Dabei wird von mancher Seite die Meinung vertreten, man sollte Doping generell freigeben, weil wirklich wirksame Kontrollen ohnehin nicht machbar seien. Als Argument gilt dabei auch, dass der inzwischen zurückgetretene Kohl laut eigener Aussage bei 200 Tests 198-mal durchgerutscht und sauberer Spitzensport seiner Meinung nach unmöglich sei.
Unabhängig von der Frage der Effizienz der Kontrollen sollte man aber ein Argument gegen Doping nicht übersehen: die "unerwünschten Nebenwirkungen". Wie groß die Gefahren gesundheitlicher Schäden sind, erläuterte Universitätsprofessor Norbert Bachl, der Direktor des Österreichischen Instituts für Sportmedizin (ÖISM), im Gespräch mit ORF.at.
Medikamente für Gesunde gefährlich
Die als Dopingmittel verwendeten Substanzen seien eigentlich als Medikamente für Kranke produziert und daher sehr gefährlich, wenn sie an Gesunden angewendet werden, sagte Bachl.
Das derzeit bekannteste Präparat, EPO (Erythropoietin), ist ein Hormon, das die Bildung der roten Blutkörperchen anregt. Eigentlich wurde es zur Behandlung von Anämie, einer Blutarmut bei bestimmten Grunderkrankungen entwickelt, entwickelt. Wird es allerdings bei Sportlern angewendet, so kann der Körper mehr Sauerstoff in die Muskeln transportieren, was die Ausdauerleistung erhöht.
EPO macht Blut zähflüssiger
Die vermehrte Anzahl an roten Blutkörperchen verursacht allerdings auch die größte Gefahr beim EPO-Doping: Das Blut wird zähflüssiger, und damit steigt das Risiko von Thrombosen (Blutgerinnsel in den Gefäßen), einem Herzinfarkt oder einer Lungenembolie.
Messwert für die Viskosität des Blutes ist der Hämatokritwert, der das Verhältnis von festen und flüssigen Bestandteilen angibt. Dieser erlangte vor einigen Jahren Bekanntheit, als einige Weltverbände, darunter UCI (Radsport), IAAF (Leichtathletik) und FIS (Skisport) Grenzwerte festlegten. Bei deren Überschreitung fasst der Sportler automatisch eine "Schutzsperre" aus, als Nachweis für Doping gilt ein zu hoher Wert aber nicht.
Wenn der Tod im Schlaf lauert
Weil Spitzensportler durch ihr intensives Training ohnehin einen sehr niedrigen Ruhepuls (30 bis 35) haben, steigt die Gefahr vor allem während des Schlafes, wenn die Herzfrequenz noch weiter absinkt.
"Wenn die Intervalle zwischen den einzelnen Schlägen zu groß werden, kann es passieren, dass das Blut in kleinen Gefäßen irgendwann einfach stehen bleibt, also erhöhtes Thrombose-Risiko", so Bachl. Deswegen schlafen einige Athleten nur mit Pulsmesser, der sofort Alarm schlägt, falls der Puls zu niedrig wird.
EPO kann Erholung stören
In diesem Zusammenhang verwies der Mediziner darauf, dass EPO-Doping auch negative Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit haben kann. Der durch oftmaliges Aufwachen gestörte Schlaf erhöht nämlich die Infektanfälligkeit und beeinträchtigt auch die Erholungsfähigkeit, die im Ausdauersport besonders wichtig ist.
So gesehen sollten eigentlich gerade Radprofis die Finger von EPO - und dessen Derivat CERA, das Kohl zum Verhängnis wurde - lassen, ist eine gute Regeneration doch das Um und Auf bei einer mehrwöchigen Rundfahrt mit extremen Belastungen wie der Tour de France.
Allerdings können auch andere Dopingmittel, etwa Wachstumshorme und Anabolika, die Erholung beschleunigen.
Verstärktes Tumorwachstum
Jüngste Studien haben laut Bachl außerdem ergeben, dass die längerfristige Gabe von Dopingmitteln das Wachstum von im Körper gebildeten Tumoren verstärken kann.
Doping mit Eigenblut
Verbreitetste verbotene Methode ist das Eigenblutdoping, das Kohl etwa mit der bei seinem Ex-Manager Stefan Matschiner gefundenen Blutzentrifuge betrieb und das eine ähnliche Wirkung wie EPO hat.
Dabei wird dem Sportler einige Wochen vor dem Wettkampf Blut abgenommen, das durch Höhentraining oder EPO-Anwendung mit roten Blutkörperchen angereichert ist. Wenn der Körper das Defizit dann ausgeglichen hat, wird die zuvor entnommene Blutkonserve wieder zugeführt. Gefahr geht dabei vor allem von verunreinigten Transfusionen aus.
Das Höhentraining, mit dem man auf erlaubtem Weg die Zahl der roten Blutkörperchen steigern kann, bezeichnete Bachl hingegen als ungefährlich, sofern man nicht zu wenig trinkt. Beim Training in Höhenlagen hat der Körper nämlich einen erheblichen Mehrbedarf an Flüssigkeit, sonst droht auch hier ein zu zähflüssiges Blut.
Auch Hobbysportler nicht immer ehrlich
Laut Bachl wenden vereinzelt auch Hobbysportler Doping an, wobei er internationale Schätzungen nannte, die von einem Anteil zwischen drei und acht Prozent ausgehen. Der ÖISM-Direktor unterstrich allerdings, dass es keine wirklich seriösen Zahlen gebe, weil die betreffenden Athleten bei Befragungen nicht ehrlich genug seien.
Bei den vor einigen Monaten kolportierten deutlich höheren Zahlen "gedopter" Freizeitsportler (bis zu 30 Prozent) müsse man berücksichtigen, dass viele, vor allem auch ältere Athleten wegen gesundheitlicher Beschwerden Medikamente nehmen müssten, die auf der Verbotsliste stehen. Von Doping im eigentlichen Sinn, also der Einnahme von Substanzen oder der Anwendung von verbotenen Methoden zur Leistungssteigerung, kann man laut Bachl dabei nicht sprechen.
Rudolf Srb, ORF.at
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