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©Bild: APA/EPA/Kim Ludbrook |
Doch der überraschende Triumph sorgt für viel Aufregung, obwohl diesmal kein Doping im Spiel ist. Die IAAF hegte vor allem Zweifel, ob die 18-Jährige wegen ihrer männlichen Erscheinung bedingt durch den muskulösen Körperbau und der tiefen Stimme eine Frau ist.
Der Leichtathletik-Weltverband (IAAF) wurde wegen der Leistungsexplosion nämlich stutzig und ordnete bereits im Vorfeld der WM einen Geschlechtstest an, dessen Ergebnis bis heute noch nicht feststeht.
Aus dem Nichts an die Spitze
Doch nicht nur ihr androgynes Äußeres, sondern auch das Alter und der ungewöhnlich schnelle Vorstoß an die Weltspitze ließen die IAAF hellhörig werden.
Der Teenager war in diesem Jahr aus dem Nichts kommend bei den afrikanischen Meisterschaften der Junioren auf Mauritius die Weltklassezeit 1:56,72 Minuten gelaufen und unterbot diese in Berlin nun neuerlich um über eine Sekunde.
Welt gerät aus den Fugen
Semenya verstand die Welt nicht mehr. Aus Protest gegen den angeordneten Geschlechtstest wollte die Südafrikanerin nicht zur Siegerehrung gehen, wurde aber vom Verbandsvorsitzenden Leonard Chuene umgestimmt.
"Niemand hat mir je erklärt, dass ich kein Mädchen sei. Aber hier soll ich es auf einmal nicht mehr sein. Ich bin kein Mann. Warum haben Sie mich hierher gebracht. Sie hätten mich in meinem Dorf lassen sollen", soll sie gegenüber ihrem Verbandspräsidenten gesagt haben. Der hatte sie gezwungen, zur Siegerehrung zu gehen und die Goldmedaille abzuholen.
"Erniedrigendste Erfahrung"
Der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) sprach von einer "traumatischen Erfahrung" für die 18-jährige Sportlerin.
"Was passiert ist, ist die erniedrigendste Erfahrung, die je einem internationalen Sportler zuteilwurde (...) Wir haben Caster gebeten, die Medaille für alle von uns in Südafrika anzunehmen", sagte ANC-Sprecher Brian Sokutu.
Unterstützung in der Heimat
Bei ihrer Rückkehr in ihr Heimatland wurde Semenya mit Jubelgesängen und ohrenbetäubenden Vuvuzela-Klängen empfangen.
Die Empörung über den als unsensibel, aber auch rassistisch und sexistisch kritisierten Test hatte die Bevölkerung Südafrikas über alle Rassen- und Klassengrenzen hinweg vereint.
Den Solidaritätsbekundungen und Protesten hatten sich Politiker, Kirchenvertreter, Gewerkschafter, Künstler und Sportler angeschlossen. Das Parlament am Kap hatte daraufhin Mitte September eine Beschwerde bei der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen (UNO) eingelegt.
Verbandspräsident muss gehen
Allerdings musste der Südafrikanische Leichtathletikverband (ASA) ein paar Tage später zugeben, bereits vor der WM ebenfalls einen Geschlechtstest bei der späteren 800-m-Weltmeisterin vorgenommen zu haben, allerdings sei bis zum WM-Beginn kein Ergebnis vorgelegen.
Verbandspräsident Leonard Chuene wurde folgedessen suspendiert. Begründet wurde die Suspendierung damit, dass Chuene über seine Rolle bei dem Geschlechtstest der 800-Meter-Weltmeisterin nicht die Wahrheit gesagt habe.
Schwierige Sachlage
Ob Semenya ihre Goldmedaille und das Preisgeld behalten darf oder nicht, hängt aber nicht nur vom Ergebnis des Tests ab. "Ich kann nicht sagen, was passieren wird, wenn 'Fall X' in der Zukunft eintreten wird. Rechtlich gesehen ist die Sachlage sehr komplex", sagte IAAF-Sprecher Nick Davies.
"Sollte sich herausstellen, dass es einen Betrug in Form einer Geschlechtsumwandlung gab, dann wäre es leicht, die Resultate abzuerkennen. Wenn es eine angeborene Sache ist und die Athletin schon immer geglaubt hat, dass sie eine Frau ist oder war, dann ist es ja kein betrügerisches Verhalten", präzisierte Davies.
"Ein extrem komplexer Test"
Der von der IAAF angeordnete und bereits begonnene Test erfordert eine exakte Auswertung, die gynäkologische, innermedizinische, endokrinologische und psychologische Expertenberichte beinhaltet.
"Das ist ein extrem komplexer und schwieriger Test. Wir sprechen von einer Untersuchung, die sehr lange und sehr zeitaufwendig ist", erklärte Davies.
Geschlechtstest 1968 eingeführt
Geschlechtstests wurden bei den Olympischen Spielen 1968 eingeführt, nachdem eine Reihe von osteuropäischen Athleten in Verdacht geraten war. Als einzige Teilnehmerin musste sich damals nur die englische Prinzessin Anne, Tochter von Königin Elizabeth II., der Überprüfung nicht unterziehen.
Vor den Sommerspielen 2000 in Sydney wurde "Gender Verification" jedoch wieder abgeschafft und ist nur noch in strittigen Fällen vorgesehen. In einigen Sportverbänden gibt es diese Tests noch.
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