"Das ist wie Selbstmord auf Raten"

Thomas Rohregger im Interview mit ORF.at.
Der Giro d'Italia präsentiert sich zu seinem Jubiläum prominent und schnell wie nie in den vergangenen 100 Jahren.

Wohl kein Vorteil für Milram-Profi Thomas Rohregger, der in Italien sein Debüt im Rahmen einer dreiwöchigen Landesrundfahrt gibt.

Der 27-jährige Tiroler, Sieger der Österreich-Rundfart 2008, leidet: "Wer bei diesen Qualen beginnt nachzudenken, steigt vom Rad", so seine Befürchtung.

Im Interview mit ORF.at sprach Rohregger am zweiten Ruhetag über seine Eindrücke, die Qualen, seinen Respekt vor Lance Armstrong und seine weiteren Ziele.

ORF.at: Herr Rohregger, wie fühlen Sie sich nach zwei Wochen Giro d'Italia?

Rohregger: Nach der Montag-Etappe war ich fix und fertig. Der Ötztal-Marathon, der schlimmste unter allen Marathons, ist im Vergleich dazu gar nichts. Mehr als 5.000 Höhenmeter auf 240 Kilometern. Im Finale gleich drei Berge, 37 Grad im Schatten. Das ist wie Selbstmord auf Raten. Wer bei diesen Qualen beginnt nachzudenken, steigt vom Rad.

ORF.at: Ihre bisherigen Erkenntnisse?

Rohregger: Das ist eine ganz neue und wichtige Erfahrung. Ich bin es vielleicht zu wild angegangen. Beim Zeitfahren hatte ich einen Knackpunkt, eine schlechte Position auf dem Rad und muskuläre Probleme. Ein Leistungseinbruch, verursacht durch schlechte Versorgung der Muskeln auf dem Rad, wie unser Osteopath feststellte. Eine ganz wichtige Erkenntnis, die nur bei einer langen Rundfahrt möglich ist. Abhilfe soll nach dem Giro ein Biomechaniker sorgen.

ORF.at: Fühlen Sie sich körperlich noch in Schuss?

Rohregger: Ich bin eher mental müde. Der tägliche Trubel, Tausende Leute, der Lärm, die Strapazen nach der Etappe mit Transfers. Am Montag fuhren wir zum Beispiel nach der achtstündigen Etappe noch 370 Kilometer mit dem Auto und kamen erst gegen Mitternacht ins Bett. Das nagt an den Reserven. Ich bin, ganz ehrlich, am Limit.

ORF.at: Wie beurteilen Sie persönlich Ihre Leistung beim Debüt?

Rohregger: Mein Ziel war immer, den Giro zu beenden. Dem bin ich schon nahe gekommen. Alles mehr wäre gewaltig. Und am Anfang bin ich schon einige gute Etappen gefahren. Damit und welche Leute ich hinter mir ließ, war ich absolut zufrieden. Ob Simoni, Lövkvist oder wie sie alle heißen. Da war ich voll dabei.

ORF.at: Dennoch scheint Ihr Ö-Toursieg kein Persilschein für einen Spitzenrang beim Giro zu sein.

Rohregger: Da reicht schon ein Blick auf die Starterliste - von Mentschow bis Sastre. Diesmal sind nahezu alle Topfahrer dabei, das Niveau ist höher denn je. Ich selbst bin dabei nur eine ganz, ganz kleine Nummer. Das ist klar. Und selbst einige Spitzenfahrer haben in diesem Jahr Probleme, weil so schnell gefahren wird.

ORF.at: Was sagen Sie zur Darbietung von Lance Armstrong?

Rohregger: Richtig stark. Keine Ahnung, warum er in den Medien als Giro-Urlauber bezeichnet wird. Ich selbst finde seine Leistung als 37-Jähriger nach dreijähriger Pause gewaltig. Diesen zwölften Gesamtrang müssen ihm andere erst einmal nachmachen.

ORF.at: Trauen Sie Armstrong auch bei der Tour ein Topergebnis zu?

Rohregger: Absolut, davon gehe ich sogar aus. Er hat noch einiges an Steigerungspotenzial, vor allem nach seiner Verletzung, die ihn um Wochen zurückgeworfen hat. Und die ist noch nicht lange her. Die Frage ist nur, wie das teamtaktisch mit Contador und Leipheimer funktionieren wird und kann.

ORF.at: Ihr Ziel für die verbleibenden Giro-Etappen?

Rohregger: (lacht) Die Bergankunft in Blockhaus lasse ich aus. Zu kurz, zu schnell. Meine einzige Chance ist die Bergankunft auf dem Vesuv, da geht vorher garantiert eine Gruppe, da könnte ich etwas probieren, was wiederum von der Tagesform abhängt. Erzwingen werde ich nichts mehr. Ich will die Rundfahrt einfach zu Ende fahren.

ORF.at: Verspüren Sie Angst vor den Leiden in der dritten Rundfahrtwoche?

Rohregger: Nein. Der härteste Tag war der Montag, und den habe ich anständig hinter mich gebracht - wenn auch nur im Energiesparmodus. Im Hotel fahre ich sogar mit dem Lift, obwohl ich Angst habe, weil ich die Stiegen nicht mehr schaffe. Am Ruhetag habe ich nur geschlafen. Der Körper nimmt sich eben, was er braucht. Und die restlichen Tage stehe ich auch noch durch. Zum Glück wird es nun einfacher.

ORF.at: Werden Sie auch die Tour bestreiten?

Rohregger: Geheißen hat es schon viel. Aktuell soll ich sie wieder fahren. Keine Ahnung. Wollen würde ich. Jedenfalls bin ich im erweiterten Kader. Zunächst muss ich aber den Giro sickern lassen und abwarten, wie es mir danach geht.

Ob zwei große Rundfahrten in einem Jahr für mich sinnvoll sind, bezweifle ich allerdings. Die endgültige Entscheidung treffe ich mit der Teamleitung. Vielleicht fahre ich zwischendurch doch besser die Österreich-Rundfahrt - und die Tour erst 2010.

Das Gespräch führte Michael Fruhmann, ORF.at

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