Binnen einer Woche gewann er in dieser Saison die wohl wichtigsten Abfahrten des Weltcup-Winters auf dem Lauberhorn in Wengen und der Streif in Kitzbühel, die seinen Vorstoß in die Weltspitze markierten. Den Glauben an sich und sein Potenzial hatte Defago nie verloren.
Über die Momente seiner sportlichen Karriere sagte der 31-Jährige vor der WM-Abfahrt am Samstag (11.00 Uhr, live in ORF1 und im Livestream): "Siege sind immer am schönsten. Schon Gröden war speziell, auch Wengen, aber Kitzbühel war der Traum schlechthin." Dort zu gewinnen sei das Ziel jedes Skifahrers.
Eine Medaille muss her
Und doch blieb Defago auf dem Boden, wiewohl sein nächstes Ziel greifbar ist - "eine WM-Medaille". Defago bestreitet seine fünfte Weltmeisterschaft, Rang sechs in Bormio 2005 steht bisher als sein bestes Resultat in der Abfahrt zu Buche.
Vor zwei Jahren in Aare verpasste er eine Medaille als Vierter ("Das war meine größte Enttäuschung") in der Super-Kombination nur knapp. "Langsam wäre es also an der Zeit, Edelmetall nach Hause zu bringen", grübelt Defago, der sich mit 31 Jahren noch nicht auf dem Höhepunkt seiner Karriere fühlt.
Fernziel Sotschi 2014
Ziele gibt es zur Genüge. "Ich bin motiviert und wenn alles gutgeht, die Gesundheit mitspielt, die Resultate dafür sprechen, werde ich auch noch in Sotschi 2014 bei den Olympischen Spielen dabei sein." Bis dahin macht er weiter. "Siege geben Kraft und machen Lust auf mehr."
"Solange sich die Erfolge wie in dieser Saison einstellen, bin ich nicht bereit, meine Karriere zu beenden. Wenn ich mir Fahrer wie Cuche anschaue, der mit 34 zum Siegfahrer wurde, oder Walchhofer als 33-Jährigen und Büchel, der mit 37 Jahren so super drauf ist, kommt mir der Gedanke ans Aufhören gar nicht in den Sinn", so Defago.
Familienmensch Defago
Er liebe dieses Leben. Er liebe den Skisport. "Damit bin ich aufgewachsen." Die Ausbildung zum Hochbauzeichner absolvierte Defago damals nebenbei, sein erstes Skirennen bestritt er mit sechs Jahren. Im März 1996 feierte er 18-jährig sein Weltcup-Debüt in Hafjell (Norwegen) als 15. im Riesenslalom.
Der Skisport habe sein Leben schon immer dominiert. Einen Wintertag ohne könne er sich gar nicht vorstellen. "Egal wo ich bin, ich bin immer am richtigen Ort. Das ist super." Nach einer kurzen Gedankenpause: "Obwohl ich dann wieder froh bin, ein paar Tage bei meiner Familie verbringen zu können", bei Tochter Alexane und Ehefrau Marie ("Ihre Gesundheit ist mir am wichtigsten").
"Mein schönster Moment"
Denn trotz der sportlichen Erfolge, Defagos schönster Moment sei jener im Oktober 2007 gewesen, als er zum ersten Mal Vater wurde. "Die Emotionen dabei sind schwer zu erklären, vielleicht mit Kitz vergleichbar, wenn auch nicht ganz, denn die Geburt meiner Tochter war das bewegendste Erlebnis meines Lebens", schwärmt der in Morgins geborene Schweizer.
Seine Familie: ein Gedanke, der ihn ständig begleitet. "Ich freue mich schon auf das Heimfahren." Vor allem nach den stressreichen Tagen bei der WM. Defagos Kalender ist randvoll. Termine mit Sponsoren und Presse füllen die verbleibende Zeit neben Training, Massage und Essen.
"Das zu organisieren ist nicht einfach, denn irgendwann muss ich mich auf die Rennen vorbereiten." Von Vorteil sei freilich, dass der WM-Fahrplan bis dato eingehalten wurde, Verschiebungen ausblieben.
"Einfach cool bleiben"
Defago nimmt es aber locker, wie es kommt. "Ich versuche einfach, cool zu bleiben. Das gehört zu meinem Job. Und solange wir im Team gut zusammenarbeiten, sind die Aufgaben für jeden zu bewältigen."
Sollte er doch einmal die Geduld verlieren, so denkt er an seine Tochter, an seine Frau - oder ruft sie an, gibt es doch viel zu erzählen und zu besprechen. Das beherrschende Thema sei dabei aber selten die WM, "sondern unser zweites Kind, das wir im April erwarten".
Michael Fruhmann, ORF.at aus Val d'Isere
Links: