Kohl legt Karten auf den Tisch

"Kein systematisches Doping bei Gerolsteiner".
Bernhard Kohl hat sich am Mittwochabend als Dopingsünder geoutet. In einem kurzfristig einberufenen Exklusiv-Mediengespräch auf dem Flughafen Wien-Schwechat gab der 26-jährige Gesamtdritte und Bergkönig der Tour de France 2008 zu Protokoll, vor der Frankreich-Rundfahrt das Blutdopingmittel CERA verwendet zu haben.

"Eine Woche nach Ende der Dauphine bis kurz vor Beginn der Tour de France", bekannte Kohl, von Weinkrämpfen geschüttelt. Auf die Öffnung der B-Proben wird er verzichten "und meine Strafe absitzen. Ich habe sie verdient, wie hoch sie auch sein mag. Ich bitte die Öffentlichkeit, mir meinen Fehler zu verzeihen. Ich habe im entscheidenden Moment leider versagt."

"Verfahren wird umgehend eröffnet"
ÖRV-Präsident Otto Flum, der neben Kohl Platz genommen hatte, sagte in seiner ersten Reaktion: "Ich bin froh, dass Bernhard diesen Schritt gemacht hat, nicht zaudert, sondern seine Schuld offen eingesteht. Das Verfahren wird nun umgehend eröffnet, wir werden keinen Weg von unserem rigorosen Kurs abweichen. Als Mensch wünsche ich Bernhard für die Zukunft alles erdenklich Gute."

Der sportlich aufstrebende Niederösterreicher war, wie Nachuntersuchungen des Pariser Dopinglabors Chatenay-Malabry ergaben, am 3. und 15. Juli in den A-Proben positiv auf CERA getestet worden. Kohl droht eine zweijährige Dopingsperre. Das Sportgerichtsverfahren obliegt der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA).

"In Ausnahmesituation schwach geworden"
Kohl legte die Beweggründe für sein Dopingvergehen offen: Das Jahr sei für ihn nicht erfolgreich verlaufen, seine Form noch bei der Dauphine Libere ("Nach meinem insgesamt sechsten Sturz war ich am Boden") katastrophal gewesen, erklärte Kohl. "Zwischen Dauphine und Tour werden normal schon Verträge gemacht. Ich hatte überhaupt keine Anfragen."

Er zitterte um seine sportliche Karriere. "Ohne gute Leistungen und Spitzenergebnis bei der nahenden Frankreich-Rundfahrt hätte ich keinen neuen Vertrag bekommen." Von seiner Topform ("Ohne kann man die Tour nicht einmal zu Ende fahren") war er meilenweit entfernt. Diese quälende Ungewissheit habe ihn schwach werden lassen.

"Ich bin der Versuchung erlegen, weil der auf mir lastende Erfolgsdruck unglaublich groß gewesen ist. Ich bin nur ein Mensch und wie viele Menschen in einer Ausnahmesituation schwach geworden." Er wolle sich nicht rechtfertigen, sagte Kohl, "nur meine Motivation zu diesem Schritt offenlegen. Ich bin der Schuldige, ich habe gedopt, da gibt es keine Ausreden."

"Werde die Hintermänner nennen"
Kohl sprach von erstmaligem Dopingmissbrauch ("Aber wer glaubt schon einem überführten Sportler? Damit muss ich leben"). Schon des Öfteren sei er davor auf unlautere Mittel angesprochen, diese ihm angeboten ("Nicht aus meinem Umfeld") worden, "aber zum ersten Mal habe ich davon tatsächlich Gebrauch gemacht".

Die mentale Belastung seit Bekanntwerden der Nachweisbarkeit von CERA sei unerträglich geworden. "Ich ahnte, dass ich auffliege, war gebrochen, weil mir bewusst wurde, dass ich mein Umfeld betrogen hatte. Aber solange man nicht definitiv überführt ist, hofft man, irgendwie aus dem Schlamassel zu finden. Nun konnte ich nicht mehr anders, als an die Öffentlichkeit zu gehen."

"Ich will nun endlich wieder der Bernhard Kohl sein, der ich davor war, als den mich meine Freunde und Fans kennen", beteuerte der Wolkersdorfer. Die Hintermänner wolle er noch nicht nennen ("Ich werde sie im Zuge des Sportgerichtsverfahrens und zu gegebener Zeit preisgeben").

Entschuldigung bei Holczer
Weiters stellte Kohl ("Ich liebe den Radsport, auch wenn er eine unendliche Schinderei ist") unmissverständlich klar: "Im Gerolsteiner-Team hat es zu meiner Zeit kein systematisches Doping gegeben, Hans (Manager Hans-Michael Holczer, Anm.) wusste von gar nichts."

"Hans kämpfte vehement gegen Doping. Deshalb tut es mir besonders leid, ausgerechnet ihn enttäuscht haben." Holczer habe versucht, einen Weg aufzuzeigen, "wie es anders gehen könnte, aber auch ich habe ihn enttäuscht. Er und meine Kameraden müssen meine Fehler nun ausbügeln."

Des Dopingproblems könne man kaum Herr werden, ergänzte Kohl. Oder nur schwierig, "denn solange Sportler glauben, unentdeckt zu bleiben, werden sie darauf zurückgreifen". Doping sei ein Strukturproblem. "Wir leben in einem System der Dopingförderung. Sportler, Radfahrer werden ausgewechselt, aber das System dahinter bleibt gleich. Das müsste sich ändern."

Michael Fruhmann, ORF.at

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