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©Bild: Norbert Sedlacek |
Nachdem er 2004 beim ersten Versuch wegen eines gebrochenen Heckkieljochs schon vor der Westküste Afrikas gescheitert war, sah Sedlacek nun als erster deutschsprachiger Segler überhaupt das Ziel.
42 Tage nach dem Sieger im Ziel
Obwohl der Sieger Michel Desjoyeaux bereits am 1. Februar in Les Sables angekommen war und für Sedlacek nur der elfte und letzte Rang blieb - der Zehnte kam einen Tag vor ihm ins Ziel -, sah sich der Wiener eindeutig als einer der Gewinner.
Im Interview knapp vor der Zielankunft zog der Segler eine erste Bilanz seines viermonatigen Abenteuers.
ORF.at: Herr Sedlacek, wie fühlen Sie sich?
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©Bild: Norbert Sedlacek |
ORF.at: "Jeder, der ins Ziel kommt, ist ein Sieger", so ein Zitat von Ihnen. Also sind Sie der elfte Sieger, der eben sechs Wochen nach dem ersten Sieger ins Ziel kommt. Kann man das so sagen?
Sedlacek: Das kann man absolut so sagen. Bei der Vendee Globe ist auch wichtig, dass man nicht aus den Augen lässt, dass hier drei Generationen von Booten am Start waren. Und wenn man meine Fahrzeit bis Sonntag, also diese 126 Tage, mit 1996 vergleicht, das war das Jahr, als dieses Boot erstmals für die Vendee registriert war, dann wäre das der fünfte Platz gewesen. Das ist also doch durchaus ein beachtlicher Erfolg, auch von der Fahrzeit her.
ORF.at: Dass Sie die "rote Laterne" innehaben, stört Sie nicht? Immerhin lag der Franzose Raphael Dinelli ja bis zuletzt nur knapp vor Ihnen.
Sedlacek: Wir sind nur knapp ein Etmal (die an einem Tag zurückgelegte Strecke, Anm.) auseinander. Ich habe in den letzten fünf Tagen fast 600 Meilen aufgeholt. Momentan leiden wir beide an einer sehr labilen Wetterlage. Das ist alles ein bisschen Taktieren und Kafeesudlesen, der Zieleinlauf wird auf jeden Fall eine knappe Sache.
ORF.at: Von den 30 gestarteten Booten haben es nur elf, also rund ein Drittel, wieder zurück zum Start- und Zielort geschafft. Sie haben Ihre "alte Dame", die "nauticsport-kapsch", sicher rund um die Welt gebracht. Also haben Sie die richtige Taktik gewählt?
Sedlacek: (lacht) Ja, die Taktik war richtig. Ich muss aber dazusagen, dass ich wirklich am Limit gesegelt bin, das sieht man ja auch an den Beschädigungen. Es ist einfach materialtechnisch bei den Karbonrümpfen und den Komposit- und Aluminiumjachten - also den Mischbauten, wie auch meine Jacht ist - ein enormer Unterschied.
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©Bild: Norbert Sedlacek |
ORF.at: Bei den Ausfällen der Konkurrenz hat es sich ja teilweise um recht dramatische Zwischenfälle gehandelt. Welche Gedanken sind Ihnen dabei durch den Kopf gegangen?
Sedlacek: Ich muss ehrlich sagen, das eine oder andere Mal zerdrückt man sogar ein paar Tränen um einen Skipper, den man kennt und der dann einen schweren Unfall hat, wie zum Beispiel Jean Le Cam vor Kap Hoorn (der Franzose kenterte und wurde nach 17 Stunden von seinem Landsmann Vincent Riou an Bord genommen, Anm.).
Auf der anderen Seite wissen wir alle, dass wir uns an einen Grenzbereich herantasten, wo auch die Technik ein gehöriges Wörtchen mitzureden hat. Somit sind derartige Zwischenfälle, wo zum Beispiel ein Kielballast verloren geht oder ein ganzer Kiel abreißt oder das Rigg verloren geht - so komisch das für einen Nicht-Nautiker klingen mag -, an der Tagesordnung. Bei Rennbooten kann es wegen der grenzwertigen Belastung immer passieren, dass derartige Schäden eintreten. Natürlich versucht man, ein paar Prozent Sicherheitsfaktor drinnen zu lassen, aber die Natur und die Technik reden halt auch ziemlich viel mit.
ORF.at: Wie waren denn die Bedingungen im Dezember und Jänner im Südpazifik? War das der schlimmste Teil der Strecke?
Sedlacek: Eigentlich nicht. Ich hatte zweimal wirklich schweres Wetter. Einmal am Ende des indischen Ozeans, wo es richtig "gekachelt" hat, und dann nach Kap Hoorn, bei den Falkland-Inseln. Das war zwar ein kurzer, aber sehr, sehr heftiger Sturm, wo sogar Orkanböen drinnen waren. Da wird man sich dann wieder seiner Kleinheit und - unter Anführungszeichen - Hilflosigkeit bewusst.
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©Bild: Norbert Sedlacek |
ORF.at: Aber am so gefürchteten Kap Hoorn ist es eher ruhig gewesen, oder?
Sedlacek: Richtig, vor dem Kap Hoorn war ein bisschen Flaute. Das Kap selbst habe ich dann bei rauem, durchaus lebhaftem Wind von rund fünf Windstärken und Nieselregen passiert.
ORF.at: Sie waren über 120 Tage auf dem Wasser, oft ist es dabei ziemlich rau zugegangen. Haben Sie viele blaue Flecken abbekommen?
Sedlacek: Klar, das lässt sich nicht vermeiden, überhaupt auf so einem Boot wie meinem. Da sind leider noch so manche Ecken und Kanten vorhanden. Man versucht halt, sich unter Deck möglichst vorsichtig zu bewegen, aber die eine oder andere Beule oder Zerrung bzw. ein eingeklemmter Finger oder Ähnliches lässt sich natürlich nicht vermeiden. Solche schmerzhaften Zwischenfälle sind bei rauem Wetter leider an der Tagesordnung.
ORF.at: Hat es sonst gröbere gesundheitliche Probleme gegeben?
Sedlacek: Grundsätzlich nicht. Wenn ich das selbst ein bisschen beurteilen darf, dann habe ich Eisen- und Zinkmangel. Das liegt daran, dass ich leider die zwei Medikamente dafür vergessen habe. Sonst habe ich zusätzlich Vitamine genommen, da wir ja nur entsalztes Wasser trinken. Die Hände zeigen ein paar Verschleißerscheinungen, sonst freue ich mich aber nur auf eine lange, heiße Dusche.
ORF.at: Wie war die psychische Anspannung? Über vier Monate allein auf ein paar Quadratmetern eingesperrt zu sein ist ja nicht jedermanns Sache.
Sedlacek: Die war und ist sehr, sehr groß. Vor allem so knapp vor dem Ziel mit der derzeitigen Wettersituation. Da steht man natürlich ständig unter Strom und tüftelt und ist nervös. Psychisch gesehen gibt es die Entspannung wirklich erst nach der Ziellinie. Da kann ich jetzt noch nicht sagen, wie es mir gehen wird.
Was mir aufgefallen ist, ist, dass ich schon jetzt sehr hohe emotionale Spitzen habe. Man freut sich über Kleinigkeiten. So hatte ich gestern eine Schiffsbegegnung mit einem Containerfrachter, wo man fast losheult, weil die Zivilisation wieder da ist. Man ist dann aber auch oft wegen Kleinigkeiten zutiefst betrübt und fällt in eine depressive Stimmung. Da merkt man schon, dass die Nerven jetzt ziemlich blank liegen.
ORF.at: Sie waren zu Weihnachten allein, Sie waren an ihrem Geburtstag allein - muss man ein Eigenbrötler sein, um sich die Vendee Globe anzutun?
Sedlacek: Eigenbrötler glaube ich nicht. Allerdings muss man in der Lage sein, sich selbst zu beschäftigen. Und man muss vor allem eine Perspektive haben, z. B. die Vendee Globe, wo man sagt: Darauf marschiere ich jetzt zu, wissentlich, dass es Entbehrung und das eine oder andere Mal auch Schmerzen oder Alleinsein geben kann. Wenn man blauäugig nur positiv an so ein Projekt herangeht, dann glaube ich, dass es psychisch im Desaster enden kann.
ORF.at: Eine Frage zum Boot: Segel kaputt, Verschleißteile gebrochen - wie sehr ist die materielle Auflösung an Bord fortgeschritten?
Sedlacek: Bei einigen Teilen ziemlich stark. Was wirklich havariert ist, ist der Motor. Die Maschine brauchen wir für die Stromerzeugung, wenn Solar oder Wind nicht ausreicht. Es funktioniert aber noch, ich habe ein Provisorium gebastelt.
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©Bild: Norbert Sedlacek |
ORF.at: Waren diese ständigen Rückschläge mit dem Material sehr frustrierend oder wurde eher Ihr Ehrgeiz beim Improvisieren angestachelt?
Sedlacek: (lacht) Da gibt es in der Regel drei Phasen. Die erste, wenn ein Teil kaputt geht, ist eine sehr schlimme, depresssive Phase. Dann bekommt man aber diesen Ehrgeiz zu schauen, dass das gemanagt wird. Da gibt es entweder einen Austausch oder einen Reparaturversuch. Im dritten Stadion ist man dann entweder euphorisch, wenn es geklappt hat, oder man ist für einige Zeit richtig zerknirscht, weil man einen Ausrüstungsteil für den Rest des Rennens abschreiben muss.
ORF.at: Wie waren Sie überhaupt mit Ihrer Jacht zufrieden?
Sedlacek: Gemessen an dem, wie alt das Boot ist und was es schon alles auf dem Buckel hat, bin ich wirklich happy, dass es im Großen und Ganzen so gehalten hat.
ORF.at: Noch einmal zum Psychischen zurück: Mitte Jänner hatten Sie eine Begegnung mit Ihrem Mitsegler Raphael Dinelli. Was sind das für Gefühle, wenn man plötzlich nicht mehr ganz alleine auf dem weiten Ozean ist?
Sedlacek: Es sind momentan fast ein bisschen unwirkliche Gefühle. Raphael und ich kennen uns ja von unserem Heimathafen, beide haben wir die Boote in Les Sables liegen. Es ist ein Freudengefühl, es sind ja nicht nur Konkurrenten, sondern auch Freunde, und wir tauschen uns über Monate und Jahre hin aus. Wenn man dann einen Mitstreiter plötzlich trifft und sieht, dass es dem auch gutgeht, dann ist das ein sehr bizarres Ereignis.
ORF.at: Wie geht es nun bei Ihnen weiter? Sie haben ja einige Projekte angekündigt.
Sedlacek: Momentan überschlagen sich die Ereignisse ein bisschen. Es gibt fast täglich neue Projektangebote und Anfragen von Medien. Ich werde jetzt einmal ein paar Tage in Les Sables relaxen und vor Ort alles organisieren. Ab 26. März bin ich in Wien, dann geht es los. Bis zum September will ich einige Projekte angehen, dazu gehört auch ein mögliches Vendee Globe 2012. In den nächsten Monaten werden wir auch sehen, was dann tatsächlich Chancen auf eine Umsetzung ab 2010 hat.
ORF.at: Buch und Film sind auch geplant?
Sedlacek: Richtig, es wird zu diesem Projekt ein Buch, einen Bildband, einen Film und wahrscheinlich auch ein Hörbuch geben. Die Konzepte stehen einmal, das einzig Unbekannte ist, ob sich das alles zeitmäßig ausgeht. Buch, Bildband und DVD kommen auf alle Fälle.
ORF.at: Was geschieht mit der "nauticasport-kapsch"?
Sedlacek: Die wird ab dem Zieleinlauf zu verkaufen sein. Das Boot ist fünf Jahre gehegt und gepflegt und ist auch durchaus in einem guten Zustand. Rennboote muss man halt einmal wieder aufarbeiten. Aber von der Substanz her hat das Boot keine Schäden. Wenn man es technisch sauber überarbeitet, kann man es durchaus noch viele Jahre für den semiprofessionellen oder als Einsteiger für den professionellen Rennbetrieb benutzen. Die Zertifizierungen sind alle vorhanden, technisch ist das Boot nach wie vor wettbewerbstauglich.
Das Gespräch führte Harald Maresch, ORF.at
Links:
- Norbert Sedlacek
- Norbert Sedlacek (Wikipedia)
- Vendee Globe