Für das Publikum an der Strecke und die Zuschauer der TV-Liveübertragung im ORF war Albrechts Unfall ein schreckliches Deja-vu.
Genau wie der US-Amerikaner Scott Macartney vor einem Jahr verlor der 25-jährige Kombiweltmeister beim Zielsprung die Kontrolle. Bei einer Geschwindigkeit von fast 140 km/h geriet er in Rücklage und schlug aus gut vier Meter Höhe ungebremst mit dem Rücken auf die Piste. Nach mehreren Überschlägen blieb er kurz vor der Zieldurchfahrt regungslos liegen. Nach gut 20 Minuten notärztlicher Versorgung wurde Albrecht per Helikopter abtransportiert.
Entschärfung brachte nichts
Nach dem Macartney-Unfall im Vorjahr hatte die Rennleitung auf die heftige Kritik reagiert und den Zielsprung in diesem Jahr wieder deutlich gekennzeichnet. Die Stelle hat einen schanzenartigen Absprung und ist durch ein Richtungstor klar markiert.
"Wir haben alles Mögliche getan. Wir können nicht alles rausnehmen und ändern", sagte der deutsche FIS-Renndirektor Günter Hujara.
Schranz: "Kitz keine Springertournee"
Die österreichische Skilegende Karl Schranz sprach sich hingegen für eine völlige Entschärfung des Zielsprungs aus. "Es ist nicht notwendig, dass am Ende einer so anstrengenden Abfahrt auch noch ein schwieriger Sprung zu bewältigen ist. Kitzbühel ist ja keine Springertournee", sagte der 70-Jährige.
Obwohl außer Albrecht und dem Deutschen Andreas Strodl (der bei seinem Sturz unverletzt blieb) alle anderen Läufer problemlos über den Sprung kamen, plädiert Schranz dafür, den Sprung noch mehr zu entschärfen. Und zwar so, dass die Läufer maximal einen Meter abheben.
Auch in Wengen habe man mit einer jahrzehntelangen Tradition gebrochen und das Ziel-S entschärft. "Zuerst haben sich alle darüber aufgeregt. Aber ich bin überzeugt, dass es ohne diese Maßnahme sicher wieder Unfälle gegeben hätte", ist der zweifache Weltcup-Gesamtsieger überzeugt.
Walchhofer mit mehr Glück
Im ersten Training am Mittwoch konnte ÖSV-Star Michael Walchhofer an der gleichen Stelle nur mit Mühe einen Sturz vermeiden. Walchhofer hatte ähnlich wie Albrecht "Unterluft", die Ski dann aber noch rechtzeitig unter Kontrolle bekommen.
Vor dem Abschlusstraining hatte Walchhofer den Sprung nach eigenen Angaben noch mit Albrechts Teamkollegen Didier Cuche diskutiert: "Wir haben geredet, dass der Zielsprung ein bisserl eine Nase hat. Wenn du da nicht hundertprozentig drüber bist, dann bekommst sofort Luft. Das ist fatal. Cuche wollte es bei der Besichtigung ein bisserl abrutschen und ist vom Schanzenmeister belächelt worden."
Cuche belächelt
Cuche erläuterte das: "Ich habe diskutiert, ob man da nicht ein paar Zentimeter wegnimmt. Ich habe gesagt, der Sprung steigt, da hat der Typ gegrinst, da habe ich ihm erklärt, der Tisch muss flach sein. Der Sprung, ob er jetzt perfekt gebaut ist oder nicht, ist immer giftig. Wenn man da ein bisschen Rückenlage hat, dann bekommt man so viel Druck unter dem Ski, genau wie es Dani passiert ist."
Er habe die Fahrt Albrechts mitverfolgt und den Sturz gesehen. "Ich wusste, einer wie Dani wird hier gut fahren, dem kann man zuschauen. Eine Schrecksekunde für mich. Aber Kitzbühel ist einfach eine brutale Strecke, man muss das so schnell wie möglich wegstecken."
In den Tagen zuvor hatten Fahrer und Trainer die Streif allerdings noch einhellig gelobt. Der Schweizer Didier Defago meinte: "Jeder Sprung ist mit einem Tisch gebaut, so dass wir genau wissen, wo wir in die Luft gehen."
Lanzinger nachdenklich
Als auf der Leinwand im Zielraum der Albrecht-Sturz zum dritten Mal eingespielt wurde, hatte sich Matthias Lanzinger längst weggedreht. Der 28-jährige Salzburger besichtigte am Donnerstag auf Skiern die Streif - zehneinhalb Monate nach seinem schweren Unfall im Kvitfjell-Super-G, nach dem er seinen linken Unterschenkel verloren hatte.
Zu Albrecht meinte er nachdenklich: "Stürze wird es immer wieder geben. Es ist ein Zirkus, eine Show. Und wir sind die Akteure. Wir können nur versuchen, solche Sachen auszumerzen, aber wir dürfen den Sport nicht totmachen."
Kröll verdrängt Gefahr
Klaus Kröll, als Trainingsdritter hinter Bode Miller (USA) und Cuche schnellster Österreicher, schaut am Start nicht mehr zu. Den Albrecht-Sturz bekam er nur mit, weil die Leute aufschrien.
"Wenn wer schreit, kennst du dich eh gleich aus. Man versucht, das so gut wie möglich wegzublenden. Wenn sich das im Hinterkopf einbrennt, dann fährt man da nicht mehr so runter." Der Zielsprung sei kein Problem gewesen, meinte der Steirer, der sich vor einer Woche bei einem schweren Sturz in Wengen Handverletzungen zugezogen hatte und mit einer Spezialschiene fährt.
Hansi Hinterseer: "Der Sport ist brutal"
Neben Schranz meldete sich mit Hansi Hinterseer auch ein weiterer ehemaliger ÖSV-Fahrer zu Wort. "Wenn so etwas passiert, dann tauchen immer die Fragen auf - wie schnell, wie weit, wie hoch?", meinte der bald 55-jährige Kitzbüheler, der mittlerweile als Gesangsstar Karriere gemacht hat.
Man dürfe nie vergessen, dass die Fahrer eben nur mit zwei "Brettln" unterwegs seien. "Der Sport ist brutal, die Abfahrt ist immer eine Gratwanderung. So etwas tut weh", sagte der Riesentorlauf-Vizeweltmeister von 1974.
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