Lebenslange Sperre für Briatore

Briatore sprach mehrmals von einem Komplott gegen ihn.
Flavio Briatore und der Unfallskandal von Singapur 2008 lassen der Formel 1 keine Ruhe. Ein Pariser Gericht muss nun entscheiden, ob die lebenslange Sperre für den schillernden Ex-Teamchef von Renault wegen seiner Rolle in der "Crashgate"-Affäre berechtigt ist.

Der Italiener will bei dem Prozess, der seit Ende November läuft, mit Hilfe der französischen Juristen nicht nur die Aufhebung des Banns erreichen, sondern auch eine Millionenentschädigung vom Internationalen Automobilverband (FIA) kassieren. Ein Urteil wird für den 5. Jänner 2010 erwartet.

Briatore als Bauernopfer?
Die FIA hatte Briatore als Drahtzieher für den manipulierten Unfall des früheren Renault-Piloten Nelson Piquet jr. im Singapur-Grand-Prix des Vorjahres verurteilt. Der Motorsportweltrat bezeichnete den fingierten Crash als Regelverstoß von "beispielloser Schwere". Briatore hingegen sieht sich als Bauernopfer und will Rache.

Die FIA habe mit Renault nicht noch einen weiteren Autohersteller in der Formel 1 verlieren wollen und den Rennstall daher mit einer milden Bewährungsstrafe von zwei Jahren davonkommen lassen. Dagegen bestrafte der Dachverband Briatore beinhart, obwohl dieser stets eine Mitwisserschaft bestritten hatte. Der für fünf Jahre gesperrte Chefingenieur Pat Symonds schloss sich der Klage an.

"Verlangen nach persönlicher Rache"
In der Klageschrift heißt es, der Weltrat unter Vorsitz des damaligen Verbandschefs Max Mosley sei "von einem maßlosen Verlangen nach persönlicher Rache geblendet" gewesen.

Der inzwischen aus dem Amt geschiedene Mosley und Briatore galten als erbitterte Gegner. Zudem argumentieren die Anwälte des früheren Teamchefs, die unbegrenzte Sperre widerspreche europäischem Recht. Die FIA wies sämtliche Vorwürfe zurück. Der Weltrat habe mit großer Mehrheit entschieden, betonte der Verband.

Piquet als Aufdecker
Briatore sprach mehrmals von einem Komplott gegen ihn und griff vor allem Piquet und dessen Vater heftig an. Der Pilot hatte nach seiner Entlassung im Juli mit seinen Aussagen den Skandal ausgelöst. Er gestand, im ersten Nachtrennen der Formel 1 in Singapur auf Anweisung von Briatore und Symonds absichtlich in eine Mauer gefahren zu sein, um seinem damaligen Teamgefährten Fernando Alonso den Weg zum Sieg zu ebnen.

Der Brasilianer blieb als Kronzeuge straffrei und wird inzwischen wieder bei mehreren Teams als möglicher Neuzugang für die kommende Saison gehandelt.

Alonso wusste nach Ansicht der Richter nichts von der Verschwörung und darf 2010 für Ferrari wieder um den Titel fahren. Ob auch Briatore schon bald wieder an einer Rennstrecke auftauchen könnte, müssen nun die Pariser Richter entscheiden.

Die Chronologie des Skandals:

Das Komplott:

  • 27. September 2008: Nach Aussage von Renault-Chefingenieur Pat Symonds schlägt ihm der Brasilianer Piquet am Tag vor dem Rennen in Singapur vor, absichtlich einen Unfall zu verursachen.
  • 28. September 2008: Bei einem Treffen zwischen Teamchef Flavio Briatore, Symonds und Piquet wird angeblich das Unfallszenario diskutiert. Symonds soll Piquet erklärt haben, dass Kurve 17 die beste Stelle für einen Crash sei, um mit Sicherheit eine Safety-Car-Phase zu verursachen.

Das Rennen:

  • Runde 12: Alonso kommt ungewöhnlich früh zu einem Boxenstopp. Via Funk überzeugt ihn Symonds, dass diese Strategie sinnvoll ist, auch wenn der Spanier als Letzter auf die Strecke zurückkehrt.
  • Runde 14: Bei Kurve 17 fährt Piquet in die Mauer. Telemetriedaten zeigen, dass der Rennfahrer seinen Fuß nicht wie normalerweise an dieser Stelle vom Gas nahm. Zuvor hatte er sich mehrmals erkundigt, in welcher Runde er sich befinde. Nach dem Unfall kommt für sechs Runden das Safety-Car auf die Strecke. Alonso rückt immer weiter vor, weil er als einer der wenigen schon getankt hat. In der 34. Runde übernimmt Alonso die Führung und gibt sie bis ins Ziel nicht mehr ab. Es ist der erste Saisonsieg für Renault.

Der Skandal:

  • 26. Juli 2009: Der Ungarn-Grand-Prix ist das letzte Rennen für Piquet im Renault. Danach wird er wegen Erfolglosigkeit entlassen. Im Gegenzug kontaktiert sein Vater Nelson Piquet sen. FIA-Präsident Max Mosley und kündigt eine Aussage seines Sohnes in Sachen Singapur an.
  • 30. Juli 2009: Bei einer Anhörung in Paris erklärt Piquet jun., Briatore und Symonds hätten ihn angewiesen, den Unfall zu verursachen. Er sei darauf eingegangen, weil er sich einen Vertrag für die neue Saison sichern wollte.
  • 3. August 2009: Piquet jun. gibt auf seiner Website offiziell bekannt, dass Renault ihn entlassen hat. Er bezeichnet Briatore, der auch sein Manager ist, als "meinen Henker".
  • 17. August 2009: Im Büro der privaten Ermittler von Quest, die von der FIA mit der Untersuchung beauftragt wurden, nennt Piquet jun. bei einer zweiten Befragung weitere Details.
  • 27. August 2009: Am Rande des GP von Belgien in Spa-Francorchamps werden Alonso und die Renault-Teamführung zu den Vorwürfen vernommen. Alonso erklärt, nichts gewusst zu haben. Briatore weist die Anschuldigungen zurück. Symonds verweigert in den meisten Punkten die Aussage.
  • 4. September 2009: Die FIA lädt Renault zu einer außerordentlichen Sitzung des Motorsport-Weltrats am 21. September vor.
  • 10. September 2009: Aus unbekannter Quelle tauchen immer mehr Details aus den FIA-Ermittlungen in der Öffentlichkeit auf.
  • 11. September 2009: Renault und Briatore erstatten Strafanzeige gegen die Piquets wegen "falscher Anschuldigungen im Zusammenhang mit einem Erpressungsversuch". FIA-Chef Mosley sichert Piquet jun. Straffreiheit zu. Auch Symonds soll ein ähnliches Angebot erhalten haben, wenn er umfassend aussagt.
  • 16. September 2009: Briatore und Symonds verlassen das Renault-Team. Der Rennstall gibt bekannt, dass er "die Anschuldigungen der FIA nicht bestreitet" - praktisch ein Schuldeingeständnis.
  • 21. September 2009: Nach einer 90-minütigen Anhörung in Paris verurteilt der Motorsport-Weltrat den Rennstall Renault zu einer Sperre von zwei Jahren auf Bewährung. Briatore wird für "unbegrenzte Zeit" aus allen FIA-Rennserien verbannt. Symonds wird für fünf Jahre gesperrt.

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