Die Konstellation war nicht neu, die fast den ganzen Körper bedeckende Schwimmbekleidung kam schon Ende der Neunziger auf, und vor Großereignissen werden regelmäßig Neuentwicklungen präsentiert.
Dieser Prozess war vor Rom an einem Punkt angelangt, an dem die Athleten in den Hintergrund gedrängt wurden.
Thorpe als Vorreiter
Adidas war ab dem Juli 1998 der Vorreiter bei Ganzkörperanzügen und Ian Thorpe sein größter Werbeträger. Der Australier war in die Entwicklung der ersten Modelle involviert und holte in "Down Under" im "Haifischanzug" dreimal Gold und einmal Silber.
Schon damals gab es vehemente Gegner der Anzüge, auch unter den Athleten. So zog es der legendäre russische Krauler Alexander Popow vor, unverändert mit einer Badehose zu schwimmen. Das ist nun nicht mehr möglich, will man mit der Weltspitze mithalten.
LZR Racer dominiert
Die Entwicklung zur derzeitigen Lage bei den "Suits" hatte am 12. Februar 2008 seinen Ursprung genommen. Speedo war zum Marktführer avanciert und baute diese aus, indem das Unternehmen an diesem Tag in vier Weltstädten eine Weiterentwicklung seines Fastskin FSII präsentierte. Dieser war einige Monate vor Olympia 2004 in Athen als bis dato schnellster Anzug vorgestellt worden. Nun, vier Jahre später, sollte das der LZR Racer sein.
In den folgenden Monaten wurde diese Einschätzung bestätigt, es gelangen Europa- und Weltrekordverbesserungen teilweise um Sekunden.
Vertraglich gebunden
Die Konkurrenzhersteller war am falschen Fuß erwischt worden und versuchte - vorerst erfolglos - schnell nachzuziehen. Viele Athleten wollten den LZR Racer, waren aber persönlich oder über ihren Nationalverband vertraglich an die Verwendung eines anderen Produktes gebunden.
Strafzahlungen in Kauf genommen
Manche Schwimmer nahmen die bei einem unerlaubten Anzugwechsel drohenden Pönalezahlungen in Kauf. Andere hatten das Glück, noch vor Olympia wechseln zu dürfen. Bei den Spielen wurde der LZR Racer seinen Vorschusslorbeeren mit einem in ihm erzielten Medaillenregen gerecht, allen voran Michael Phelps als führender Protagonist.
Der seit jeher mit Speedo schwimmende US-Superstar holte achtmal Gold, stellte solo vier Weltrekorde auf und deren drei mit der Staffel.
Passiver Widerstand erhöht
Der "Wunderanzug" ist leichter als seine Vorgängermodelle. Erstmals war ein Schwimmanzug komplett per Ultraschall-Verfahren verschweißt worden, um eine perfekte, stromlinienförmige Oberfläche zu erreichen.
Im Vergleich zum Fastskin FSII wurde der passive Widerstand im Wasser um noch einmal zehn Prozent reduziert. Auch wurde eine bessere Sauerstoffaufnahme und damit schnelleres Schwimmen möglich.
108 Weltrekorde fielen von der LZR-Racer-Präsentation bis zum Jahresende, 25 allein bei Olympia. Doch daran waren auch schon andere Produkte beteiligt.
Jaked mischt auf
Während etwa die deutschen Asse über ihren vertraglich verpflichtenden adidas-Anzüge schimpften und das Unternehmen darauf den Vertrag aufkündigte, stieg die italienische Firma Jaked neu in die Branche ein.
Mit der Verwendung neoprenartiger, auftriebverleihender Materialien wurde ein neuer Aspekt ins Spiel gebracht.
Entwicklung ufert aus
Bei den Kurzbahn-Europameisterschaften in Rijeka uferte die Entwicklung aus, da Aktive zwei oder sogar drei Anzüge übereinander trugen, um noch mehr Auftrieb zu erhalten. Mit der höheren Wasserlage wurde automatisch der Wasserwiderstand reduziert.
Noch in Kroatien machten die Trainer einen Schulterschluss, forderten ein Ende dieser Entwicklung. Dem folgte im Februar ein Meeting des Weltverbands (FINA) mit den Herstellern sowie im März die "Dubai Charter".
FINA zieht Notbremse
Mit dieser schien die FINA die Notbremse zu ziehen. Es durfte nur noch ein Anzug getragen werden, dieser darf nicht über Nacken, Schulter und Knöchel hinausgehen.
Das Material darf nicht dicker als ein Millimeter sein, muss direkt auf der Haut liegen und darf maximal einen Auftrieb von einem Newton pro 100 Gramm haben. Einzelanfertigungen sind nicht mehr erlaubt, jedes genehmigte Produkt muss für alle Schwimmer verfügbar sein.
Auf Basis dessen wurde am 19. Mai eine Liste der erlaubten und nicht erlaubten Anzüge veröffentlicht, darunter befanden sich die Weltrekord-Anzüge Jaked 01 und der dem recht ähnliche Arena X-Glide.
Kehrtwendung im Juni
Doch am 22. Juni folgte die Kehrtwendung, der X-Glide wurde mit Auflagen und der Jaked uneingeschränkt zugelassen. Es liegt so gut wie auf der Hand, dass der Weltverband dem Druck des italienischen Verbandes nachgab, da Jaked der Ausrüster der italienischen Mannschaft ist.
Andere, ähnliche Produkte wurden hingegen nicht genehmigt, wogegen etwa der Hersteller TYR vor Gericht zog. Die Athleten hatten nach der FINA-Entscheidung wieder umzudenken und umzusatteln.
Striktere Regeln für 2010
Tatsache ist, dass der LZR Racer längst nicht mehr als schnellster Ganzkörperanzug gilt, auch wenn er im Gegensatz zu manchen anderen Produkten relativ unumstritten ist.
Phelps tritt dennoch wieder mit ihm an und läuft Gefahr, als besserer Schwimmer quasi gegen einen anderen Anzug zu verlieren.
Dieses Szenario soll laut FINA aber jetzt Geschichte sein. Hightech-Anzüge sind ab 2010 verboten, die Schwimmanzüge sollen nur noch aus Textilmaterial bestehen.
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