"Das falsche Signal"

"Vollkommen egal, ob man wie ich sehr viel oder gar nichts sagt".
Österreichs gefallener Tour-Held Bernhard Kohl, der von der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) am Montag für zwei Jahre gesperrt wurde, geht in die Offensive. Im Interview mit ORF.at spricht der 26-jährige Wolkersdorfer über das falsche Signal, die voreilige Urteilsfindung und seine enttäuschte Hoffnung.

ORF.at: Was sagen Sie zu Ihrer zweijährigen Dopingsperre?

Kohl: Ich bin maßlos enttäuscht. Über das Urteil und auch darüber, wie es zustande gekommen ist. Es ist das falsche Signal und die falsche Richtung, in die sich der Sport durch diese Entscheidung bewegt.

ORF.at: Warum in die falsche Richtung?

Kohl: Weil es scheinbar egal ist, ob man nichts sagt oder alles zugibt und sehr detaillierte Infomationen gibt. Nicht nur über meinen Fall, sondern auch über andere Dinge. Wertvolle Informationen, die den Kampf gegen Doping sicher voranbringen werden.

ORF.at: Welche Strafe hätten Sie erwartet?

Kohl: Eine mildere. Hätten sie die Sperre nur um einen Tag reduziert, um damit ein Zeichen zu setzen, so hätte ich in meiner Offenheit einen Sinn erkannt. Dem war nicht so. Vielmehr wurde der Anti-Doping-Kampf um Jahre zurückkatapultiert, weil offensichtlich kein Interesse an Aufklärung besteht.

ORF.at: Was haben Sie zu Protokoll gebracht?

Kohl: Ich habe aufgezeigt, wie ich an die Dopingmittel gekommen bin. Und ich bin sicher nicht der Einzige, der auf diese Weise zu CERA gelangt. Von daher könnten meine Aussagen sehr wertvoll und hilfreich sein. Das wurde in keiner Weise gewürdigt.

ORF.at: Waren Sie über die rasche Urteilsfindung überrascht?

Kohl: Die NADA-Kommission kann meine Aussagen natürlich frei interpretieren, aber mit einer Entscheidung noch heute hätte ich nicht gerechnet. Sie fiel innerhalb einer halben Stunde. So schnell konnten die Herren meine Aussagen nicht einmal durchgelesen haben.

ORF.at: Wie werden Sie auf dieses Urteil reagieren?

Kohl: Alles ging so schnell, zu schnell. Ich muss mich erst organisieren und werde dann meinen Standpunkt, meine Meinung zur Vorgehensweise der NADA detailliert offenlegen. Fest steht schon jetzt, dass dem Sport damit enorm geschadet wurde.

ORF.at: Fest steht auch, dass Ehrlichkeit unbelohnt blieb.

Kohl: So ist es. Ich hatte nicht den Plan, in einem halben Jahr wieder Rad zu fahren, aber ich hoffte auf ein gewisses Entgegenkommen, weil ich sagte, was ich weiß, und damit meinen Part wie angekündigt erledigt habe, wie ich glaube.

ORF.at: Was werfen Sie der NADA konkret vor?

Kohl: Dass sie an Aufklärung nicht interessiert ist. Denn würde sie Dopinghintergründe aufdecken wollen, müsste sie einen Anreiz für weitere Sportler schaffen, indem sie Offenheit honoriert. In Wahrheit ist vollkommen egal, ob man wie ich sehr viel oder gar nichts sagt. Diese Erkenntnis ist erschütternd.

ORF.at: Bereuen Sie Ihr Geständnis im Nachhinein?

Kohl: Nein, das wäre nicht meine Art. Ich bin überzeugt davon, dass es für mich der richtige und der einzige Weg war. Auch für die Öffentlichkeit. Nur für die NADA war es scheinbar der falsche.

ORF.at: Werden Sie in den Radsport zurückkehren?

Kohl: Das weiß ich nicht. Ebenso wenig, wie ich es vor dem Urteil wusste. Ich habe zwei Sponsoren, die mich unterstützen, und somit die Möglichkeit, auch zwei Jahre Pause finanziell zu überstehen. Meine Rückkehr ist denkbar, aber nicht beschlossen.

Das Gespräch führte Michael Fruhmann, ORF.at

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