Der Blitzeinschlag: 100 m in 9,58 Sekunden, 200 m in 19,19 und dazu Staffel-Gold: Usain Bolt hat nach den Olympischen Spielen in Peking auch in Berlin die Kurzsprints in Weltrekordzeit gewonnen. Mit drei Titeln stieß er in einen erlauchten Kreis vor, vor ihm haben erst die US-Amerikaner Carl Lewis (1983 und 1987) sowie Maurice Greene (1999) und Tyson Gay (2007) bei einer WM ein Triple geschafft; wie bisher Greene, Gay und Justin Gatlin (USA/2005) hat Bolt das WM-Sprint-Double realisiert.
Der Jamaikaner will eine Legende werden und sieht sich auf dem besten Weg. Die Sportwelt staunte über die phänomenalen Zeiten, hielt sich mit Dopingspekulationen aber weitgehend zurück.
Die Wiederholungstäter: Schnell laufen allein ist zu wenig, in Staffelbewerben sind vielmehr die paar Meter zwischen den Highspeed-Phasen oftmals die entscheidenden. Das mussten die US-Sprinter schmerzvoll zur Kenntnis nehmen. Die neben Jamaika führende Sprintnation verpasste zum zweiten Mal in Folge innerhalb von 13 Monaten die Finalteilnahme bei einen Großereignis.
Bei der WM in Berlin war die erste Stabübergabe vor der Wechselmarke erfolgt, vor einem Jahr bei Olympia in Peking klappte die letzte Holzübergabe zwischen Darvis Patton und Tyson Gay nicht.
Die Gefallene: Unter einer Decke versteckt weinte die Russin Jelena Isinbajewa bittere Tränen. Die beste Athletin, die der Stabhochsprung je zu bieten hatte, und auch eine der größten Sportlerinnen in der Leichtathletikgeschichte schied mit einem "Salto nullo" aus.
Die Olympiasiegerin, Weltrekordlerin und zweifache Weltmeisterin ist vom Himmel gefallen, sie hatte hoch gepokert und alles verloren. Die 27-Jährige stieg erst bei 4,75 m ein, riss und ließ die Latte auf 4,80 m legen, an denen der Publikumsliebling zerschellte.
Die Minimalisten: Der australische Stabhochspringer Steven Hooker und die polnische Hammerwerferin Anita Wlodarczyk sind hingegen mit minimalem Aufwand zum maximalen Erfolg gelangt. Olympiasieger Hooker stieg wegen einer Oberschenkelverletzung erst bei 5,85 m ein, riss die Latte und ließ sie um fünf Zentimeter höher legen. Der erste Versuch klappte, einen weiteren brauchte er nicht zum Goldgewinn.
Wlodarczyk hingegen war voll leistungsfähig, wie der zweite Wurf, der auf die Weltrekordmarke von 77,96 m ging, zeigte. Doch legte eine beim Jubeln zugezogene Fußverletzung die spätere Siegerin lahm, sie ließ drei Versuche aus und verabschiedetet sich, als der Titel feststand, mit einem ungültigen von den Fans.
Das Lebenszeichen: Österreichs Leichtathletik zeigt einen leichten Aufwärtstrend, wirklich widergespiegelt hat sich das in Berlin allerdings nicht - aber einen sehr schönen Erfolg verbuchte das vierköpfige Miniteam.
Der 29-jährige Niederösterreicher Gerhard Mayer sorgte als Achter im Diskuswurf für das beste ÖLV-Ergebnis bei einer WM seit 2001 in Edmonton, als Stephanie Graf über 800 m Silber gewann, und das beste eines männlichen Athleten seit 1991 in Tokio, als Stabhochspringer Hermann Fehringer auf Rang sieben kam.
Die Ruhestifterin: Eine Frau legt den Finger auf die Lippen, und 60.000 Menschen verstummen. Ariane Friedrich besitzt diese Macht. Die deutsche Hochspringerin schuf sich bei ihrem Wettkampf eine Atmosphäre ganz nach ihrem Geschmack und jubelte über Bronze.
Zwar pfuschte der jamaikanische Sprinter Usain Bolt mit seinem 200-m-Weltrekordlauf ein wenig in ihre Konzentration, doch das Publikum im Olympiastadion hatte die groß gewachsene, flippige Kommissarsanwärterin der hessischen Landespolizei im Griff. Obwohl ihr der Ruf vorausgeeilt war, dass sie eine "Zicke2 wäre. Friedrich: "Ich bin so, wie ich bin, und das ist gut so. Ich werde mir keinen Imageberater zulegen."
Der Problembär: Den hätte allerdings ein anderer dringend notwendig. Der deutsche Diskuswerfer Robert Harting attackierte DDR-Dopingopfer wegen deren "Brillenaktion" im Stadion (Aufschrift: "Ich will das nicht sehen") verbal und bedauerte später seine Aussagen. Das Publikum im Stadion verzieh ihm offenbar, kein Pfiff hatte sich unter den Jubel gemischt, als der Sportsoldat die Goldmedaille gewann.
Beendet ist die Affäre, die als Eklat durch die deutschen Medien ging, aber noch nicht, der Deutsche Leichtathletikverband (DLV) behält sich Konsequenzen vor. Fix ist bereits, dass Harting ein Medientraining bekommen wird.
Das menschliche Drama: Ein 18-jähriges Mädchen aus Südafrika mit tiefer Stimme und männlichem Aussehen hat die 800 m in Jahresweltbestzeit gewonnen und muss sich auf Veranlassung des Weltverbandes einem Geschlechtstest unterziehen. In Südafrika gehen die Wogen hoch, das Land will sich bei der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen beschweren.
Caster Semenya versteht die Welt nicht mehr. "Niemand hat mir je erklärt, dass ich kein Mädchen sei. Aber hier soll ich es auf einmal nicht mehr sein. Ich bin kein Bursch. Warum haben Sie mich hierhergebracht? Sie hätten mich in meinem Dorf lassen sollen", soll sie gegenüber ihrem Verbandspräsidenten gesagt haben. Der hatte sie gezwungen, zur Siegerehrung zu gehen und die Goldmedaille abzuholen.
Der Heimeffekt: Das deutsche Team hat den Heimvorteil großartig ausgenützt. Nach nur einer Bronzemedaille bei den Sommerspielen vor einem Jahr schlug das DLV-Team neunmal zu. Mit zwei Gold-, drei Silber- und vier Bronzemedaillen gelang ein Jahr nach dem Desaster in China die Rehabilitierung in der olympischen Kernsportart. Am Ende bedeutete das in der Medaillenwertung Rang sechs.
Das Laufwunder: Der 27-jährige Kenenisa Bekele hat in seiner glänzenden Karriere einen weiteren Meilenstein erreicht. Der Äthiopier gewann nach dem Titel über 10.000 auch jenen über 5.000 m - diese Leistung hatte er bereits vor einem Jahr bei den Olympischen Spielen in Peking vollbracht.
Noch nie hat ein männlicher Athlet das Langdistanz-Double an einem WM-Schauplatz geholt. Die 10.000 m hatte er in Berlin übrigens zum vierten Mal in Folge bei Welttitelkämpfen gewonnen. Bekele hält nun bei 24 Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften (inklusive Cross und Team).
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