen aufgrund von Dopings.

Auch ihr plötzlicher Tod im Alter von gerade 38 Jahren am 21. September 1998 heizte die Diskussionen über Folgeschäden von Anabolikamissbrauch wieder an.

Doch die schnellste Frau der Welt starb nach einem epileptischen Anfall im Schlaf, der durch eine angeborene Abnormität des Hirns hervorgerufen wurde. Hinweise auf Doping ergab die Obduktion nicht.

"Lasst sie wenigstens jetzt in Frieden"
Ehemann Al Joyner, Dreisprung-Olympiasieger von 1984, klagte: "Lasst sie doch wenigstens jetzt in Frieden." Und der damalige US-Präsident Bill Clinton sagte nach ihrem Tod tief bewegt Worte, die trotz aller Ungereimtheiten im kurzen Leben der Florence Griffith-Joyner auch heute noch gelten: "Wir wurden geblendet von ihrer Geschwindigkeit, überwältigt von ihrem Talent und im Bann gehalten von ihrer Ausstrahlung."

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