"Stellungnahme folgt noch heute"

Kohl wird die Öffnung der B-Probe beantragen und sich zu den Dopingvorwürfen äußern.
"Krone"-Chefredakteur Michael Kuhns Versprecher bei der Sportlergala 2005 just in dem Moment, als er Ex-Profi Georg Totschnig die Trophäe für Österreichs Sportler des Jahres überreichte, entpuppt sich als düstere Prophezeiung: "Sie sind der erste und sicher der letzte Radfahrer, dem diese Ehre zuteilwird."

Bernhard Kohl, designierter Nachfolger von NHL-Star Thomas Vanek an der Spitze der heimischen Sportwelt (seine Kür zum Sportler des Jahres schien nur noch Formsache zu sein) wurde von der Top-Fünf-Liste 2008 vorsorglich wieder gestrichen. Österreich hat über Nacht eines seiner größten Sportidole verloren.

Positive A-Probe bei Tour de France
Der 26-Jährige soll, wie nun bekanntwurde, bei der Tour de France positiv auf das EPO-Nachfolgeprodukt CERA getestet worden sein. Das Ergebnis der A-Probe wurde am Montag verlautbart, Kohl in einem Schreiben der französischen Anti-Doping-Agentur darüber informiert.

Ein 20-seitiges Schreiben, das laut Kohl-Manager Stefan Matschiner erst übersetzt werden müsse, weil das labortechnische Französisch nicht verständlich sei und er deshalb noch gar nicht wisse, was darin zu lesen ist.

Am Montagnachmittag sei Kohl von der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA), die eine Kopie des Schreibens erhalten hatte, über den Inhalt informiert worden, wie NADA-Geschäftsführer Andreas Schwab bestätigte. Kohl hätte auf die Nachricht sehr gefasst reagiert. Er sei sich keiner Schuld bewusst, soll dieser in einer ersten Reaktion zu Schwab gesagt zu haben.

"Werden Öffnung der B-Probe beantragen"
"Wir werden die Öffnung der B-Probe innerhalb der vorgesehenen Frist beantragen und auch die Dokumentation der A-Probe aus Frankreich anfordern", sagte Matschiner gegenüber ORF.at am Dienstag. "Noch heute wird Bernhard eine offizielle Stellungnahme abgeben."

Sollte sich der Verdacht durch die B-Probe bestätigen, sind die drastischen Folgen absehbar. Dem Gesamtdritten und Bergkönig der Tour 2008 droht eine zweijährige Dopingsperre, der hoch dotierte Vertrag mit dem belgischen Spitzenteam Silence Lotto wäre obsolet, jeder einzelne Werbe- und Sponsoringvertrag die Mühe nicht wert gewesen.

Trainingspartner Eisel schockiert
"Ich kapituliere vor dieser kriminellen Energie. Ich bin gescheitert", sagte Gerolsteiner-Teamchef Hans Michael Holczer, Kohls bisheriger Arbeitgeber. Frech riet er dem Österreicher, die Hintermänner des CERA-Netzwerkes, zu dessen Kunden offenbar mehrere Stars im Peloton gezählt haben, offenzulegen.

Bernhard Eisel, Freund und Trainingspartner Kohls, ist vor den Kopf gestoßen. "Gestern hoffte ich noch, dass sich alles als böser Traum herausstellen, ich in der Früh aufwachen würde und nichts passiert wäre. Heute Morgen wurde ich eines Besseren belehrt. Ich bin schockiert", sagte der 27-jährige Columbia-Profi, wie Kohl in Klagenfurt wohnhaft, im Gespräch mit ORF.at.

"Das ist der Super-GAU. Wir haben noch keine Vorstellung von den dramatischen Konsequenzen, die eine positive B-Probe nach sich ziehen würde. Eine Katastrophe. Im Moment ist jedes Wort zu viel."

Gleich zweimal positiv auf CERA getestet?
Laut Informationen der französischen Sporttageszeitung "L'Equipe" war Kohl schon während der Tour aufgrund seiner besonders auffälligen Blutwerte im Visier der Kontrolleure. Nachträglich wurde er laut NADA-Chef Schwab gleich zweimal, vor (3. Juli) und während (15. Juli) der Tour de France, positiv getestet.

Der Niederösterreicher beteuert seine Unschuld. Wie sein Zimmer- und Teamkollege Stefan Schumacher, dem das gleiche Schicksal widerfuhr - positiv auf CERA, das neue "Wundermittel" im Radsport, bis dato nicht nachweisbar und hochwirksam. Den Fans stockt bei so viel mutmaßlicher Dreistigkeit das Blut in den Adern. Kohls Anwälte rotieren.

Unschuld oder Schadenersatzklagen?
Wie könnte Kohl seine Unschuld beweisen? Durch die Öffnung der B-Probe, wenn diese negativ, ist oder durch den Nachweis von Verfahrensfehlern, wie Schumacher in einer Stellungnahme bereits angekündigt hat. Das ist teuer und fruchtete schon bei Ex-Tour-Sieger Floyd Landis nicht, der immer noch prozessiert und derweil mit leeren Händen und Taschen dasteht.

Ungemach könnte Kohl noch von anderer Seite drohen, von jenen in den Radsport involvierten Personen und Organisationen, die durch einen möglichen Dopingfall Kohl massiv geschädigt würden. Schadenersatzklagen wären denkbar. Und sie hätten eine reelle Chance auf Erfolg.

Michael Fruhmann, ORF.at

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