Der Leistungsdiagnostiker sprach dabei eine von seinem Institut IMSB durchgeführte "Studie" von Teilnehmern an Ausdauerbewerben (gemeint war der Wien-Marathon) an. Dabei hätten 29,7 Prozent der Hobbysportler angegeben, Substanzen oder Medikamente zu verwenden, die für Spitzensportler auf der Verbotsliste stehen.
Kein Wunder, dass Wolfgang Konrad, Veranstalter des Vienna City Marathon (VCM), empört reagierte. "Ich bin über die Entwicklung erschüttert und überrascht, dass der Breitensport jetzt im Zentrum der Diskussion steht. Hier wurden unreflektiert, unüberprüft und ohne zu hinterfragen Behauptungen aufgestellt", ärgerte sich der ehemalige Langstreckenläufer.
Unwissenschaftliche "Studie"
Der Veranstalter der größten Breitensportveranstaltung Österreichs und zwei Mediziner wiesen die Holdhaus-Aussagen nun aufs Schärfste zurück.
Der deutsche Arzt Willi Heepe, ehemaliger medizinischer Leiter des Berlin-Marathons, meinte, dass es sich bei der angeblichen "Studie" vielmehr um eine Befragung und keine wissenschaftlich Erhebung handle. Die Ergebnisse, die ihm Holdhaus in einem Gespräch dargelegt habe, hätten keine Aussagekraft. Die Methodik sei nicht differenziert, eine fundierte Untersuchung des riesigen Teilnehmerfeldes quasi unmöglich.
"Es wurden absurde Aussagen getätigt", meinte Heepe. Es sei nicht legitim, diesbezüglich Rückschlüsse auf Doping zu ziehen.
"Kein Dopingproblem in Laufszene"
"Wir haben kein Dopingproblem in der Laufszene", betonte Heepe und meinte dabei den Hobbysport. Vielmehr sei der Laufsport "das einzig gesundheitsbildende Medikament", das etwa Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems verhindern helfe.
"Laufen ist Dauerleistungssport, der das Leben verlängert", so Heepe. In einem Feld von 25.000 Teilnehmern gebe es der Altersstruktur und der medizinischen Vorgeschichte entsprechend natürlich solche, die Medikamente etwa gegen Bluthochdruck, Allergien oder Asthma einnehmen müssen. Mit Doping oder Medikamentenmissbrauch habe das allerdings überhaupt nichts zu tun.
"Wenn jemand mit Bluthochdruck ohne Medikamente Sport betreibt, ist das gefährlich. Wenn ich mit meiner Laufgruppe Herzkranker unterwegs bin, haben wir selbstverständlich 100 Prozent mit Medikamenteneinnahme - auch Mittel, die auf der Dopingliste stehen. Es ist Blödsinn, so etwas in den Dunstkreis von Doping zu rücken", so Heepe.
EPO zu teuer für Hobbyläufer
Dass tatsächliches Doping im Hobbylaufsport nur selten vorkomme, habe einen einfachen Grund: Laut Heepe ist EPO das praktisch einzige Mittel, das eine Leistungssteigerung bewirkt. "Es wird nicht viele Marathonläufer geben, die bis zu 20.000 Euro für eine EPO-Kur zahlen, um sich von 4:20 auf 4:10 Stunden zu verbessern."
"Schwarze Schafe" ausschließen wollte Heepe allerdings nicht. Es gebe auch im Hobbylaufsport einige, die "einen Neurosengarten pflegen und verbissen etwas hinterherjagen". In der Laufszene kursierende "Geheimmittelchen" wie spezielle Mineraldrinks seien wirkungslos und zumeist medizinisch harmlos.
Größere gesundheitliche Bedenken bereiten Heepe hingegen "medizinfeindliche" Läufer. Immerhin 40 Prozent hielten Laufen nämlich für so gesund, dass sie keinerlei Untersuchungen und Medikamente brauchten.
Kraftsport als Problemfeld
Wenn man wirkliches Doping im Breitensport sucht, wird man laut Heepe am ehesten im Kraft- und Kampfsport fündig. Anabolika und Hormone haben dort eine unmittelbare Wirkung - im Gegensatz zum Ausdauersport Laufen.
"Es gibt in der Tat wissenschaftliche Erkenntnisse, das 30 Prozent der Besucher von Fitnessstudios anabole Steroide zum Muskelaufbau einnehmen. Da werden Körper mit katastrophalen Risiken und abscheulichen Folgen zu Kadavern aufgepeppt. Hier sollte die Kriminalpolizei ermitteln", so Heepe.
Gegen Freizeitsportler-Kriminalisierung
Ins gleiche Horn stößt der Sportmediziner und VCM-Rennarzt Christian Gäbler: "Es ist sehr schade, dass Freizeitsportler kriminalisiert werden. Das ist abzulehnen."
Allein 25 Prozent der Österreicher würden an Allergien leiden und damit auch Medikamente einnehmen, die eventuell auf der Dopingliste stehen. Während aber Spitzensportler bei Nachweis einer medizinischen Indikation die Erlaubnis zur Einnahme gewisser Mittel bekommen, hätten Hobbyathleten diese Möglichkeit nicht.
Spitzensportler dopen "munter" weiter
Auch Aussagen von Österreichs "Anti-Doping-Guru" Holdhaus bezüglich Doping im Spitzensport standen in der Kritik.
"Seine Zitate, wonach lediglich zwei bis drei Prozent der Leistungssportler dopen, sind jenseits jeder Realität. Es wird in Österreich, Deutschland und auch international im Spitzensport munter weitergedopt", sagte Heepe.
Ein Ablenkungsmanöver?
Konrad ortete in den Holdhaus-Aussagen ein Ablenkungsmanöver von Problemen im Spitzensport. "Wir haben in Österreich jahrzehntelang vertuscht und verschleiert. Jetzt beginnen die Strukturen zusammenzubrechen, und man haut plötzlich auf den Breitensport hin", sagte der VCM-Veranstalter mit Hinweis auf die in jüngster Zeit erfolgten Verhaftungen und Ermittlungen der Kriminalpolizei.
So habe sich hinsichtlich des Athletenmanagers Stefan Matschiner sein "Bauchgefühl", keine vom Oberösterreicher vertretenen Läufer für den Wien-Marathon zu engagieren, bestätigt. Gegen die Aussagen von Holdhaus hat Konrad Klage auf Widerruf eingebracht.
Rudolf Srb, ORF.at
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