"Vorbereitung wie Urlaub"

Pro Trainingseinheit maß sich Klitschko mit bis zu drei Sparringpartnern.
Während andere Hotelgäste beim Stanglwirt in Going im Spa-Bereich entspannten, hat Witali Klitschko gleich nebenan geschwitzt, um sich in Tirol auf seinen nächsten WM-Kampf im Superschwergewicht vorzubereiten. Eigens für den WBC-Weltmeister wurde eine der beiden Tennishallen zum Boxcamp umfunktioniert.

©Bild: ORF.at/Wolfgang Rieder
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Neben Sandsäcken, Trainingsgeräten und einer Videoanlage mit Großbildfernseher dominierte die Tennishalle ein professioneller Hochring, der exakt dieselben Ausmaße hat wie die Kampfstätte in der PostFinance-Arena in Bern. Dort will der 38-Jährige am Samstag seinen Titel gegen den US-Amerikaner Kevin Johnson verteidigen.

"Nirgendwo auf der Welt kann ich mich besser erholen und effizienter trainieren als hier", schwärmte Klitschko beim ORF.at-Lokalaugenschein. "Normalerweise ist die Vorbereitung eine Belastung bis an die eigenen Grenzen, aber hier ist es wie Urlaub."

Sdunek hält Klitschko auf Trab
Seit Anfang November hatte der Klitschko-Tross wieder Quartier vor dem eindrucksvollen Panorama des Wilden Kaisers bezogen. Dass dem Ukrainer, der eine Kampfbilanz von 38:2 Siegen aufweist, dabei nicht langweilig wurde, dafür sorgte sein langjähriger Trainer Fritz Sdunek, der sich immer wieder etwas Neues einfallen ließ. "Die Vorbereitung ist sogar anstrengender als der eigentliche Kampf", erklärte der 62-Jährige.

©Bild: ORF.at/Wolfgang Rieder
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Nach Klitschkos Titelverteidigung Ende September gegen Chris Arreola in Los Angeles durch technisches K. o. in der zehnten Runde standen in der ersten Woche vorwiegend Athletik und Ausdauer auf dem Trainingsprogramm. "Die konditionellen Voraussetzungen sind optimal, obwohl die Zeit seit seinem letzten Kampf relativ kurz war", lobte Sdunek seinen Schützling.

"Bin in Topform"
Vor allem Klitschkos Schwimmleistungen könnten laut Sdunek bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London mit denen eines Michael Phelps konkurrieren. "Ich muss am 12. Dezember in perfekter konditioneller und technischer Verfassung sein", stellte Klitschko klar. "Ich bin verletzungsfrei, in Topform und werde noch besser sein als bei meinem letzten Kampf gegen Arreola."

Drei Sparringpartner pro Einheit
Kurz vor dem WM-Kampf in Bern lief der Countdown in Tirol genau nach Zeitplan ab. Nach dem Aufwärmen und Dehnübungen stieg der Zweimeterhüne in den Ring und absolvierte 36 Kampfminuten gegen drei einander abwechselnde Sparringpartner.

©Bild: ORF.at/Wolfgang Rieder
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Bei deren Auswahl überließ das Betreuerteam wie gewohnt nichts dem Zufall. Neben Larry Donald, der bereits Evander Holyfield niederringen konnte, weist auch Johnathon Banks, der in 23 Kämpfen erst eine Niederlage kassierte, mit 1,91 Meter dieselbe Körpergröße auf wie Klitschkos nächster Herausforderer. "Sie verkörpern verschiedene Stärken von Johnson", so Sdunek. Michael Sprott wiederrum boxe zwar einen anderen Stil, kämpfe aber ähnlich explosiv.

Türen stehen offen
Dass die Türen seines Boxcamps in Tirol regelmäßig offen standen und sowohl Hotelgäste als auch Einheimische vorbeikommen durften, gehört für Klitschko zur optimalen Vorbereitung dazu. "Ich kämpfe nicht nur für mich selbst, sondern für die Zuschauer", erklärte er das öffentliche Training. "Ich freue mich, denn jeden Tag kommen 100 Leute vorbei, und wir präsentieren ihnen ja eine gute Show."

Obwohl Klitschko seine Konzentration auf den nächsten WM-Kampf fokussierte - seine bereits dritte Titelverteidigung in diesem Jahr -, kam auch der Spaß nicht zu kurz. Nach dem Sparring lud der 38-Jährige die anwesenden Journalisten ein, sich im Ring mit ihm zu messen. "Ich werde auch nicht zurückschlagen", versicherte Klitschko. Gefunden hat sich freilich keiner.

©Bild: ORF.at/Wolfgang Rieder
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Schnitzel statt Kaiserschmarren
Verzichten musste der Weltmeister aber nicht nur auf mutige Freiwillige, sondern auch auf seinen geliebten Kaiserschmarren, der während der Vorbereitungsphase vom Speiseplan gestrichen war. "Drei bis vier Wiener Schnitzel pro Woche darf ich aber essen", scherzte der 112 Kilogramm schwere Riese.

Insgesamt präsentierte sich der der 38-Jährige locker und entspannt, frühstückte gemeinsam mit den Gästen und überraschte die Urlauber, indem er seinen durchtrainierten Körper regelmäßig durch die Tür der Gemeinschaftssauna zwängte.

"Außergewöhnliche Faszination"
Der Umbau der Tennishalle zum eigenen Boxcamp zählt beim Stanglwirt mittlerweile zur Routine. Seit Jahren verbringen die Klitschko-Brüder auch privat viel Zeit in Tirol und bereiten sich in Going regelmäßig auf ihre Kämpfe vor. "Der Stanglwirt und der Wilde Kaiser üben auf mich eine außergewöhnliche Faszination aus", schwärmte Klitschko.

Stanglwirt Balthasar Hauser freut sich auf jeden Fall über jeden Besuch der beiden Weltmeister in seinem Haus. "Wenn die Klitschkos im Haus sind, fühle ich mich immer besonders sicher", so der Hausherr. "Denn wer kann schon solche Bodyguards vorweisen?"

Wolfgang Rieder, ORF.at aus Going

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