"Zum Rückspiel in München kann der FC Barcelona mit einer Altherrentruppe antreten", witzelte die Zeitung "El Mundo" am Donnerstag nach der Blamage des deutschen Rekordmeisters im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League.
"Der FC Bayern trat im Camp Nou auf wie ein zum Tode Verurteilter, der sich selbst die Schlinge um den Hals gelegt hat. Von Trainer Jürgen Klinsmann hatte man den Eindruck, als warte er nur darauf, das Entlassungsschreiben überreicht zu bekommen."
Schwächer als Abstiegskandidaten
Das Sportblatt "As" erinnerte daran, dass Abstiegskandidaten der spanischen Liga wie Getafe und Espanyol Barcelona gegen Barca stärker gespielt hätten als die Bayern.
"Espanyol sollte sich die Regeln der EU zunutze machen und sich für die Bundesliga anmelden", höhnte das Blatt. "Dort spielte das Schlusslicht der Primera Division um den Einzug in die Champions League oder den UEFA-Cup."
Deutsche Tugenden vermisst
Spaniens auflagenstärkste Sportzeitung "Marca" ging mit den Bayern hart ins Gericht: "Man kann verlieren, zumal gegen Barca, aber man darf nicht ein solches Bild abgeben wie die Klinsmann-Truppe", las das Sportblatt den Deutschen die Leviten. "Die Bayern waren in der Abwehr durchlässig wie ein Sieb und im Angriff inexistent."
Die Zeitung "El Pais" vermisste bei den Münchnern alte Tugenden wie Stolz und Größe. "Der FC Bayern wirkte sehr wenig deutsch", meinte das angesehene Blatt. "Dem Team fehlt es an Charakter. Dies zeigt sich an Kapitän Mark van Bommel. Er ist eigentlich ein Komparse, der durch die Umstände aber in eine Führungsrolle gezwungen wurde."
Barca hat den Pokal schon gewonnen
Von Barcelona schwärmten die spanischen Kommentatoren hingegen in höchsten Tönen. "Die Katalanen erhoben den Fußball zu einer noblen Kunst", pries "As" das Spiel von Lionel Messi und Co.
"Wenn es im Fußball gerecht zuginge, und die Verantwortlichen etwas Humor hätten, könnten die UEFA-Chefs die Champions League für beendet erklären, sich ins Flugzeug setzen und Barca-Kapitän Carles Puyol den Europacup überreichen."
Vereinspräsident Joan Laporta meinte: "Die erste Hälfte des Spiels werden wir noch lange in Erinnerung behalten. Sie war eine der besten Halbzeiten in unserer Vereinsgeschichte."
Guardiola als Wüterich und Warner
Der einzige Wermutstropfen für die Katalanen war die Hinausstellung von Josep Guardiola. Der Trainer hatte zu vehement dagegen protestiert, dass der Schiedsrichter Messi einen Elfmeter versagte und dem Stürmer wegen angeblicher Schauspielerei die Gelbe Karte gezeigt hatte.
"Ein Blinder sah, dass dies ein Strafstoß war", meinte der Coach, bedauerte aber zugleich sein Verhalten. "Ich hätte mich nicht so aufführen dürfen. Ich war sehr sauer, aber ich hätte mich im Zaum halten müssen. Dieses Auftreten war eines Barca-Coaches nicht würdig."
Guardiola warnte auch davor, sich schon im Halbfinale zu wähnen: "Es ist erst eine Partie gespielt. Wir müssen mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben und dürfen nichts auf die leichte Schulter nehmen. Um ganz sicherzugehen, sollten wir in München einen oder zwei Treffer erzielen."
Torgala kein Einzelfall
Das 4:0 war schon zur Pause gegeben, danach hatten Messi, Eto'o, Henry und Co. Mitleid mit den Gästen und begnügten sich damit, die Partie zu kontrollieren. Vier Tore in der ersten Spielhälfte sind für Barca nichts Neues, das war in dieser Saison schon zuvor fünfmal gelungen.
"Wir haben alles richtig gemacht, um jeden Ball gekämpft und wirklich sehr gut gespielt", lobte Guardiola seine Mannen. Schlüssel zum Erfolg sei gewesen, dass Luca Toni und Franck Ribery keine Bälle bekommen hätten.
Da Chelsea in Liverpool 3:1 gewann, scheint ein Halbfinale zwischen den Katalanen und den Londonern schon zur "Halbzeit" programmiert zu sein.
Ivanovic bringt Chelsea auf Siegerstraße
In Liverpool war Branislav Ivanovic von Österreichs WM-Qualigegner Serbien Held des Abends. Der Verteidiger brachte Chelsea in seinem zweiten CL-Spiel mit zwei Kopftoren nach 0:1-Rückstand (Torres) auf die Siegerstraße, ehe Didier Drogba auf 3:1 stellte.
"Drei Tore hier haben wir nicht erwartet", war selbst Trainer Guus Hiddink ein wenig überrascht, dass die Chancen auf seinen zweiten Champions-League-Gewinn (1988 mit PSV Eindhoven) so intakt sind.
Hiddink bleibt skeptisch
Dem Vorjahresfinalisten winkt der fünfte Halbfinal-Einzug innerhalb der jüngsten sechs Jahre. Das sieht der Niederländer, der im Rückspiel auf den gesperrten John Terry verzichten muss, freilich nicht ganz so: "Die 'Reds' haben in der Vergangenheit oft bemerkenswerte Dinge angestellt. Die Sache ist noch nicht erledigt."
Nicht nur ihm ist der Mai 2005 im Gedächtnis, als Liverpool in Istanbul nach 0:3-Pausenrückstand und 3:3 nach Verlängerung gegen den AC Milan im Elferschießen noch die Trophäe geholt hatte.
Liverpool gibt noch nicht auf
Die Liverpooler, die im Vorjahr im Halbfinale an den Londonern gescheitert waren und heuer im Achtelfinale noch Real Madrid mit 4:0 vom Rasen gefegt hatten, werfen auch jetzt noch nicht die Flinte ins Korn.
Verlieren sei zwar immer hart, besonders in diesem Bewerb, aber Rafael Benitez glaubt noch an ein Happy End. "Es wird ganz schwierig, drei Tore zu erzielen, doch wir können es noch schaffen. Wir glauben daran, haben schon dreimal in einer Hälfte getroffen. Warum sollen drei Treffer also nicht in 90 Minuten gelingen?", meinte der spanische Coach.
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