ORF.at: Ihr Trainer Fritz Sdunek hat nach ihrem letzten Kampf gegen Chris Arreola gemeint, dass es wahrscheinlich die beste Leistung war, die er von Witali Klitschko jemals gesehen hat. Was wollen Sie gegen Kevin Johnson noch besser machen?
Klitschko: Ich freue mich, dass Fritz der Kampf gegen Arreola gefallen hat. Ich gebe mir Mühe, dass die Leute dasselbe nach dem Kampf gegen Johnson sagen. Im Gegensatz zu früher kämpfe ich zurzeit nur gegen den Gegner und nicht gegen Verletzungen. Das sieht man auch an meiner Leistung.
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©Bild: ORF.at/Wolfgang Rieder |
ORF.at: Nach dem Sieg über Arreola hatten Sie es sehr eilig, wieder in den Ring zu steigen.
Klitschko: Ich hatte früher nach meinen Kämpfen oft wochenlang geschwollene Hände oder andere kleine Verletzungen. Nach Los Angeles war ich topfit und fühlte mich sehr gut, und als das Angebot kam, haben wir entschieden, es anzunehmen.
ORF.at: Sie trainieren mit drei hochkarätigen Sparringpartnern. Nach welchen Kriterien werden diese ausgewählt?
Klitschko: Jeder von ihnen hat eine Ähnlichkeit mit meinem Herausforderer. Einer hat seine Aggressivität, einer hat denselben Jab, und der dritte verteidigt sich wie er. Der optimale Sparringpartner wäre aber natürlich mein nächster Gegner, das ist aber nicht möglich.
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ORF.at: Was halten Sie von der Großmäuligkeit im Boxsport?
Klitschko: Profiboxen ist natürlich auch Show, es gehört dazu, sich gut zu verkaufen. Meistens steckt aber bei großen Worten wenig dahinter. Die einzige Ausnahme war Muhammad Ali. Ich für meinen Teil kämpfe aber lieber mit den Fäusten im Ring, als mit Worten zu fechten.
ORF.at: Wenn man im Ring steht, wie viel Zeit hat man da noch, seine Strategie zu überdenken?
Klitschko: Im Boxen ist es die Hausaufgabe, alle Informationen zu sammeln und wie ein Computer zu speichern. Man muss blitzschnell entscheiden, was man manchen soll, man fällt seine Entscheidungen instinktiv. Laufen die Programme falsch, verliert man. Das Training in der Vorbereitung ist deshalb auch sehr viel Kopfarbeit.
ORF.at: Ist die Anspannung eine Woche vor dem WM-Kampf schon zu spüren?
Klitschko: Die Anspannung steigt natürlich, und man muss konzentriert sein. Die letzte Woche vor dem Kampf ist natürlich die wichtigste Phase. Egal wie gut man bis dahin trainiert hat, der Kopf regiert den Körper.
ORF.at: Wie können Sie sich am besten konzentrieren?
Klitschko: Fritz ist mein Psychotherapeut. In der letzten Woche gehen wir lange spazieren und reden über den Kampf, aber auch über anderes und machen auch Witze. Man muss auch einmal abschalten können.
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ORF.at: Sind Sie überhaupt noch nervös?
Klitschko: Zu Beginn meiner Karriere habe ich Tag und Nacht an nichts anderes gedacht. Mittlerweile habe ich aber genug Erfahrung, um zu wissen, was ich machen muss. Etwas Nervosität ist aber immer noch da. Sie hilft mir aber, mich voll auf meine Aufgabe zu fokussieren.
ORF.at: Haben Sie manchmal vor dem Kampf Angst?
Klitschko: Angst ist immer da, aber nicht vor dem Gegner oder dem Kämpfen. Sonst steige ich besser gar nicht erst in den Ring. Ich habe Angst davor, verletzt zu werden oder meine Fans und mein Team zu enttäuschen.
ORF.at: Vor kurzem hat der Selbstmord des deutschen Nationaltormanns Robert Enke für Schlagzeilen gesorgt. Ist Depression im Boxsport ein Thema?
Klitschko: Das ist ein sehr sensibles Thema. Ich denke, es gibt keinen Menschen, der noch nie depressive Gedanken hatte. Nach meiner Niederlage gegen Chris Byrd im April 2000 war ich selbst depressiv, hatte aber keine Selbstmordgedanken. Ich hatte gerade meinen Weltmeistertitel verloren und wurde in der Presse als Weichei beschimpft. Das hat mich sehr verletzt. Zum Glück hatte ich Menschen an meiner Seite, die mir geholfen haben.
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ORF.at: Darf man als Boxer Schwächen zeigen?
Klitschko: Es vollkommen egal, ob man Fußballer, Tennisspieler oder Angestellter ist. Man sagt immer, ein Boxer spürt keine Schmerzen, aber auch Boxer sind nur Menschen.
ORF.at: Arreola hat nach seiner Niederlage geweint.
Klitschko: Er hat in seiner Heimat gekämpft und war bereit, zu sterben oder zu gewinnen, wie er angekündigt hat. Dann hatte er auf einmal nur noch zwei Möglichkeiten: aufgeben oder in der nächsten Runde flachliegen. Es ist zwar ungewöhnlich, wenn ein Boxer im Schwergewicht weint, aber menschlich zu verstehen.
Wolfgang Rieder, ORF.at aus Going
Links:
- Klitschko-Brüder
- Kevin Johnson (Wikipedia)
- Stanglwirt