Kein Halten mehr

"Elf gegen elf wäre schon schwer genug gewesen."
Der regierende Europameister ist vom Wiener Publikum mit einer großflächigen Choreographie gebührend empfangen worden und der staunenden Menge in einer beeindruckenden Vorstellung nichts schuldig geblieben. So könnte man die spanische Gala beim 5:1 gegen Österreich am Mittwoch im Ernst-Happel-Stadion kommentieren, hätte es sich dabei nicht um ein Länderspiel gehandelt, das dem ÖFB-Team und seinem Coach Dietmar Constantini für die Winterpause einiges aufgibt.

Obwohl die "Furia Roja" mit ihrem Kurzpassspiel der Perfektion nahe kam und eine fast unerträgliche fußballerische Leichtigkeit demonstrierte, wurde es ihr von der insgesamt unerfahrenen ÖFB-Auswahl auch viel zu leichtgemacht. Dass ein 20-jähriger Spieler wie Yasin Pehlivan übermotiviert zu Werke und nach nicht einmal 30 Minuten mit Rot vom Platz geht, ist unter "Bezahlen von Lehrgeld" einzuordnen.

Dass aber gestandene Legionäre wie Kapitän Paul Scharner und Christian Fuchs nach Noten "schnitzen", darf auch gegen einen in allen Belangen übermächtigen Kontrahenten kritisiert werden. Wenigstens ließen sich die 32.000 Zuschauer ihre gute Laune auch von der höchsten Schlappe seit dem 0:5-Debakel im WM-Play-off im November 2001 in der Türkei nicht verderben. Die Welle lief mehrmals durchs Stadion, auf Pfiffe gegen die ÖFB-Elf wurde angesichts der spanischen Überlegenheit verzichtet.

Del Bosque macht Constantini Mut
Im Prateroval, das die Spanier nach ihrem EM-Triumph 2008 offenbar noch immer zu besonderer Spielfreude inspiriert, rief auch niemand nach Andreas Ivanschitz. Auch mit dem von Constantini ausgemusterten Mainz-Legionär wäre sich ein Sieg gegen das aktuell beste Nationalteam der Welt wohl knapp nicht ausgegangen. Viel eher stellte sich die Frage, was passiert wäre, wenn Trainer Vicente del Bosque seine begnadeten Starkicker Villa, Iniesta, Xavi und Silva nicht allesamt zur Pause bei 3:1 in der Kabine gelassen hätte.

So gab sich der Dompteur des spanischen Nationalzirkus mit zwei weiteren Treffern zufrieden und lobte die österreichischen Gastgeber danach für eine "sehr interessante Anfangsphase mit drei Toren". Die Rote Karte gegen Pehlivan habe dem Spiel geschadet, "danach hatten wir alles sicher im Griff". Seinem Gegenüber Constantini bescheinigte Del Bosque jedenfalls, mit dem Jugendstil "trotz vieler Fehler auf dem richtigen Weg" zu sein.

Eigenfehler eiskalt bestraft
Der unnötige Platzverweis von Jung-Rapidler Pehlivan war nach Schlusspfiff natürlich ein Thema, ernsthaft für die Niederlage verantwortlich machte das aber niemand - wenn überhaupt, dann nur für die Höhe. "Elf gegen elf wäre es schon schwer genug gewesen", brachte es der auf der rechten Abwehrseite schwer unter die Räder gekommene Atalanta-Legionär György Garics auf den Punkt.

Und Stürmer Roman Wallner, der für einige der ganz wenigen spielerischen Lichtblicke gesorgt hatte, meinte: "Nach der Roten Karte konnten wir sie einfach nicht mehr halten. Aber das ist auch die beste Mannschaft der Welt." Eine Mannschaft, die jeden Fehler eiskalt bestraft - und Fehler machten die Österreicher genug. "Die müssen wir minimieren", weiß auch Constantini. "Das ist uns aber gegen Spanien überhaupt nicht gelungen. Leider ist das passiert, was wir verhindern wollten - nämlich ein Lehrspiel."

Junge "nicht zu früh" im Nationalteam
Nicht unbedingt zur Freude von U21-Teamchef Andreas Herzog hatte sich Constantini sieben um die EM-Qualifikation kämpfende Youngsters "ausgeborgt". Sechs davon waren mit Jantscher, Aleksandar Dragovic, Pehlivan und den eingewechselten Julian Baumgartlinger, Veli Kavlak und David Alaba auch im Einsatz. Einzig Daniel Beichler drückte über 90 Minuten die Ersatzbank. "Und so viel schlechter als jene in den letzten Jahren ist diese Mannschaft nicht. Die jungen Spieler sind nicht zu früh im Team", betonte der Teamchef.

Constantini sah zwar, dass es gegen Spanien "insgesamt viel zu wenig war", zumindest habe man aber bis zum Schluss "gefightet". Irgendwie war man ja geneigt, dem Teamchef zuzustimmen. Schließlich war es Spanien, und schließlich hatten "die schon ganz andere Gegner an die Wand gespielt", wie Helge Payers Vertreter Christian Gratzei richtig bemerkte. "Natürlich versucht man, das Beste zu geben. Aber das ist manchmal zu wenig." Dennoch bleibt festzuhalten, dass etwa Christoph Leitgeb in zentraler Mittelfeldrolle bis zu seiner frühen Auswechslung völlig versagte.

Und dass Kapitän Scharner das Schiff nicht auf Kurs hielt, sondern mit seinen Fehlern mitversenkte. Zumindest der 17-jährige Alaba von Bayern Münchens Amateuren, übrigens Nachzügler in der dritten deutschen Liga, durfte sich spätabends über die "sehr schöne Erfahrung" freuen, gegen Spanien eingewechselt worden zu sein. Gegen Mannschaften in sportlicher Reichweite darf man dann aber auch wieder schöne Resultate verlangen, ohne Gewissensbisse zu haben.

Harald Hofstetter, ORF.at

Links: