Dem Abschied sah der 38-Jährige, der wie kaum ein anderer polarisiert hatte, im Vorfeld der Partie gelassen entgegen: "Irgendwann ist man einfach froh, dass es dann auch mal vorbei ist. Das letzte Jahr war eines der anstrengendsten, denn es war mir wichtig, dass es ein positives wird."
Jede Menge Titel
Und positiv war es allemal. Obwohl die Bayern im UEFA-Cup-Halbfinale am späteren Sieger Zenit St. Petersburg scheiterten, durfte sich Kahn über das Double freuen. Damit erhöhte der "Titan" sein Meisterkonto auf acht und die Zahl seiner Pokaltitel auf sechs Stück.
Hinzu kommen der Sieg in der Champions League im Finale gegen Valencia im Jahr 2001, an dem er mit seinen Paraden maßgeblich beteiligt war, der Titel im UEFA-Cup 1996 und der Sieg im Weltpokal 2001. Überdies wurde er 1999, 2000 und 2001 zum Welttorhüter gewählt.
"Wir hätten niemals die Champions League ohne seine Leistungen, seinen Charakter und seine Einstellung abseits des Rasens gewonnen. Er ist definitiv unser wichtigster Spieler im letzten Jahrzehnt", streute Vizepräsident Karl-Heinz Rummenigge Kahn Rosen.
Menschlicher Fehler im WM-Finale
Einzig der WM-Titel blieb dem 86-fachen Internationalen verwehrt. Dass er ausgerechnet bei der 0:2-Niederlage im Finale vor sechs Jahren gegen Brasilien patzte, ist zwar ein Makel in seiner beispiellosen Karriere, doch andererseits machte es den lange Zeit ebenso unnahbaren wie unantastbaren "King Kahn" auch ein wenig menschlicher.
"Die WM 2002, bei der er als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet wurde, ist untrennbar mit seinen einzigartigen Leistungen verbunden. Natürlich wird aber auch immer der Fehler im Finale in Erinnerung bleiben. Andererseits ist vielleicht gerade durch diese Schwäche sein Sympathiewert bei vielen Fans zusätzlich gestiegen", sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger.
Beleidigt und beschimpft
Ein Wert, der allerdings durch seinen offen zur Schau gestellten Ehrgeiz mit geballter Faust und verzerrten Gesichtszügen und seine teils fragwürdigen Aktionen und Verbalattacken gegenüber Mit- und Gegenspielern nicht immer der höchste war. Wo er früher aber beschimpft und beleidigt wurde, wurde Kahn auf seiner Abschiedstour frenetisch bejubelt.
"Das ist schon lustig. Während meiner ganzen Karriere hatte ich aufgrund meiner Einstellung nicht den besten Ruf, aber jetzt, wo ich vor meinem Karriereende stehe, nennen sie mich alle einen Helden", war Kahn doch ein wenig verwundert.
Herzog geschüttelt, nicht gerührt
Auch der frühere ÖFB-Internationale Andreas Herzog kam in seinem einzigen Jahr bei den Bayern in den Genuss Kahn'scher Wutausbrüche. Nach einem Fehler des Österreichers in der Deckungsarbeit im Spiel beim VfB Stuttgart flippte Kahn aus. Herzog war von dieser Aktion mehr geschüttelt als gerührt, verzieh dem Goalie aber Jahre später dessen Ausraster.
"Eigentlich ist der Olli ein netter Kerl. Hätte ich auf ihn gehört, dann hätte ich mich vielleicht bei den Bayern durchgesetzt. Er war einer der wenigen, die mir geraten haben: 'Bleib bei den Bayern, im ersten Jahr haben alle Probleme'", sagte Herzog in einem Interview.
Beißattacke gegen Herrlich
Auch der Deutsche Heiko Herrlich kann ein Lied von Heißsporn Kahn singen. Den ehemaligen Dortmunder versuchte Kahn 1999 in einem Bundesliga-Spiel sogar zu beißen. Im fortgeschrittenen Fußballeralter schmunzelte Kahn aber selbst über seine aufsehenerregenden Eskapaden.
Aber nicht nur Herzog und Herrlich ("Er war und ist ein Weltklassemann") haben Kahn seine Aktionen verziehen, auch Dauerrivale und Intimfeind Jens Lehmann war bemüht, das Kriegsbeil zum Ende von Kahns Karriere zu begraben.
Dauerrivale Lehmann
Lehmann verdrängte Kahn auf Entscheid von DFB-Coach Jürgen Klinsmann ausgerechnet vor der WM 2006 in Deutschland als Einsergoalie. Kahn rückte mit Zähneknirschen, aber letztlich freiwillig in die zweite Reihe und war als Ersatztormann mit von der Partie.
"Bei aller Rivalität muss ich sagen, dass mir deine Einstellung immer imponiert hat", sagte Lehmann. Kahn entgegnete ebenfalls versöhnlich: "Es wurde immer viel darüber geredet, wie schlecht unser Verhältnis war. Ganz so war das sicherlich nicht. Wir haben uns auf einem Leistungsniveau gegenseitig immer weiter nach oben gepusht. Letztendlich war das für uns beide förderlich."
Kahn muss sich "neu entdecken"
Der Zukunft sah Kahn zum Karriereende auf jeden Fall positiv entgegen: "Jetzt werde ich mein neues Leben leben, in dem ich mich aber selbst neu entdecken werde müssen. Aber natürlich wird es ungewohnt, nicht jeden Samstag und Mittwoch ein Spiel zu bestreiten."
Dem Fußball blieb Kahn erhalten: Seit September analysiert und bewertet er als TV-Experte die Länderspiele Deutschlands. Sorgen über seine Nachfolger im Tor der Bayern und des DFB-Teams machte er sich nicht: "Der König ist tot, es lebe der König."
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