Der Tour-de-France-Dritte und Bergkönig 2008 gab erst ein bisschen Doping zu, später ein bisschen mehr und am Ende ganz viel, sogar die Weitergabe jener verbotenen Substanzen, die ihm selbst im Sommer des vergangenen Jahres zum Verhängnis geworden waren.
Im Interview mit ORF.at spricht der 28-jährige Ex-Radprofi und Zwischendurch-Sportheld nun über sein Geständnis in mehreren Kapiteln in eigener Sache. Auch seine Vergangenheit, seine Zukunft und Doping sind ein Thema. Kohl sagt: "Die Tour ist sauber wie eh und je."
ORF.at: Herr Kohl, warum, glauben Sie, wurde Ihnen der Ruf zuteil, einen seltsamen Umgang mit der Wahrheit zu haben?
Kohl: Um das Ganze noch einmal klarzustellen: Ich habe ab dem Zeitpunkt, als ich mich dazu entschlossen hatte, reinen Tisch zu machen - also im Dezember vergangenen Jahres -, all mein Wissen der SoKo Doping und der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt.
ORF.at: All Ihr Wissen oder nur Teile, um später nachlegen zu können?
Kohl: Das stimmt überhaupt nicht. Dieser Eindruck entstand nur, weil die Protokolle meiner Aussagen dann, aus welchem Grund auch immer, scheibchenweise an die Öffentlichkeit gelangt sind, worauf ich keinen Einfluss habe oder hatte. Was für mich klar ist und bleibt: Ich werde weiterhin alles, was ich weiß, den Behörden sagen, aber sicher nie über Sportler in den Medien reden.
ORF.at: Sie wurden aber nicht zu Unrecht ein Lügner genannt.
Kohl: Kommt darauf an, auf welche Zeit Sie sich beziehen. Ja klar, ich habe, bevor ich mich zu einem klaren Schnitt durchringen konnte, die Öffentlichkeit belogen und mich dafür auch öffentlich entschuldigt. Kritik an dieser Zeit ist daher durchaus berechtigt. Die, die mich noch immer als Lügner bezeichnen, können entweder nicht mit der Wahrheit umgehen oder haben selbst ein schlechtes Gewissen.
ORF.at: Was tragen Sie zum Kampf gegen Doping bei?
Kohl: Zum Beispiel, dass ich intensiv mit allen internationalen Anti-Doping-Agenturen zusammenarbeite, die mit mir in Kontakt getreten sind. So hat etwa der Präsident der Französischen Anti-Doping-Agentur nach dem Besuch einer Delegation in Wien gemeint, dass er wertvolle Informationen für den Anti-Doping-Kampf bekommen hat.
In den kommenden Wochen finden auch Gespräche mit der US-Anti-Doping-Agentur, der Welt-Anti-Doping-Agentur und dem Internationalen Radsportverband (UCI), statt. Ich selbst habe von mir aus der österreichischen Anti-Doping-Agentur NADA eine Zusammenarbeit angeboten, um ihr Hintergrundinformationen zu geben. Ganz wichtig ist mir aber die Zusammenarbeit mit der SoKo Doping.
ORF.at: Warum kooperierten Sie nicht schon früher mit der NADA?
Kohl: Wie gerade gesagt: Bei meiner NADA-Einvernahme im Oktober war ich in einer psychischen Ausnahmesituation, in der mir noch nicht klar war, wie mein Leben überhaupt weitergehen soll. Erst als ich wusste, dass ich in das System des Lügens nicht mehr zurückkehren will, konnte ich vor Behörden und Anti-Doping-Agenturen Klartext reden.
ORF.at: Immerhin fielen Sie dadurch um die Kronzeugenregelung um.
Kohl: Die war mir wurscht. Sie war für mich absolut bedeutungslos, weil ich sowieso nicht mehr in den Profiradsport zurückkehren wollte.
ORF.at: Wurden Sie von der SoKo Doping unter Druck gesetzt?
Kohl: Ganz im Gegenteil. Die Zusammenarbeit mit der Sonderkommission ist hochprofessionell, und ich fühle mich persönlich dort auch sehr gut bzw. am besten aufgehoben. Denn aufgrund der intensiven Ermittlungsarbeit tauchen immer wieder Fragen auf, die ich gerne beantworte.
ORF.at: Was haben Sie zuletzt ausgesagt?
Kohl: Da ging es um was anderes. Das aktuelle Gespräch war für mich aber insofern sehr wichtig, als ich einige Vorwürfe, die von einigen Medien verbreitet worden sind, durch den Beleg von Originalinterview-Dokumentationen richtigstellen konnte.
ORF.at: Laut "Kurier" haben Sie der SoKo auch die Namen Boogerd, Dekker und Caucchioli genannt. Stimmt das?
Kohl: Das bestätigt, was ich eingangs erwähnt habe. Der "Kurier" zitiert aus einem Vernehmungprotokoll der SoKo Doping. Dem ist nichts hinzuzufügen.
ORF.at: Wie wird es mit Doping in Österreich weitergehen?
Kohl: Ich könnte mir gut vorstellen, dass der SoKo-Bericht noch einige interessante Dinge ans Tageslicht bringen könnte.
ORF.at: Welche Sportler haben Dopingmittel von Ihnen bezogen?
Kohl: Nur einer. (Hannes) Hempel war der Einzige. Ihm habe ich damals die drei Ampullen AMTH2 weitergegeben, was auch der SoKo Doping bekannt ist. Was allerdings eine mögliche Weitergabe von Hempel an andere betrifft, habe ich keine Informationen. Ich jedenfalls gab die Sachen nur ihm.
ORF.at: Und wem aller haben Sie die Blutzentrifuge zur Verfügung gestellt?
Kohl: Ich gar nicht. Ich habe mich an diesem Ding lediglich mit 20.000 Euro beteiligt, und das ausschließlich für den Eigengebrauch.
ORF.at: War Hempel Ihr einziger persönlicher "Sportsfreund"?
Kohl (schmunzelnd): Was die Weitergabe von Dopingmittel betrifft, ja. Von eidesstattlichen Unschuldserklärungen halte ich übrigens nichts.
ORF.at: Sie bezeichnen sich als legitimen Bergkönig 2008. Eine Provokation?
Kohl: Keineswegs. Aber ich weiß, wie viel harte, jahrelange Arbeit und Entbehrungen ich auf mich genommen habe, um diesen Erfolg - wenn auch gedopt - zu feiern. Doping ist neben hartem Training, Konsequenz, richtiger Ernährung usw. nur ein wichtiger Faktor, um im Spitzensport Erfolg haben zu können.
ORF.at: Warum sind von den Top Ten im Vorjahr dann nur Sie aufgeflogen?
Kohl: Eine gute Frage, die Ihnen aber andere beantworten müssen oder besser gesagt andere beantworten könnten.
ORF.at: Wie sauber ist die laufende Tour de France Ihrer Meinung nach?
Kohl: So sauber wie eh und je.
ORF.at: Woran glauben Sie das zu erkennen?
Kohl: Naja. Man soll mit Ferndiagnosen zwar vorsichtig sein, ich kann aber nicht erkennen, dass heuer langsamer gefahren würde als im Vorjahr.
ORF.at: Verfolgen Sie die Tour im Fernsehen?
Kohl: Wenn ich Zeit finde, dann schon. Allerdings erfordern meine Zukunftsprojekte meine ganze Energie, um sie endlich an den Start zu bringen.
ORF.at: Welche Projekte meinen Sie?
Kohl: Ich habe Anfragen von Schulen, die wollen, dass ich meine negativen Erfahrungen mit Doping der Jugend vermittle, um damit meinen Beitrag zu leisten, um den Dopingsumpf zumindest in der nächsten Generation auszutrocknen. Außerdem werde ich bei internationalen Anti-Doping-Konferenzen als Referent auftreten.
ORF.at: Wofür steht die Marke Kohl heute?
Kohl: Für einen geläuterten ehemaligen Dopingsünder.
ORF.at: Und womit verdienen Sie Ihr Geld?
Kohl (lacht): Das größte und wichtigste Projekt - was meine Zukunft betrifft - steckt gerade in der Gründungsphase. Über ungelegte Eier will ich aber noch nicht reden.
Das Gespräch führte Michael Fruhmann, ORF.at
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