Anlass für seinen Rückzug sei die berufliche Auslastung als Generaldirektor-Stellvertreter der Österreichischen Lotterien, die ein angemessenes Engagement als ÖFB-Chef unmöglich mache.
Mit den jüngsten Misserfolgen der Nationalmannschaft habe seine Entscheidung nichts zu tun. "Es wäre auch dann nicht anders gelaufen, wenn wir in der WM-Qualifikation mehr Punkte gemacht hätten."
Doppelbelastung zu groß
Der berufliche Stress in den Lotterien war offenbar zu groß. "Nach der EM habe ich begonnen nachzudenken, ob ich das alles zeitlich noch schaffe, weil bei den Lotterien eine schwierige Phase begonnen hat", erklärte Stickler, dessen Unternehmen sich im Moment in einer Phase der Neustrukturierung befindet.
Er selbst habe mit dem Bereich Internet/Neue Medien ein neues Aufgabengebiet dazubekommen. "In den letzten Monaten hatte ich immer das Gefühl, dass ich die beiden Aufgaben nicht unter einen Hut bringen kann."
Warme Mahlzeit und Kritik
Das ließ in Stickler die Erkenntnis reifen, "dass der ÖFB keinen ehrenamtlichen Präsidenten verträgt, außer er ist sehr wohlhabend und dadurch nicht von den Einnahmen aus seinem Beruf abhängig, oder er ist in Pension. Das war für mich die Grundlage meines Entschlusses."
Deshalb sei der Rücktritt die logische Konsequenz gewesen. "Bei meinem Unternehmen verdiene ich mein Geld, beim Fußball bekomme ich hin und wieder eine warme Mahlzeit und manchmal auch Kritik."
"Nie an meinem Tischbein gesägt"
Kritik der Öffentlichkeit oder der Präsidiumsmitglieder sei für seine Entscheidung aber nicht ausschlaggebend gewesen. Den Gegenwind aus den Medien habe er - zumindest teilweise - verstanden, und mit den Landespräsidenten gab es laut Stickler nie gravierende Probleme.
"Wir hatten im Präsidium Auseinandersetzungen, aber es war immer eine ausgezeichnete, konstruktive Stimmung, und es ist nie an meinem Tischbein gesägt worden", beteuerte der 59-Jährige. Nachdem er dem Präsidium am Freitagabend seinen Entschluss mitgeteilt hatte, bekam Stickler nach eigenen Angaben den Eindruck vermittelt, "dass im Präsidium tiefe Betroffenheit geherrscht hat".
Abgang mit erhobenem Haupt
Stolz vermeldete der scheidende ÖFB-Boss, dass sein Nachfolger einen wirtschaftlich gut aufgestellten Verband übernehmen kann.
"Ich übergebe einen finanziellen und gut geordneten ÖFB. Ich ziehe mich mit einem gewissen Stolz und erhobenen Hauptes von diesem Posten zurück."
Von Hickersberger enttäuscht
Der Zeitpunkt des Abschieds war überraschend, wie Stickler auch selbst zugab. "Aber der Zeitpunkt wäre immer schlecht gewesen."
Schon nach der EM habe er mit einem Rücktritt spekuliert, doch dann kamen ihm der Abgang von Josef Hickersberger und die daraus resultierende Teamchefsuche dazwischen. "Hickes" Handlungsweise liegt Stickler ("Ich bin von ihm persönlich enttäuscht") noch heute im Magen, für ihn sei es ein "Wortbruch" gewesen, "denn wir waren uns per Handschlag über die Vertragsverlängerung vollkommen einig".
Rückblickend sei der Abschied von Hickersberger einer der schwierigsten Momente seiner sechs Jahre und sieben Monate währenden Amtszeit gewesen.
Das unglückliche Timing bei der Bestellung des ehemaligen Rapid-Meistermachers im Herbst 2005 unmittelbar vor einem Champions-League-Spiel der Hütteldorfer verteidigte der Wiener. "Das war eine No-win-Situation, weil die Liga an diesem Tag ihre Sitzung hatte und Hickersberger als Teamchef vorgeschlagen hätte, und dann hätte es so ausgesehen, als ob mir ein Kandidat aufs Auge gedrückt worden wäre."
Krankl hätte früher gehen sollen
Selbstkritik zeigte Stickler hingegen bezüglich der Verlängerung des Vertrags von Hans Krankl nach der verpassten Qualifikation für die EM 2004. "Damals wäre ein Schnitt und eine Verjüngung der Mannschaft möglich gewesen."
Auch beim misslungenen Rekrutierungsversuch von Steffen Hofmann für das ÖFB-Team im Sommer 2005 gab er Fehler zu. "Da hatten wir zwar die mündliche Zusage des FIFA-Präsidenten, aber wir sind dann an den FIFA-Statuten gescheitert. Das betrachte ich als persönliche Niederlage."
Verlieren ist nicht lustig
In Sticklers Amtszeit wurden die Qualifikationen für die EM 2004 und die WM 2006 nicht geschafft, auch in den Freundschaftsspielen setzte es viele Niederlagen. "Wir mussten ein Team für die EM formen, aber trotzdem ist es nicht lustig, wenn man so viele Spiele verliert", gab Stickler zu.
Kritik an Teamspielern
Sein Ärger über die jüngsten Ergebnisse gegen die Färöer (1:1) und Serbien (1:3) ist noch nicht verraucht. "Vielleicht nimmt der eine oder andere die Einberufung ins Nationalteam nicht ernst genug, vielleicht besteht ein Motivations- oder Identifikationsproblem, vielleicht muss man sich von dem einen oder anderen trennen", mutmaßte der nunmehrige Ex-ÖFB-Präsident.
Stickler stieß auch die im November in letzter Sekunde ("Vielleicht fehlt im österreichischen Fußball der Killerinstinkt, den Sack zuzumachen") verpasste Teilnahme an der U21-EM sauer auf. "Aber da haben die Spieler nachher wenigstens in der Kabine geweint. Das habe ich bei der Mannschaft nicht gesehen, die nach dem 1:1 gegen die Färöer heimgeflogen ist."
Die Kritik einiger Spieler an der Organisation der Rückreise aus Torshavn habe ihn "persönlich getroffen, weil sie zeigt, dass die Spieler Gründe bei anderen, aber nicht bei sich selbst gesucht haben".
Positives im Nachwuchsbereich
Die Highlights seiner Amtszeit waren der Zuschlag und die erfolgreiche organisatorische Abwicklung der EM 2008 sowie Achtungserfolge auf Junioren-Ebene wie etwa der vierte Platz bei der U20-WM 2007 in Kanada.
Letzteres sei auf die "Challenge 08"-Initiative zurückzuführen, die Stickler als "mein Projekt" bezeichnete. "Das rechne ich mir wirklich an. Im Nachwuchsbereich ist viel geschehen."
Der gemeinsam mit der Liga entwickelte Österreicher-Topf ist für Stickler sogar besser als das von der FIFA forcierte, aber rechtlich fragwürdige "Homegrown"-Projekt. "Österreich muss weiterhin alles daransetzen, sich als Ausbildungsland zu entwickeln", forderte der 59-Jährige.
Kritik an Brückner "zu emotional"
Am Samstag verabschiedete sich Stickler telefonisch von Teamchef Karel Brückner, den er einmal mehr verteidigte. "Die Kritik an ihm kam zu schnell und zu emotional. Er ist einer der besten europäischen Trainer, man muss ihm für diese Aufgabe schon ein bisschen Zeit geben."
Svetits als "böser Geist"
Zum Abschluss ließ es sich Stickler nicht nehmen, heftige Kritik an Magna-Wr.-Neustadt-Sportdirektor Peter Svetits zu üben.
"Er ist der böse Geist im österreichischen Fußball, man wäre gut beraten, ihn von allen Funktionen fernzuhalten. Er vertritt nur seine eigenen Interessen beziehungsweise die einer ihm nahestehenden Gruppierung. Ich glaube nicht, dass er irgendwann etwas Gutes für den österreichischen Fußball entwickelt hätte."
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