Jan Boklöv gewann am 10. Dezember 1988 in Lake Placid das erste Weltcup-Springen im V-Stil. Was danach folgte, ist Skisprunggeschichte.
Überlegener Weltcup-Sieg
Boklöv gewann in dieser Saison vier weitere Weltcup-Springen und flog insgesamt 18-mal in die Top Ten. Überlegen kürte sich der damals 22-Jährige vor dem Deutschen Jens Weißflog zum Gesamtsieger.
"Man braucht nicht mehr zu fragen, ob sich der Stil durchsetzen wird. Jan Boklöv ist Weltcup-Sieger, also hat er sich bereits durchgesetzt", kommentierte der damalige ÖSV-Springerchef Toni Innauer die Revolution.
Zufall führt Regie
Eigentlich stand Boklöv keine allzu große Skisprungkarriere bevor. Die Weltcup-Saison 1986/87 beendete der 1,69 m große Mechaniker aus Örnsköldsvik mit zwölf Punkten auf dem 45. Rang.
Wie so oft in der Geschichte des Sport führte dann aber der Zufall Regie. Bei einem Trainingssprung geriet Boklöv ins Trudeln. Um einen Sturz zu vermeiden, nahm der Schwede die Beine auseinander und segelte ein paar Meter weiter zur sicheren Landung.
Durch die gespreizten Skier bot der Springer dem Aufwind in der Flugphase eine größere Angriffsfläche und konnte fortan die weitesten Sprünge im Feld stehen. Nach dieser Entdeckung begann Boklöv an dem Stil, der damals noch Froschstil oder auch Boklöv-Schere genannt wurde, zu feilen. Der V-Stil war geboren.
Hohe Punkteabzüge für Stilbruch
Anfangs sorgte die "unmögliche" Art, den Sprunghang hinabzusegeln, freilich noch für Belustigung bei Zuschauern und der Konkurrenz.
Allen voran wehrte sich aber der Skiweltverband (FIS), besonders der Präsident des Skisprungkomitees, der Norweger Torbjörn Yggeseth, gegen diesen "Bruch mit der Skisprungtradition".
Die Sprungrichter wurden angehalten, die revolutionäre Sprungtechnik des kleinen Schweden mit drastischen Punkteabzügen zu bestrafen. Statt 19 oder 19,5 Punkten bekam Boklöv zu Beginn nur 14 oder 15 Zähler bei der Haltungsnote.
Aktive bringen Umschwung
Trotzdem war sein Erfolg nicht mehr aufzuhalten. Im Gegensatz zur FIS sprachen sich nämlich immer mehr Aktive für den neuen Sprungstil Boklövs aus.
"Er sollte eigentlich bessere Noten bekommen. Man geht mit ihm etwas zu extrem ins Gericht", meinte etwa Ex-Weltmeister Andreas Felder, der die Saison 1988/89 abgeschlagen auf dem 14. Platz beendete.
Auch Ernst Vettori, der sich als bester ÖSV-Springer auf dem achten Endrang platzierte, erkannte die Zeichen der Zeit: "Man soll eine neue Technik nicht aufhalten. Ich bewundere Jan für seinen Mut."
Durchbruch in Olympiasaison
Es dauerte aber noch bis zur Olympiasaison 1991/92, bis sich der neue Sprungstil durchsetzen konnte. Die Boklöv-Schere wurde nur noch mit 0,5 Punkten Abzug bestraft. Im Jahr darauf wurde der V-Stil endgültig akzeptiert und dem Parallelstil gleichgestellt.
Für viele Routiniers kam allerdings eine Umstellung auf den neuen Stil, der größere Weiten ermöglichte, nicht mehr infrage. Andere Spitzensportler konnten nie wieder an ihre Leistungen anknüpfen.
Acht Springer weiter vorne dabei
Insgesamt nur acht Springern schafften es, in beiden Stilen zu gewinnen. Neben Vettori, dem dieses Kunststück als erster Athlet am 2. Dezember 1991 in Thunder Bay gelang, trugen sich noch die ÖSV-Springer Felder mit vier Siegen, Heinz Kuttin und Stefan Horngacher in die Siegerlisten ein.
Auch der Italiener Roberto Cecon und der Finne Ari-Pekka Nikkola standen noch einmal ganz oben auf dem Podest.
Boklöv selbst blieben seine fünf Weltcup-Siege aus seiner Pionierzeit in der Saison 1988/89. Nach der Revolution, die er mit dem V-Stil eingeläutet hatte, verschwand der Schwede wieder in der Mittelmäßigkeit.
Wolfgang Rieder, ORF.at
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