"Froh, dass Tour vorbei ist"

"Ich bin so was wie der letzte Mohikaner in Paris und stolz darauf."
Bernhard Eisel musste während der 95. Tour de France viel Arbeit für seine Mannschaft leisten. Zusätzlich machten dem Österreicher einige Stürze und die dabei erlitten schmerzhaften Verletzungen zu schaffen.

Beinahe wäre er daher am Sonntag auch mit der "Roten Laterne" für den Letzten über die Champs Elysees ins Ziel in Paris geradelt.

Im Interview mit ORF.at lässt der "letzte Mohikaner in Paris" die zermürbenden 3.500 Kilometer durch Frankreich Revue passieren.

ORF.at: Wie würden Sie die Tour aus ihrer Sicht kurz zusammenfassen?

Eisel: Extrem gut begonnen, in der ersten Woche für meine Teamkollegen viel Kraft gelassen und nach dem Sturz nicht mehr auf die Beine gekommen. Mit der neunten Etappe ging es für mich bergab.

ORF.at: An den Folgen des Sturzes leiden Sie noch immer?

Eisel: Ich habe mich nie davon erholt. Im Zeitfahren konnte ich meine Position nicht halten, weil ich so große Rückenschmerzen hatte. Die Steißbeinprellung machte das Radfahren zur Qual. Ich bin froh, dass die Rundfahrt in Paris nun endlich vorbei ist.

ORF.at: Hatten Sie mit der Roten Laterne und dem letzten Rang ein Problem?

Eisel: Nein, gar nicht. Ich musste nie um die Karenzzeit zittern, war nicht einmal knapp dran. Vom ehemaligen Gruppetto bin ich allerdings der Einzige, der überlebt und die Champs Elysees erreicht hat. Ich bin so was wie der letzte Mohikaner in Paris und stolz darauf.

ORF.at: Im Duell gegen den Belgier Vansevenant behielten Sie dann souverän die Oberhand.

Eisel: Wim fuhr im Zeitfahren schon auf dem letzten Gang, wollte wohl unbedingt Letzter werden. Mein Schaden soll das nicht sein. Ich vergönne es ihm, ist er doch ein ganz netter Kerl.

ORF.at: Mit fünf Etappensiegen darf Ihr Columbia-Team zufrieden sein?

Eisel: Bis auf das Bergtrikot führten wir sogar jede Wertung an. Für uns ist die Rundfahrt super gelaufen, besser als erhofft. Wir können uns nicht in irgendeiner Weise beschweren und sind glücklich. Das kann Bob (Stapleton, Anm.) nur bestätigen.

ORF.at: Was sagen Sie zur Leistung Ihres Namenvetters Bernhard Kohl?

Eisel: Meine Prognose vor dem Zeitfahren, dass er aufs Podium fahren würde, hat sich eindrucksvoll bestätigt. Meine Hochachtung. Das war großes Kino. Einen Kohl in dieser Form hatte sich niemand erwartet. Wirklich schön anzuschauen. Kohl hat für den österreichischen Radsport unglaubliches geleistet.

ORF.at: War ihre fünfte Tour de France zugleich die schwerste?

Eisel: Zumindest die schmerzhafteste. Aber ich habe es erneut nach Paris geschafft. Es ist immer das Gleiche: In der ersten Woche bin ich vom Tour-Virus gepackt, in der zweiten Woche frage ich mich, warum ich mir das angetan habe und in der dritten sage ich "nie mehr Tour de France". In Paris sind die Schmerzen plötzlich vergessen.

ORF.at: Inwiefern konnten Sie ihrem Team in Ihrem Zustand noch helfen?

Eisel: Ein paar Flaschen holen und Kim Kirchen so gut wie möglich aus dem Wind halten, das waren meine Aufgaben, die ich bis zum dritten Sturz noch erledigen konnte. Dann war es vorbei. Das Team hat sich auch nichts mehr erwartet. Für mich ging es nur noch ums Überleben.

ORF.at: Was war der bitterste Moment im Verlauf der vergangenen drei Wochen?

Eisel: Als ich bei der Abfahrt vom Croix de Fer vor lauter Müdigkeit noch einmal auf die Schnauze und aufs Steißbein gefallen, aber trotz größter Schmerzen weitergefahren bin. Im Nachhinein wäre besser gewesen, liegen zu bleiben, meine Koffer zu packen und zur Freundin nach Hause zu fliegen. Eine sinnlose Aktion.

ORF.at: So gesehen wird die Fahrt nach Paris auch für Sie zum Triumphzug?

Eisel: Das nicht. Ich werde es natürlich genießen, aber in Wahrheit ist für mich nur eine weitere Tour zu Ende und meine Arbeit erledigt. Zum Feiern ist mir nicht. Das können erfolgreiche Fahrer wie Bernhard Kohl. Und das mit Fug und Recht.

ORF.at: Welche Ambitionen haben Sie für den finalen Sprint auf den Champs-Elysees?

Eisel: Gar keine. Ich werde für Gerald Ciolek arbeiten, davor möglicherweise auch für Kim Kirchen, der sicher durch Paris kutschiert werden will, weil die Schlusskilometer schnell und gefährlich sind. Dabei darf ihm nichts mehr passieren. Beim Sprint lassen wir es dann zum letzten Mal krachen.

Das Gespräch führte Michael Fruhmann, ORF.at

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