El Salvador - Honduras auf dem Schlachtfeld

Bis zu 6.000 Menschen kamen im "Fußballkrieg" ums Leben.
Fußball schürt die Emotionen. Er kann unglaubliche Hochgefühle bei den Siegern auslösen und die Verlierer in tiefe Verzweiflung stürzen. Manchmal - die ungezählten Schlägereien der Hooligans sind Beweis - führt Fußball auch zu Gewalt. Vor 40 Jahren, am 14. Juli 1969, führte ein Fußballspiel sogar zu einem Krieg.

©Bild: Google
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Die mittelamerikanischen Länder El Salvador und Honduras setzten ihre Auseinandersetzung nicht mehr auf dem Spielfeld, sondern auf dem Schlachtfeld fort. Einen Sieger gab es nicht, aber bis zu 6.000 Tote.

WM-Quali als Auslöser
El Salvador und Honduras kämpften um die Qualifikation für die WM 1970 in Mexiko, die Fans wurden dabei ihrem Ruf als zwölfter Mann mehr als gerecht. Beim Hinspiel am 8. Juni 1969 in Honduras und beim Rückspiel am 15. Juni in El Salvador umzingelten Menschenmassen in der Nacht vor dem Match das Hotel der gegnerischen Mannschaft.

Sie bewarfen die Scheiben des Hotels mit Steinen, trommelten mit Stöcken auf Wellblechdächer, veranstalteten Hupkonzerte, setzten tote Ratten und stinkende Fetzen als Kampfmittel ein. "Und alles nur, damit die Gastmannschaft, unausgeschlafen, entnervt und übermüdet, das Spiel verlor", schreibt der polnische Autor Richard Kapuscinski in seinem Buch "Der Fußballkrieg".

Das entscheidende Spiel
Es kam, wie es kommen musste: Die jeweilige Gastmannschaft verlor ihr Auswärtsspiel 0:1 (El Salvador) bzw. 0:3 (Honduras). Die Spieler waren mit Panzerwagen ins Stadion gebracht worden und überlegten nur, wie sie wieder lebend rauskamen. "Ein Glück, dass wir dieses Spiel verloren", sagte Honduras-Teamchef Mario Griffin.

Ein drittes, entscheidendes Spiel musste her. Dieses fand am 26. Juni auf neutralem Boden in Mexiko statt. Mauricio "Pipo" Rodriguez schoss mit seinem Treffer zum 3:2 in der Nachspielzeit El Salvator zur WM-Endrunde. "Es war ein wunderbares Gefühl", erinnerte sich der Siegestorschütze.

"Heute begann Krieg"
Wenige Tage später war das wunderbare Gefühl verschwunden, es herrschte Krieg. Man schrieb den 14. Juli 1969.

"Heute um 6.00 Uhr abends begann Krieg Salvador Honduras. Luftwaffe Salvadors bombardierte vier Städte Honduras. Stopp. Zur selben Zeit durchbrachen Truppen Salvadors Grenze Honduras, versuchen ins Landesinnere vorzudringen. Stopp", telegrafierte Kapuscinski, der als einziger ausländischer Journalist an Ort und Stelle war, nach Hause.

Die Ursachen für den Krieg
©Bild: AP
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Die WM-Qualispiele hatten die ohnehin zum Zerreißen gespannte Atmosphäre zwischen El Salvador und Honduras weiter aufgeheizt, waren aber nicht der eigentliche Kriegsauslöser.

"Wir haben das nie geglaubt", sagte Walter Hernandez, der einen Film über den "Fußballkrieg" dreht. "Es ist eine Beleidigung für die Intelligenz der Völker, sie glauben zu machen, dass der Fußball Kriegsgrund gewesen sei."

Auch wenn Kapuscinski meint, dass in Lateinamerika die Grenze zwischen Fußball und Politik hauchdünn sei - Hernandez hat recht: Die Ursachen für den Krieg liegen viel tiefer. El Salvador ist das kleinste Land Mittelamerikas, hat aber die größte Siedlungsdichte.

Honduras ist mehr als fünfmal so groß, hatte damals aber nur halb so viele Einwohner. Die salvadorianischen Bauern brauchten Land und nahmen einfach hondurianischen Boden in Besitz.

Honduras tolerierte lange die Immigration von Hunderttausenden Flüchtlingen, forderte diese im Sommer 1969 aber zur Rückkehr auf. El Salvador fürchtete den nicht bewältigbaren Ansturm von 300.000 armen Landsleuten und griff, da man das überlegene Heer hatte, an. Der Krieg hatte begonnen.

An der Front
Kapuscinski ließ sich bis an die Frontlinie bringen. "Um uns herum schlugen Granaten ein, in weiter Entfernung waren Rufe zu hören und dröhnendes Geschützfeuer, ein Geruch von Pulver und Rauch lag in der Luft. Vor uns und hinter uns hämmerten Maschinengewehre."

Was er von den Gräueln des Kriegs sah, "überstieg alle Vorstellungskraft". Kapuscinski berichtet aber auch von einem Soldaten, der den Krieg um sich vergaß und die Schuhe der Gefallenen einsammelte. Seine Familie war so arm, dass alle barfuß gehen mussten. Seine neun Kinder würden sich über die Schuhe freuen - der Krieg ergab für ihn so wenigstens einen Sinn. Weshalb er gegen El Salvador kämpfen musste, wusste er nicht: "Das sei Sache der Regierung."

Frieden
Auf Druck der Organisation Amerikanischer Staaten und des UNO-Generalsekretärs unterzeichneten El Salvador und Honduras schließlich am 18. Juli einen Waffenstillstand. Der "Fußballkrieg" hatte rund 100 Stunden gedauert.

Zwischen 3.000 und 6.000 Menschen verloren in dem Gemetzel ihr Leben.

Die Siedlungsproblematik konnte der Krieg nicht lösen, es wurde der Status quo ante wiederhergestellt. Nachwirkungen des Krieges aber seien bis heute zu spüren, sagte der Dokumentarfilmer Hernandez: "Es ist noch ein Zorn zu spüren, aber unterschwellig." Erst im Jahr 2006 beendeten die Präsidenten der beiden Länder mit einem Handshake an der Grenze auch formell die Zwistigkeiten.

WM-Quali: Honduras - El Salvador
Fast genau 40 Jahre nach dem Krieg standen einander Honduras und El Salvador am 10. Juni 2009 erneut gegenüber. Auf dem Spielfeld. Honduras gewann das WM-Qualifikationsmatch mit 1:0. Über Ausschreitungen ist bisher nichts bekannt.

Oliver Mück, ORF.at

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