Spiel, Satz und "Grunz"

Neunfache Wimbledon-Siegerin Navratilova: "Dieses Grunzen ist unerträglich und ein unfaires Stören des Gegners."
Martina Navratilova bezeichnet es als unfaires Störmanöver, Serena Williams weiß nicht einmal, dass sie es selbst tut, und nun gibt es eine 16-jährige Portugiesin, die so laut stöhnt und grunzt, dass Ex-Profi Michael Stich in einem Zeitungsinterview verbal entgleiste. "Da hilft nur noch Erschießen", soll der Deutsche der "Mail on Sunday" gesagt haben.

Die ersten Tage des Grand-Slam-Turniers in Wimbledon stehen ganz im Zeichen der von vielen angeprangerten Lärmbelästigung im Damen-Tennis. Schon bei den French Open in Paris hatte sich Drittrundengegnerin Aravane Rezai über die ohrenbetäubenden Begleitgeräusche der 16-jährigen Michelle Larcher de Brito beim Schiedsrichter beschwert.

Schon Connors stöhnte und grunzte
Und während die Portugiesin erwiderte, dass ihr Stöhnen etwas sei, das sie beim Tennis schon immer gemacht habe und Teil ihres Spiels sei, appellierte die neunfache Wimbledon-Siegerin Navratilova bei einer Preisverleihung an die WTA-Offiziellen: "Dieses Grunzen ist unerträglich und ein unfaires Stören des Gegners. Es ist Zeit, etwas dagegen zu tun."

Navratilova hatte übrigens schon die Schreie von Monicas Seles als "abstoßend" empfunden, Jimmy Connors sich in den 70er und 80er Jahren brüllend und grunzend zu acht Grand-Slam-Titeln gekämpft und Ivan Lendl vor 20 Jahren das Stöhnen von Andre Agassi angeprangert. Das Problem ist also nicht neu, was auch Maria Scharapowa bezeugen kann ("Ich kann nichts dagegen tun").

Nur Löwengebrüll lauter?
Die Russin wurde auf dem Court einmal mit 101 Dezibel gemessen, im Vergleich dazu erreicht das Brüllen eines ausgewachsenen Löwen normalerweise 110 Dezibel. Auch bei der Pressekonferenz vor ihrem erfolgreichen Erstrundenauftritt in Wimbledon wurde Scharapowa darauf angesprochen - und auch auf das Zeitungsinterview von Stich ("Dazu habe ich keine Meinung").

Der deutsche Wimbledon-Sieger trat als Radiokommentator der BBC und in einem Interview mit der "Mail on Sunday" kräftig ins Fettnäpfchen. Stich soll den Tennis-Damen geraten haben, "sich über Sexappeal zu verkaufen", und bezeichnete das Stöhnen auf dem Platz als "abscheulich". Der Satz mit dem "Erschießen" sei zwar gefallen, laut seiner Erwiderung in der deutschen "Bild" (Online-Ausgabe) war das aber "nur ein Witz".

Gehen oder Ton leiser drehen
Neben Boris Becker, der ein Stöhn-, Grunz- und Lärmverbot fordert, wollen jetzt auch die Offiziellen im All England Club in Wimbledon das Problem angehen. "Wir werden die Situation beobachten und dabei mit der WTA zusammenarbeiten", bestätigte ein Turniersprecher. Und britische Boulevardblätter fordern ohnehin schon seit Tagen einen "Grunzometer".

Trotz ihrer Jugend lässt Larcher de Brito das Theater ziemlich kalt. Ihr Wimbledon-Debüt gegen die Tschechin Klara Zakopalova ging am Montag auf einem Nebenplatz relativ geräuschlos über die Bühne. "Aber wenn die Spiele härter werden, werde ich auch sicher wieder grunzen. Niemand kann mir das verbieten. Lieber werde ich bestraft, als ein Match zu verlieren, nur weil ich damit aufhöre", sagte sie trotzig. "Wem es nicht gefällt, der kann ja gehen oder den Ton leiser drehen."

Gemeinsames Stöhnen mit Seles
Als Teenager präsentierte sich die Portugiesin schlagfertig und frech: "Ich bin nicht hier, um für irgendjemanden leise zu sein. Ich will spielen und gewinnen." Den Fokus einzig und allein darauf zu richten sei außerdem unfair und dumm. Wie Seles ist Larcher de Brito übrigens in der Tennisakademie von Nick Bolletieri groß geworden. Und als Kind durfte sie auch mit Seles trainieren. "Da haben wir gemeinsam gestöhnt."

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