Lernprozess geht weiter

"Jeder ist topmotiviert, um drei Punkte einzufahren."
Paul Scharner sieht in der WM-Qualifikationspartie am Samstag in Innsbruck gegen Litauen (20.30 Uhr, live in ORF1) nicht nur die große Chance auf den dritten Endrang in Gruppe sieben, sondern auch eine weitere Etappe im Entwicklungsprozess der jungen österreichischen Nationalmannschaft.

"Wir haben wieder ein Match auf internationalem Niveau, da kann jeder Spieler wieder viel lernen", erklärte der ÖFB-Kapitän und ließ keinen Zweifel an der Zielsetzung offen. "Jeder ist topmotiviert, um drei Punkte einzufahren."

Kein Vergleich zum Hinspiel
Der Gedanke an eine Revanche für das 0:2 im September 2008 in Litauen spielt laut Scharner nur bedingt eine Rolle, zumal es vor diesem Match "komplett andere Voraussetzungen" gebe. "Wir haben ein neues Trainerteam, eine neue Mannschaft und spielen daheim in einem ausverkauften Stadion."

Von den vor 13 Monaten eingesetzten ÖFB-Akteuren sind mit Scharner selbst, Stefan Maierhofer und Erwin Hoffer nur noch drei Spieler im Kader mit dabei.

"Brauchen Zeit zur Entwicklung"
Wenn der Wigan-Legionär auch auf drei Punkte gegen Litauen hofft, so wehrt er sich dennoch gegen überhöhte Erwartungen.

"Wir sind mit dieser Mannschaft sicher noch immer im Startviertel. Die jungen Spieler brauchen Zeit zur Entwicklung, sie müssen internationale Spiele absolvieren, damit sie das internationale Niveau aufnehmen können."

An der Einstellung sollte es laut Scharner nicht scheitern - die hat sich seiner Meinung nach nämlich im Vergleich zu 2006, als er freiwillig Abschied vom Team genommen hatte, deutlich gewandelt. "Was sich extrem geändert hat, ist der Wille. Jeder von den Jungen will beweisen, dass er gut genug für die Stammformation ist. Das bringt ein gewisses Tempo ins Training."

Auf dem richtigen Weg
Der Niederösterreicher hält die Philosophie von Teamchef Dietmar Constantini für richtig. "Ich finde es gut, dass man sich den Weg zu gehen traut, auf Junge zu setzen. Das braucht einfach Zeit. In erster Linie kommt es auf den Mut und die Konsequenz des Teamchefs an."

Genau daran mangelte es laut Scharner in den vergangenen Jahren in Österreich. "Als wir den Zuschlag für die EM bekommen haben (im Dezember 2002, Anm.), hat es meiner Meinung nach auch nicht weniger Talente als jetzt gegeben, nur hat man den Weg nach einigen Monaten umgekippt, weil die Resultate nicht mehr gepasst haben, und hat das Ziel - die EM - aus den Augen verloren."

Starkes Kollektiv wichtig
Nun aber seien die Weichen gestellt, dass die ÖFB-Auswahl wieder achtbare Erfolge erreichen könne. "Es ist auch für kleinere Nationen möglich, im Nationalteam etwas zu erreichen."

Dazu müsse man nicht unbedingt einen Weltklassespieler haben. "Frankreich tut sich auch mit Ribery schwer, und die Portugiesen mit Ronaldo müssen schwitzen, dass sie sich qualifizieren. Ich halte nichts davon, dass ein absoluter Topstar fürs Nationalteam notwendig ist. Ich glaube, dass man mit einem starken Kollektiv mehr erreicht."

Der Kapitän im Dienste der Mannschaft
Bei seinem Verein Wigan Athletic rückte Scharner zuletzt vom Abwehrzentrum ins zentrale Mittelfeld, im Nationalteam ging der 29-Jährige den umgekehrten Weg.

"Es ist irgendwie lustig, aber damit muss ich leben. Da ist meine Persönlichkeit gefragt, dass ich gut damit umgehe." Er akzeptiere aber jede Rolle, die ihm von Constantini zugedacht wird. "In letzter Zeit habe ich das ohnehin schon lange nicht mehr gesagt, auf welcher Position ich spielen will."

Zurückhaltung ist beim England-Legionär auch angesagt, wenn es um das Thema Andreas Ivanschitz geht. "Ich glaube, dass er über kurz oder lang sowieso wieder dabei sein wird." In diesem Fall wird es plötzlich vertauschte Rollen geben, denn dann ist Ivanschitz der Rückkehrer und Scharner der Kapitän - völlig konträr zum ÖFB-Comeback von Scharner im Sommer 2008.

Damals fühlte sich der Niederösterreicher bei der Reintegration vom nunmehrigen Mainz-Legionär nicht wirklich unterstützt. "Ich habe aus diesen Fehlern gelernt und habe mir gemerkt, was ich anders mache, wenn er zurückkommt", sagte Scharner, der noch einige Jahre im Nationalteam spielen will. "Meine Vision ist 2014", erklärte der 26-fache Internationale. In diesem Jahr findet die WM in Brasilien statt.

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