Bremen nicht mehr "vogelwild"

Austria vor letzter Chance gegen Werder Bremen.
Mit dem gewaltigen Selbstbewusstsein von 619 Bundesliga-Minuten ohne Gegentor tritt Keeper Tim Wiese mit Werder Bremen am Donnerstag (19.00 Uhr) im Horr-Stadion zum Europa-League-Duell mit der Austria an. Nicht zuletzt aus diesem Grund prophezeit Ex-Werder-Star Andreas Herzog den Violetten eine extrem schwierige Aufgabe.

Dennoch glaubt der ÖFB-Rekordspieler an die wohl letzte Chance der Austria im Kampf um die ersten zwei Plätze in der Gruppe L. "Die Ausgangsposition ist nach dem wichtigen Meisterschaftssieg gegen Salzburg nicht so schlecht. Die Austria hat Selbstvertrauen getankt, und es ist ein Heimspiel", machte Herzog den Favoritnern Mut.

Signal nach Bremen
"Aber es wird eine Topleistung nötig sein", schränkte der langjährige Bremen-Legionär, der mit den Norddeutschen einen Meistertitel (1993) und zwei Cup-Siege (1994, 1999) feierte, im Gespräch mit ORF.at ein. Von deutscher Überheblichkeit darf die Austria laut Herog keinesfalls ausgehen. Dafür habe nicht zuletzt der 3:0-Sieg Rapids über den Hamburger SV gesorgt.

"Es ist zwar schon so, dass die Deutschen den österreichischen Fußball nie ernst genommen haben", so der 41-Jährige. "Aber auch das 1:0 der Austria gegen Salzburg war ein deutliches Signal nach Bremen. Werder ist sicher gewarnt."

Özil und Pizarro als Offensivtrümpfe
Dass sich die Mannschaft von Langzeittrainer Thomas Schaaf im Vergleich zur Vorsaison defensiv stark verbessert hat und seit mittlerweile 13 Pflichtspielen ungeschlagen ist, mache die Aufgabe für die "Veilchen" auch nicht leichter. "Letztes Jahr waren sie hinten vogelwild", weiß Herzog und wird durch die Statistik der Bremer mit 50 Gegentoren in 34 Ligapartien 2008/09 bestätigt.

"Heuer sind sie wesentlich stabiler, und vorne haben sie mit Özil und Pizarro Leute, die ein Spiel alleine entscheiden können." Dass Werder den Abgang von Spielmacher Diego zu Juventus so gut verkraftete, kam auch für Herzog überraschend. "Aber Özil hat sich vor der Saison mit dem U21-EM-Titel offenbar so viel Selbstvertrauen geholt, dass er gleich nahtlos in diese Rolle geschlüpft ist."

Gute Aussichten für Prödl
Dazu habe man mit Schaaf, der mit Werder in mittlerweile zehn Jahren als Chefcoach einen Meister- (2004) und drei Cup-Titel (1999, 2004, 2009) holte, einen "sehr guten" Trainer. "Vor allem mit jungen, talentierten Spielern kann er hervorragend umgehen", urteilte Herzog. "Das hat man bei Diego gesehen und auch jetzt bei Özil. Daher ist er auch für Sebastian Prödl der richtige Coach."

Auch die Entwicklung des zurzeit verletzten ÖFB-Legionärs in Bremen stimmt den österreichischen Kicker mit den meisten Einsätzen in der deutschen Bundesliga (264 Spiele, 59 Tore) zuversichtlich. "Jetzt muss er einmal schauen, dass er wieder hundertprozentig fit wird", betonte Herzog, "dann hat er gute Aussichten. Die Innenverteidiger Mertesacker und Naldo sind zwar große Brocken vor ihm, aber die werden auch nicht ewig bei Werder bleiben."

Mögliches Comeback im "Rückspiel"
Auch Schaaf selbst lobte Prödls Werdegang vor der Wien-Reise. "Zu Beginn hat Sebastian geglaubt, er schaut sich die Sache hier erst einmal an. Aber dann hat er schnell gemerkt:
'Hoppla, die erwarten da ja etwas von mir.' Und dem will er auch gerecht werden. Im vergangenen Jahr hat sich Sebastian sehr stark
weiterentwickelt. Und wir erwarten uns auch noch sehr viel von ihm", so der Werder-Coach im APA-Interview.

Nach einer Operation am rechten Knie ist ein Comeback des 22-jährigen Steirers aber frühestens im "Rückspiel" gegen die Austria am 5. November im Weserstadion möglich. Dagegen hofft der deutsche Nationalspieler Tim Borowski, der zuletzt wegen eines Wirbeleinrisses drei Wochen pausieren musste, auf einen Einsatz im Horr-Stadion.

Austria trotz Verletzungen im Hoch
Unabhängig von der Personalsituation erwartet Schaaf keinen "Herbstspaziergang" in Wien: "Es wird ganz sicher nicht leicht. Das zeigt schon allein die Tatsache, dass die Austria in dieser Saison nur gegen Salzburg und Kärnten (jeweils auswärts, Anm.) verloren hat. Die Austria kann tolle Leistungen zeigen und verfügt über gute Einzelspieler." Eine Einschätzung, die auch Herzog teilt.

"Die Austria hat sich im Sommer sehr gut verstärkt", so der Ex-Rapidler. "Und obwohl Salzburg und Rapid für mich die besten Mannschaften in Österreich sind, hat es die Austria mit dem Sieg gegen Salzburg weiter spannend gemacht", meinte Herzog gegenüber ORF.at. "Jetzt muss man abwarten, wie die Offensivausfälle von Okotie und Jun längerfristig ins Gewicht fallen."

Werder verteidigt "bis aufs Blut"
Nach der Abfuhr in Bilbao und dem enttäuschenden 1:1 zu Hause gegen Nacional Funchal braucht die Austria jedenfalls Tore, um die Chance auf den Aufstieg in die K.-o.-Runde zu wahren. Und das ausgerechnet gegen die Bremer, die laut DFB-Nationalspieler Torsten Frings heuer ein Motto strengstens befolgen: "Wir haben uns vorgenommen, unser Tor bis aufs Blut zu verteidigen."

Harald Hofstetter, ORF.at

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