"Habe mich vielleicht überschätzt"

Ein Nachfolger ist noch nicht gefunden.
Gunnar Prokop, der nach seinem Ausraster in der Champions League gegen Metz von einem "unentschuldbaren Blackout" gesprochen und als Trainer von Hypo Niederösterreich die Konsequenzen gezogen hatte, ist von diesem Posten für immer zurückgetreten.

"Ich habe mich vielleicht überschätzt, vielleicht wirklich nicht mehr die Kraft, die ich meiner Mannschaft bisher gegeben habe", sagte der 69-Jährige am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Wr. Neudorf.

Ein Wink von oben?
Sein am Vortag per offenen Brief mitgeteilter Rücktritt als Trainer gilt für immer, als Clubmanager will der "Handball-Zampano" sein Lebenswerk freilich weiterführen.

"So höre ich nicht auf. 20 Jahre lang war ich zu 90 Prozent bei allen Trainings dabei, habe meine Stresssituationen ausgelebt. Meine Warnung vor Metz ist nicht zu meinen Spielerinnen rübergekommen. Vielleicht war es auch ein Wink von oben, dass ich aufhören soll. Daher wird es Prokop als Trainer nicht mehr geben", meinte Prokop selbstkritisch.

Dieser Entschluss sei in der Nacht auf Freitag nach seinem Ausrutscher, als er eine Metz-Spielerin kurz vor dem Abpfiff beim Stand von 27:27 gestoppt hatte, in seinem Domizil auf dem Annaberg gereift. Über die "Scheiß-Aktion", wie er seinen unsportlichen Auftritt bezeichnete, wollte Prokop fast nichts mehr sagen und verwies auf die Presseaussendung vom Dienstag, in der er seine "ehrliche Meinung" ausführlich dargelegt habe.

Emotional nicht mehr topfit
Sein Problem sieht er auch nicht im physischen, sondern im psychischen Bereich. "Möglicherweise habe ich mich überschätzt. Körperlich bin ich fit, bin heuer mit dem Rad 20 Minuten schneller als voriges Jahr auf den Glockner gefahren. Psychisch und emotional bin ich vielleicht als fast 70-Jähriger nicht mehr so wie mit 50 Jahren", sagte Prokop.

Anhand von Videos wollte er beweisen, dass auch etliche Fehlpfiffe und speziell ein nicht geahndetes Foul an Daniela Piedade seine Emotionen zum Kochen gebracht hatten.

Von den Medien enttäuscht
Auch wenn er sich sein Blackout von der Sportseele gesprochen hatte, wirkte die für den Sport lebende Reizfigur, die oft polarisiert, niedergeschlagen.

Er sei darüber enttäuscht, wie überdimensional die Medien über seinen Eklat berichtet hätten, ohne ihn als Gerechtigkeitsfanatiker zu kennen oder darauf einzugehen, wie es zu der Situation überhaupt gekommen sei. "Es wurde geschrieben, dass ich mitten aufs Feld gelaufen oder gestürmt wäre. Das ist die Unwahrheit."

Und er fragte sich, warum nicht so ausführlich berichtet wurde, als er 2000 in Skopje nach einem Faustschlag von einem "Irren" ins Spital eingeliefert werden musste. "Mir ist schon vieles passiert, das an die Grenze meiner Gesundheit gegangen ist. Das ist auch ein Grund meines Rücktritts. Skandale zählen mehr als Erfolge", ärgerte sich Prokop, der insofern eine Bestätigung bekam, weil mehr als doppelt so viele Presseleute wie sonst zu seinen Pressekonferenzen gekommen waren.

In Ljubljana und Metz nicht dabei
Prokop, der bisher nur ein Europacup-Spiel (wegen des Todes seiner Gattin Liese am 31. Dezember 2006) versäumt hatte, wird - unabhängig vom EHF-Urteil - zu den Auswärtsspielen am Sonntag in Ljubljana gegen Krim und dann in Metz nicht mitreisen.

"Ich will keine Provokationen riskieren, die auf die Mannschaft abfärben könnte. Wir wollen die Trophäe gewinnen. Auf dem Weg dorthin darf der Mannschaft nichts schaden."

Nachfolger noch nicht gefunden
Wer am Sonntag in Slowenien Hypo-Trainer sein wird, weiß Prokop noch nicht. Auf der Suche nach seinem Nachfolger habe er bisher nur mit einer Person gesprochen, sein Lieblingskandidat habe aber keine Zeit.

Sicher ist, dass sich der achtfache Meistercup-Gewinner und oftmalige ÖHB-Meister einen Vollprofi als Betreuer nicht leisten kann. "Außerdem würden wir einen solchen mitten in der Saison auch gar nicht finden, es haben uns im Budget 150.000 Euro gefehlt", sagte der 69-Jährige, der aus Kostengründen im Frühjahr zu seinen Agenden als Manager auch die als Trainer übernommen hatte.

Reges Interesse
Anfragen, in Zukunft in der Südstadt zu arbeiten, gab es viele. Sogar aus Dänemark, wo sich Aarhus in Konkurs befinde, habe es Interesse gegeben. Der Neue müsse laut Manager von der Mannschaft akzeptiert werden, mit Spielertrainerin Seong-Ok Oh können, am Abend das Training leiten und zu den Spielen kommen.

"Es wird eine Kompromisslösung sein, die wir uns leisten können", kündigte "Mister Hypo" an. Als Manager will sich Prokop im Hintergrund halten, seine Ideen einbringen und mit seinem Nachfolger absprechen.

Interimstisch könnten die Kotrainer Ferry Kovacs oder/und Karin Prokop, die einmal ihren Vater als Hypo-Manager ablösen und dessen Lebenswerk weiterführen soll, einspringen.

Links: