In der Bergwertung liegt Kohl vor der 19. Etappe (14.35 Uhr/live in ORF1) mit insgesamt 125 Punkten uneinholbar voran. Vom Gelben Trikot des Spaniers Carlos Sastre - Solosieger in Alpe d'Huez - trennen ihn als Gesamtdritten 1:33 Minuten.
CSC bestimmte das Geschehen
"Es war ein weiterer unglaublicher Tag", schwärmte Kohl, der es genossen hatte, die 21 Kehren des Teufels im Gepunkteten Trikot und unter tosendem Applaus der rund 500.000 Fans im größten Stadion der Welt hinaufzufahren.
"Meine Motivation war groß und ich habe wirklich alles aus mir herausgeholt." Das musste er auch. Denn das dänische CSC-Team bestimmte das Geschehen. Kohl konnte nur reagieren. "Schon am Beginn des Schlussanstiegs sorgten sie für enorm hohes Tempo, dem nur wenige Fahrer folgen konnten", blickte Kohl zurück.
Sastre war "einfach der Stärkste"
Als Sastre, CSC-Teamkollege des bis dahin Gesamtführenden Fränk Schleck aus Luxemburg, nach wenigen Kilometern und im steilsten Stück attackierte, konnte niemand mehr folgen. "Er war gestern einfach der Stärkste", anerkannte Kohl neidlos.
Und noch immer war das Gelbe nicht allein, Schleck hatte Bruder Andy an seiner Seite. Davon konnte Kohl nur träumen. Unterstützt wurde er im Finale nur und über weite Strecken der Etappe von seinen Fans, die ihn - angeführt von Vater Christian Kohl - lautstark nach oben trieben.
Der 1,72 Meter große Kohl kämpfte verbissen. "Ich musste alles geben, um den Anschluss an die Gruppe mit den Schleck-Brüdern und Cadel Evans nicht zu verlieren."
"Eine Frage der Ehre"
Er blieb dran. "Weil es eine Frage der Ehre und zusätzliche Motivation war, das Bergtrikot nach Alpe D'Huez zu tragen. Aber ich musste alles aus meinem Körper herausholen, die letzten Reserven mobilisieren", erklärte Kohl, der mit seinen Husarenritten bei der Tour de France ganz Österreich ins Radsportfieber getrieben hatte.
Die Atmosphäre, die auf dem Weg nach Alpe d'Huez geherrscht hatte, könne er gar nicht in Worte fassen. Radsport pur. Fanatismus von seiner friedlichsten Seite eben. Im Ziel sei er am Ende seiner Kräfte gewesen. "Ich war so ausgelaugt und die Beine taten so weh, dass ich im ersten Moment nicht wusste, wie ich heute wieder aufs Rad steigen sollte", sagte Kohl.
Sturzfrei in Richtung Paris
Mittlerweile fühle er sich wieder besser. "Ich habe mich von den Strapazen einigermaßen erholt." Nun gelte es, die nächsten beiden Tage sturzfrei zu überstehen. Dann wäre dem Gerolsteiner-Profi das Trikot des besten Kletterers bei der Tour de France nicht mehr zu entreißen, würde Kohl als erster Österreicher in der 105-jährigen Geschichte der Rundfahrt im Bergtrikot Paris erreichen.
Ob er auch seinen dritten Gesamtrang (als zweiter Österreicher nach Adolf Christian 1957, Anm.) bis Sonntag verteidigen kann? "Beim Zeitfahren werde ich am Samstag erneut ans Limit gehen. Aber ich habe jetzt schon mehr erreicht, als ich mir selbst erhofft hatte." Was noch kommt, sei reine Zugabe.
Michael Fruhmann, ORF.at
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