Böses Erwachen über den Wolken

Bildtitel: "Das böse Erwachen": Rohregger über Leiden auf dem Horn oder: Rohreggers Leiden auf dem Horn
Auf dem legendären Kitzbüheler Horn (1.670 m), Ziel der zweiten Etappe, wird am Montag das Klassement der Österreich-Rundfahrt durcheinandergewirbelt. Auf die Fahrer wartet ein 7,1 Kilometer langer Anstieg mit einer durchschnittlichen Steigung von 12,5 Prozent.

Die Maximalsteigung beträgt gar 22,3 Prozent. Auf 18 Kehren müssen 950 Höhenmeter bewältigt werden. Und das dicke, den Fahrern Angst einflößende Ende wartet erst am Schluss auf den letzten drei Kilometern zwischen Goinger Alm und Alpenhaus.

Rekordhalter ist Thomas Rohregger, der 2007 nach 28:24 Minuten als Erster die Ziellinie überquerte. Die Rundfahrt gewann der 27-jährige Tiroler erst im folgenden Jahr. Für die 61. Auflage musste der Lokalmatador krankheitsbdingt w. o. geben.

Im ORF.at-Interview spricht Rohregger über die Entscheidung auf dem Horn, was diesen Berg zum Mythos macht, seine Eigenschaften und Tücken, und sagt auch, warum es ihn ärgert, den ehrenvollen Titel des "Glocknerkönigs" zweimal verpasst zu haben.

ORF.at: Bereuen Sie bei genauerer Betrachtung der Startliste, diesmal nicht dabei zu sein?

Thomas Rohregger: Nein. Wenn ich als Titelverteidiger in Österreich starte, will ich den Gesamtsieg verteidigen. Das ließ meine Gesundheit nicht zu. Von daher es sicher richtig, auf den Start zu verzichten.

ORF.at: Woran genau leiden Sie?

Rohregger: Nach der Tour de Suisse habe ich eine Angina aufgerissen. Die zog sich über zehn Tage hin. Deshalb flüchtete ich für ein paar Tage ans Meer. Das zeigte Wirkung, nun geht es mir wirklich besser.

ORF.at: Dabei wäre die Rundfahrt diesmal wohl leichter denn je zu gewinnen gewesen.

Rohregger: Das würde ich so nicht sagen, es ist ein schweres Radrennen mit guten Fahrern. Seeldraeyers ist stark, auch Caruso fährt mit, und mit Pidgornij ist immer zu rechnen. Klar fehlen die hochkarätigen Namen vom Vorjahr, aber allein deshalb wird die Rundfahrt nicht leichter.

ORF.at: Wer von den Österreichern könnte 2009 vorne mitfahren?

Rohregger: Denifl ist einer, der in der Zukunft viel bewegen kann. Mehr als ein Top-Ten-Platz wird es diesmal aber nicht werden. Er ist noch sehr jung (20 Jahre, Anm.). Man sollte ihn nicht unter Druck setzen. In den nächsten Jahren kann er die Rundfahrt sicher gewinnen.

ORF.at: Die Vorentscheidung fällt am Montag auf dem Kitzbüheler Horn. Was zeichnet diesen Berg aus?

Rohregger: Dass er extrem steil ist und in der Sonne liegt. Viele unterschätzen ihn und geben unten hinein Vollgas, nach wenigen Kilometern sind sie dann komplett blau und fallen oft fast vom Rad. Dabei sind erst die letzten drei Kilometer vor dem Ziel so richtig schwer mit über 20 Prozent Steigung.

ORF.at: Das Horn vorher nicht zu besichtigen wäre also ein großer Fehler?

Rohregger: Für Leute, die noch nie hinaufgefahren sind, gibt es meistens ein böses Erwachen, wenn sie plötzlich diese Rampe sehen. Auf dem Horn darf sich niemand überschätzen, man sollte seinen Rhythmus fahren und am besten nicht attackieren. Wer einmal blau ist, kann das Rad hinaufschieben.

ORF.at: Auch Bergfahrer überschreiten an diesem Berg den Schmerzpunkt?

Rohregger: Wenn die Beine nicht gut sind, dann ist dieser Berg unheimlich schlimm. Da wird es einige geben, die sich wünschten, das Rad in die Ecke zu stellen. Es wird garantiert spannend.

ORF.at: Wie legt man die Taktik richtig an?

Rohregger: Wichtig ist, unten, wenn es von der breiten Hauptstraße durch die Unterführung in das kleine Gasserl geht, wo es sich immer staut, ganz vorne hineinzufahren. Wer nicht dabei ist, muss zickzack an den zurückfallenden Fahrern vorbeikurven. Das kostet Kraft und rächt sich später bitter.

ORF.at: War bei Giro oder Tour de Suisse ein vergleichbarer Anstieg dabei?

Rohregger: In Italien sind wir einen ganzen Haufen so grauslicher Dinger gefahren, aber so schwer wie das Horn war keiner. Problem beim Giro waren eher die furchtbaren Straßen, im Vergleich dazu ist das Horn eine Autobahn. Trotzdem ist es der mit Abstand schwerste Berg, den ich kenne. Er ist ein Mythos.

ORF.at: Sie haben im Vorjahr zwar auf dem Horn, aber noch nie den "Glocknerkönig" gewonnen. Ärgert Sie das?

Rohregger: Gut, am Großglockner zweimal Zweiter zu werden ist nicht lustig. Der Glocknerkönig ist ein ehrenvoller Titel, der in Österreich viel zählt. Irgendwann würde ich ihn mir noch gerne schnappen. Das Problem ist halt, dass die Rundfahrt zeitgleich mit der Tour de France stattfindet. Deshalb wird es in den nächsten Jahren schwierig.

ORF.at: Weil Sie Ihr Augenmerk auf die Tour de France richten?

Rohregger: Klar. Im nächsten Jahr bzw. in den nächsten Jahren konzentriere ich mich im Saisonaufbau rein auf die Tour. Aber ich schließe von vornherein nicht aus, dass ich irgendwann noch einmal in Österreich starte. Und dann werde ich auch den Glocknerkönig mitnehmen. Wenn es leicht geht. Und die Rundfahrt zum zweiten Mal gewinnen.

Michael Fruhmann, ORF.at aus Kitzbühel

Links: